Der Preis der Ideen

Während der Olympischen Spiele in London war es Gastwirten untersagt, in Menüs, Werbung oder in der Auslage mit Begriffen wie „Olympia“, „Gold, Silber, Bronze“ oder gar der Jahreszahl „Zweitausendzwölf“ zu werben. Die Nutzung behielten sich einzig und allein die Sponsoren und Veranstalter vor. Die hatten die Begriffe zwar auch nicht erfunden, reklamierten sie aber für diesen Zeitraum als ihr Eigentum. „2012“ war zeitweilig sozusagen patentgeschützt.

Auch das Internet, sagt man, schlägt täglich einen Sargnagel ins Urheberrecht. Tausendmal kopiert – tausendmal ist nichts passiert? Die Kämpfe gegen Fälschungen, Copyright-Verletzungen, Plagiate beschäftigen inzwischen die Gerichte so häufig wie Nachbarschaftsstreitigkeiten.

Und es sind – ganz wie bei Konflikten über den Gartenzaun – auch nicht selten Bagatellen, die da von den Juristen beurteilt werden müssen. Auch vor dem Patentrichter werden immer kleinteiligere Neuerungen und Innovatiönchen diskutiert. Aber dass sich eine Jury gerade einmal eineinhalb Tage Zeit nimmt, um etwa 700 Streitpunkte im Patentfall zwischen Apple und Samsung zu beurteilen, lässt einen doch verdutzt die Augen reiben.

Und erst das Urteil: Nachdem nur wenige Sekunden pro Streitpunkt aufgebracht wurden, konnte sich die Jury ebenso schnell auf eine Milliardenstrafe gegen Samsung einigen. Da hilft es nichts, dass der Smartphone-Riese aus Südkorea Milliardengewinne einfährt und die Strafe gut verkraften kann. Es geht um die Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Strafen.

Schon im Gerichtsverfahren rund um den Datenklau, den die SAP-Tochter FutureNow gegenüber Oracle eingestanden hatte, wurde schließlich eine Milliardenstrafe verhängt, die ein langes Ringen um die tatsächlich zu leistende Strafe nach sich ziehen wird. Nichts anderes wird nun zwischen Samsung, Apple und den Gerichten folgen: Das Urteil ist bereits angefochten – jetzt beginnt ein Spiel um Geld und Zeit.

Es geht gar nicht mal unbedingt um die Frage, ob „runde Ecken“ tatsächlich schutzwürdig sind oder gar schützbar, ob die Gesten, mit denen die Touchoberfläche angeregt wird, so unverwechselbar sind oder sein müssen. Es geht eher um die Frage, wie viel Rechtsunsicherheit durch überbordende Patentvergaben geschaffen wird. Allein in einem Smartphone sollen nach Analystenmeinung rund 1000 technische Eigenschaften patentwürdig sein. Wer will da noch das Risiko eines Markteinstiegs eingehen. Wer kann noch beurteilen, ob die Eigenentwicklung auch tatsächlich eine Eigenleistung ist oder doch ein unfreiwilliges oder fahrlässiges Plagiat?

Samsung und Apple teilen sich etwa zwei Drittel des Marktes für Smartphones auf. Noch richten sie sich gegeneinander. Es wäre jedoch nicht unwahrscheinlich, dass beide ihre Patentrechte wechselseitig austauschen – um das letzte Drittel endgültig aus dem Geschäft zu kegeln.

Patente waren einmal dazu da, den Wert der Ideen zu schützen – und nicht zuletzt dem Erfinder ein Auskommen durch seine Innovation zu gewähren. Die Milliardenurteile der Vergangenheit führen jedoch zu einem exakten Gegenteil. Während einerseits die Strafen für Patentverletzungen immer höher ausfallen, werden andererseits die Patente immer weiter bagatellisiert. Wer wollte da noch das Risiko eingehen, als Karpfen unter den Patenthechten zu schwimmen?

Am Ende führt dieser Schutz vor dem geistigen Eigentum zur Verhinderung von geistiger Leistung.

Ein Gedanke zu „Der Preis der Ideen“

  1. Wie immer ein genialer Beitrag von Heinz-Paul.

    Wie sagt man doch „vor einen US-Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand“

    Die Patentwütigkeit von Apple schadet der IT-Innovation. Man sagt 1/3 der Mitarbeiter von Apple sind Anwälte.

    Aus Solidarität mit Google habe ich mir heute gleich einmal das neue 7′ Nexus für 249€ (16 GB) gekauft. Gibt es ab heute in googles play store. https://play.google.com/store

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