Dresden – das Tal der Ahnungslosen. Die Stadt – oder eigentlich der Elbtalkessel – ist der Archetyp des Funklochs. Denn im Arbeiter- und Bauern-Staat konnten ungefähr 15 Prozent der Bevölkerung kein Westfernsehen oder UKW-Radio empfangen. Das galt übrigens auch für die Ecke im äußersten Nordosten, also rund um Greifswald –, weswegen ARD auch gerne mit „Außer Rügen und Dresden“ dechiffriert wurde.
Heute sind es erstaunlicherweise immer noch rund 15 Prozent der Bevölkerung, die nicht unbedingt freien Empfang im Mobilfunknetz haben und deshalb auch mit Freisprechanlage nicht unbeschränkt (also frei) sprechen können. Sie können auch nicht mobil ins Internet gehen und dort wichtige Informationen abholen. Das Tal der Ahnungslosen ist heute – genau 20 Jahre, nachdem die beiden D-Netze von der Deutschen Telekom und von Mannesmann Mobilfunk ans Netz gingen – eher das flache Land. Zwischen Bremen und Osnabrück zum Beispiel ist den Niedersachsen wieder mal keiner gewachsen – jedenfalls kein Anschluss.
Es ist sozusagen die Zementierung einer alten Regel, dass alles schnell zu 80 Prozent erreicht werden kann, der Rest aber nur durch mindestens vierfachen Aufwand. Die Leistung steigt – vom Broadcasting à la Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk zum Narrowcasting vom Schlage einer SMS – in technologischer und dienstleistender Hinsicht, aber der Anteil derer, die außen vor bleiben, ist unverändert.
Aber was für ein technologischer, nein: kultureller Durchbruch ist eigentlich damit verbunden, seit vor 20 Jahren die kabellose Telefonitis in Deutschland ausbrach! Die Zahl derer, die sich mit einem Motorola-Hundeknochen (Mann, die Dinger hatten wenigstens noch eine Antenne!) oder einem Siemens-Hundekuchen ausstatteten, wuchs schnell in die Hunderttausende. Das Business wurde mobil Dabei hatte Mannesmann leicht die Nase vorn, was wiederum zu einer feindlichen Übernahme durch Vodafone und später zum Victory-Zeichen Josef Ackermanns führte. Ist es nicht frappierend, dass die damaligen Demarkationslinien, die durch die Vorwahlen 0171 und 0172 markiert wurden, noch heute nach mehrfachem „Handynummer-Übernahme-Garantie-bei-deutlich-günstigeren-Tarifen“-Verträgen immer noch zu erkennen sind. Tell me your number and I tell your former provider.
Aber ob 015x, 016x oder 017x – ohne diese mythischen Ziffern gibt es heute keinen mobilen Zugang ins Web. Smartphones und Tablets, Notebooks und Netbooks sind die wahren Telefonapparate der Jetztzeit. Immerhin 114 Millionen Anschlüsse werden in Deutschland derzeit gezählt. Das sind mehr als Menschen in Deutschland leben. Das lässt sich durch Zweithandys und Zweitanschlüsse erklären – aber es erklärt noch lange nicht die Anzahl der mobilen Endgeräte, die noch weit darüber hinaus geht (weil mehrere Systeme sich einen Anschluss teilen können).
In nur 20 Jahren ist weltweit eine Kommunikationsinfrastruktur entstanden, die dem Communication-Control-System aus der Star-Trek-Serie in allen Belangen überlegen ist – kleiner, multifunktionaler, schicker und – echt.
Eins aber hatte das Star Trek Communication System dem D-Netz und dem heutigen Wireless LAN voraus: Egal, an welchem entfernten Ende eines Spiralarms der hintersten Galaxie es operierte, es gab kein Funkloch – hallo? Sind Sie noch da?