Lasst uns Freunde bleiben….

Gut, dass niemand auf die Idee gekommen ist, auf der World Partner Conference den 14000 Vertretern von Hardware-, Software- und Systemhäusern zu erklären, worin ihre Rolle in den kommenden Jahren liegen wird. In jener fernen Zukunft, in der Microsoft die Schlacht um das mobile Betriebssystem mit Windows 8.1 und Nachfolgern gewonnen haben wird. Wenn Microsoft wie Apple ein End-to-End-Geschäft aufgezogen haben wird, das alle Verkaufsprodukte vom eigenen Microsoft-Tablet über das Universelle Betriebssystem und den Anwendungen bis zur Cloud-Infrastruktur beherrscht.

Vielleicht werden die Partner ja zu Geschäftsführern der Zigtausend lokalen Microsoft-Shops, die zwar noch nicht angekündigt worden sind, die aber aus dem Geschäftsmodell von Microsoft in der Zukunft eine getreue Kopie des Geschäftsmodells von Apple in der Gegenwart machen könnten. Das wäre immerhin eine Perspektive. Denn eigentlich blieb diese World Partner Conference ohne klare Vision dazu, wie ein gemeinsames, nachhaltiges Wertschöpfen im Zusammenspiel von Microsoft mit seinen Partnern aussehen könnte.

Dagegen wurde überdeutlich, dass nichts so bleiben würde, wie es war. Die Office-Optimierer, die in ihrer regionalen Klientel mit streng gehütetem Microsoft-Knowhow für lokale Anpassungen sorgen, werden über kurz oder lang durch Cloud-Services ersetzt. Die Rolle der Distributoren ist in einer Welt, in der Downloads und Updates über Cloud-Services abgeleistet werden, ebenfalls im Wandel. Sie liefern inzwischen zum Teil eigene Cloud-Dienstleistungen und stehen damit als lokales Rechenzentrum für Windows Azure zur Verfügung.

Doch es gibt auch aussichtsreiche Perspektiven – die der Lösungspartner rund um Microsoft Dynamics-Anwendungen ERP und CRM. Sie schaffen durch branchen- und kundenindividuelle Anpassungen jenen Added-Value, von dem sich Microsoft auch künftig Wachstumsaussichten verspricht. Ihnen machte beispielsweise Microsofts COO Kevin Turner ordentlich Mut, als er in seiner gewohnten Wettbewerbs-Gossip-Rede unter anderem CRM-Konkurrent Salesforce.com frontal anging. „Rettet die Kunden vor dieser Sackgasse“, forderte Turner jenen Added Value von den Partnern, die Microsoft zur Ausweitung seiner Machtbasis so dringend benötigt. Zur Warnung ließ Turner das „No Software“-Signet von Salesforce durch ein „No Profit“-Zeichen ersetzen. Hoffentlich war das nicht ein Menetekel an der Wand der Partner World.

Denn dass die Microsoft Partner ein Gegenstand wohlfeiler Einsparungen sein können, machte die World Partner Conference auch deutlich. Kein Investment in ein „Wir-Gefühl“ wie zu früheren Zeiten, als die „liebgewonnene“ wärmende Partner-Jacke noch als Erkennungszeichen diente. Kaum ein Signal der Wertschätzung in unterkühlter Atmosphäre. Weniger Geschäftsaussichten im geteilten Geschäftsmodell. Das war durchaus deprimierend…

…für beide Seiten. Als Steve Ballmer in der Eröffnungsrede ankündigte, dass der Verkauf von Surface-Tablets nun in 28 Ländern der Welt beginnen würde, brandete tosendes Schweigen aus dem Publikum der 14.000 anwesenden Partnervertretern. Der Stachel, dass Microsoft nunmehr den gesamten Produktzyklus von der Hardware über die Software bis zum Service kontrollieren wird, sitzt tief. Dass erfolgreiche Cloud-Companies wie Apple, Salesforce oder Google ohne großes Partnernetzwerk auskommen und stattdessen eine Community aus App-Entwicklern pflegen, bedeutet für viele Gold- und Silber-zertifizierte Microsoft-Partner durchaus einen Schock. Was ist ihr Investment in die Kenntnis um Microsoft-Produkte in der Zukunft noch wert?

Alles! Das versuchte Steve Ballmer ebenfalls zum Ausdruck zu bringen. Auch wenn Microsoft nun zur End-to-End-Kontrolle des Geschäfts tendiert, seien doch nur die Partner in der Lage, die Verfügbarkeit von Lösungen auf jeder denkbaren Konfiguration zu gewährleisten. Nur: Wenn Microsoft wirklich Apples zum Vorbild nimmt, dann wäre es nur konsequent auch die Vielzahl der Hardware-Konfigurationen zu reduzieren. Eine Architektur für Desktop, Laptop, Smartphone und Tablet ist nun mal das erklärte Ziel.

Dennoch gilt: Heute generiert Microsoft rund 90 Prozent seines Produktumsatzes durch die Partner. Aber muss das so bleiben? Die neue Organisationsstruktur, die sich Microsoft im Nachgang zur Worldwide Partner Conference verschrieben hat, legt diesen Schluss nicht unbedingt nahe. Entscheidend ist zunächst, dass Redmond das nachteilige Divisionsdenken mit der Neuorganisation zu überwinden hofft und eine ganzheitliche Sicht auf die eigene Produktwelt anstrebt. Das sollte Partnern mit einem ähnlichen Horizont helfen, künftig breiter aufgestellt neue Wertschöpfungsketten zu kreieren. Aber das wird nicht leicht. Dennoch: Lasst uns Freunde bleiben – und die alten Jacken wieder hervorholen.

 

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