Alarmstimmung bei Microsoft: Als Steve Jobs zusammen mit der Ankündigung des Musikabspielers iPod auch weitreichende Lizenzabkommen mit der Musikindustrie präsentierte, herrschte in Redmond schieres Entsetzen. Die große Sorge in der Microsoft-Zentrale bestand darin, dass Apple das Download-Angebot auch auf der Windows-Plattform anbieten würde. Dann hätte ein direkter Wettbewerber Einfluss auf das Content-Angebot in der Windows-Welt, so die Befürchtung vor einem guten Jahrzehnt.
Daran hat sich bis heute nichts geändert. Weniger die – zugegebenermaßen äußerst flexible – Infrastruktur ist das Geheimnis der Cloud, sondern mehr und mehr ihr Inhalt, ihr Content. In der Tat war der Einstieg von Apple ins Musikgeschäft eine der ersten erfolgreichen (und legalen) Cloud-Anwendungen der IT-Geschichte. Der Download-Service Napster war auch erfolgreich – aber eben nicht legal.
Heute umarmt die PC-Company Microsoft die Cloud mit großer Geste. Nicht nur der Wettlauf um die Vorherrschaft im Wohnzimmer, wo Windows 8, Xbox, Nokia-Smartphones und Surface die Consumer für sich gewinnen will, wird weniger über technologische Features als vielmehr über das inhaltliche Angebot entschieden. Auch der Wettbewerb im Business-Sektor, der stark von Windows Azure und anderen Cloud-Angeboten angetrieben werden soll, endet letztlich auf der Gretchenfrage: Wie hältst du´s mit dem Content – und dessen Sicherheit?
Microsofts neuer Mittelstandschef in Deutschland, der Niederländer Floris van Heijst hat bei seiner Berufung als Nachfolger des sabattierenden Martin Berchtenbreiter klar zum Ausdruck gebracht, dass in Deutschland der Mittelstand über die Cloud gewonnen werden muss. Zusammen mit den Partner übrigens, die somit ebenfalls für die Cloud gewonnen werden müssen. Das kann in der Tat nur gelingen, wenn die Software- und Systempartner das durchaus prosperierende Mittelstands-Geschäft von Microsoft hierzulande mit Inhalten füllen. Das wird die Vision sein, die van Heijst im ersten Jahr zu seiner Mission machen muss. Die Speerspitze dürfte dabei durchaus Dynamics CRM bilden – die Kundenbetreuungssoftware hat einen hohen Erklärungsbedarf, funktioniert in der Cloud optimal als Kollaborationslösung und generiert neben den direkten Lizenz- beziehungsweise Nutzungsgebühren vor allem Beratungsumsätze für die Partner. Nirgendwo sonst werden derzeit so hohe Honorare gezahlt wie bei der CRM-Implementierung.
Ähnliches gilt für den ERP-Markt, der ebenfalls geschäftsprozessorientiert ist und deshalb hohe Beratungshonorare bringt. Das aber ist das Salz in der Suppe der Microsoft-Partner, die sich künftig weniger von ihren Lizenzanteilen ernähren als vielmehr vom Wert der durch sie erbrachten Inhalte. Content is the Name of the Game im Partnergeschäft. Das ist die Message, für die Floris van Hejst jetzt durch die Lande reisen muss.
Doch ohne Schützenhilfe aus Redmond wird ihm das kaum gelingen – ebenso wenig wie allen anderen Channel-Verantwortlichen rund um den Globus. Kaum dass Microsoft mit Windows 8, Surface, Windows Azure und Office365 die nötigsten Lücken im Plattformangebot geschlossen hat, muss Steve Ballmer seine Mannen zur nächsten Großbaustelle schicken: Kauft Content! Denn jetzt geht es nicht nur darum, Cloud-Plattformen zu haben, jetzt müssen sie auch noch aufgehübscht werden. Bislang ist da allzu viel „Me-too-Angebot“ dabei – nicht viel, was Apple, Google oder Amazon nicht auch hätten. Mit einer bestens gefüllten Kasse dürfte es Microsoft nicht schwer fallen, Content einfach hinzuzukaufen.
Im Mittelstandsgeschäft hilft hier der Blick auf einen anderen langjährigen Rivalen: IBM. Mit seinem Lösungsportfolio, das insbesondere durch die Partner erbracht wurde, hat sich IBM fest im Mittelstandsgeschäft verankert. Das Partnermodell war eine heilige Kuh, die überall grasen durfte, wo IBM-Hardware installiert werden konnte. Das Modell war IBM sogar so heilig, dass die eigenen Lösungsangebote – zum Beispiel das PPS-System COPICS – zugunsten der Partnerlösungen vom Markt genommen wurde. So weit muss Microsoft nicht gehen. Aber Dynamics muss noch dynamischer das Partnergeschäft befördern – ob CRM oder ERP.
Irgendwie hängt Microsoft zwischen den Content-Modellen von IBM (Business) und Apple (Consumer). Beides gleichzeitig zu stemmen, dürfte ein harter Gang werden. Das ist die schlechte Nachricht. Die gute Nachricht hingegen lautet: Für beide Märkte braucht Microsoft die Content-Kompetenz der Partner.