SAP und die s-Klasse

Die Cloud wandelt sich und SAP wandelt sich mit ihr – so könnte man die Ankündigungen des größten deutschen Softwarehauses in den letzten Monaten deuten. Die Walldorfer machen nach einem internen Strategiepapier jetzt Ernst, indem sie nicht nur ihre Produkte auf Big Data, Mobile und die Cloud ausrichten, sie strukturieren auch die eigene Spartenstruktur neu: Statt wie bisher zwischen Applikation, Business Intelligence, Mobile Lösungen, Datenbanken und Cloud-Anwendungen zu unterscheiden, sollen künftig andere Schwerpunkte gesetzt werden: Anwendungen, Analyse, Hana und Benutzeroberfläche.

Damit unterscheidet SAP nicht mehr zwischen Anwendungen, die aus der Cloud angeboten werden, und solchen, die wie bisher on Premise im Einsatz sind. Und die Kunden sollen das künftig auch nicht mehr so eindeutig tun müssen, meinte jetzt Vorstandschef Bill McDermott bei der Ankündigung der neuen Produktreihe s-innovations, mit der Anwendungsfall für Anwendungsfall bestehende Großanwendungen in die Cloud verschoben werden können. Den Anfang macht ein Simple Finance, das offensichtlich aus der Finanzanwendung von Business by Design ausgekoppelt wurde. Weitere Anwendungen für den Einkauf (Procurement), das Lieferketten-Management (Supply Chain) und branchenspezifische Anwendungen sind in Planung.

Daran sollen auch Partner ihren Anteil haben – vorausgesetzt, sie sind bereit und geschult, um ihre Lösungen auf der In-Memory-Datenbank Hana abbilden zu können. Das gilt auch für jene Partner, die mehr und mehr bei Business by Design das Mittelstandsgeschäft für SAP übernehmen. Anders als in den ersten sieben „Schmerzensjahren“ der milliardenschweren Cloud-Entwicklung will SAP sich nur noch auf den gehobenen Mittelstand konzentrieren und den Konzerntöchtern betreuen. Das breite Feld der mittelständischen Unternehmen sollen wieder – wie schon seinerzeit bei den On-Premise-Lösungen der SAP – die Partner übernehmen. Dazu soll nicht nur der eigene Branchenskill genutzt werden, sondern auch die Beratungskompetenz zusätzlichen Umsatz bringen, wie Rainer Zinow, der als Senior Vice President diese Produktlinie verantwortet, im Gespräch mit CRN erläuterte. Denn, so rechnet Zinow unverblümt vor, erst nach drei Jahren verdient ein Partner an einer Cloud-Lösung so viel wie bei einer On-Premise-Lizenz.

SAP hat inzwischen erkannt, dass das entscheidende Argument für Cloud-Lösungen nicht aus dem Einsparungspotenzial beim software-Betrieb stammt. Vielmehr sieht Technologievorstand Bernd Leukert in den mobilen Anwendern den wesentlichen Veränderungswillen. Deshalb kooperiert SAP mit Samsung, um auf den gemeinsamen Plattformen zusätzliche Lösungen für den Vertriebsmitarbeiter, den Kollegen in der Logistik oder den Berater im Banken- und Versicherungswesen anzubieten. Diese mobilen Anwendungen der s-innovations-Familie sollen ebenfalls dabei helfen, die bestehenden fest-installierten Anwendungen sukzessive zu erweitern und in Richtung Cloud zu migrieren. Das soll auch mit neuen Anwendungsfeldern gelingen – beispielsweise mit Lösungen für das Gesundheitswesen.

Rund eine Milliarde Euro Umsatz will SAP im zu Ende gehenden Jahr mit ihren Mietangeboten aus der Wolke melken. In drei Jahren strebt man bereits einen Umsatz von 3,5 Milliarden Euro an. Und 2020 will SAP der unangefochtene Stern am Wolkenhimmel über Deutschland sein. Dazu trägt offensichtlich auch bei, dass SAP mit den harschen Datenschutzgesetzgebungen hierzulande weltweit punkten kann. So hat sich die australische Bundesregierung, die als einer der größten Kunden mit Business by Design, die Hosting-Dienste der SAP nutzt, nicht für die Datensammelstelle in den USA entschieden, sondern das Datenzentrum in St.-Leon-Rot ausgewählt.

Beim Datenschutz ist Deutschland eben auch S-Klasse. Und damit auch die SAP.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert