Von Max Herre (feat. Philipp Poisel) kennen wir die folgenden Weisheiten: „Dinge kommen, Dinge gehen – Sinn und Unsinn des Lebens…“ Es kann nicht ganz absichtslos gewesen sein, dass Max Herre den Song „Wolke 7“ genannt hat. Jedenfalls klingt es, als wende er sich direkt an die IT-Marketiers, die sich in den letzten sieben Jahren fürs Cloud Computing stark gemacht haben: „Mit dieser Leere Bücher vollgeschrieben.“
Cloud Computing befindet sich ohne Zweifel in einer Sinnkrise. Es ist einfach unverständlich, dass dieses vollkommen überzeugende Konzept zur Entlastung der firmeneigenen IT-Abteilung, die nach Analystenmeinung ohnehin den größten Teil ihres Budgets für rein operative Tätigkeiten erübrigen muss, nicht überzeugt. Aber weltweit bleiben die tatsächlichen Umsätze mit Cloud Computing hinter den Erwartungen und Prognosen zurück. Nicht erst seit Snowden stellt der Mittelstand beim Cloud Computing die Vertrauensfrage. Und die Sinnfrage stellen die Unternehmen sowieso: Warum in eine Infrastruktur investieren, die einem nicht gehört?
Inzwischen stellen auch die Marketiers die Sinnfrage – allerdings hinterfragen sie nicht das Konzept, sondern den Begriff: Wolke, Cloud. Was soll man sich darunter vorstellen – oder darin? Eine Wolke ist entweder ein Nichts oder ein diffuses Etwas. Klingt paradox, ist aber so.
Und sie erzeugt offensichtlich völlig falsche Assoziationen: Wolken lösen sich auf (Lies: „Die Daten sind weg!“), ziehen hinüber in andere Länder (Lies: „in Länder mit anderer Datenschutzgesetzgebung“) oder regnen einfach aus (Lies: „das Netz hat geleakt!“).
Inzwischen trauern wir den visionären Begriffen der „Neuromancer“ wie William Gibson hinterher – der Matrix, dem Sprawl oder dem Cyberspace. Sie alle klingen nach Manifestation. Cloud hingegen klingt irgendwie… – wolkig.
Dennoch – Gartner bleibt dabei: nächstes Jahr ist das Jahr, in dem die Wolke durchbricht – also im Sinne von Marktdurchbruch. Das hat Gartner zwar auch schon für 2014 und 2013 prognostiziert. Aber nun ja: jetzt also eben 2015.
Es dauert halt mit dem Cloud Computing, obwohl sich im Prinzip alle einig sind, dass es sich beim Computing on Demand um eine glänzende Idee handelt. Der Grund dürfte in den fehlenden disruptiven Anwendungen liegen, die Cloud Computing eine condito sine qua non werden lässt – also eine Bedingung, ohne die alles nichts ist. Unternehmenslösungen einfach aus der eigenen IT-Abteilung herauszunehmen und von einem externen Datencenter (vielleicht sogar im Ausland, wenn nicht gar „off shore“) hosten zu lassen, ist eindeutig nicht disruptiv genug, um Unternehmen zu einer so schwerwiegenden Entscheidung wie dem Totaloutsourcing zu bewegen.
Dabei gibt es diese Anwendungen längst: mobile Anwendungen und Smartphone-Apps sind längst der Königsweg in die Wolke – allerdings überwiegend für Privatpersonen, die sich synchronisieren wollen – mit anderen Privatpersonen und mit anderen Endgeräten. Ohne Cloud ist Mobile eine Krücke. Und erst durch Mobile bekommt die Cloud ihre Bedeutung.
Der zweite Grund sind die falschen Botschaften für die falschen Zielgruppen. Dem IT-Leiter damit zu kommen, dass ein Großteil seiner Arbeit operativ (Lies: „unproduktiv“) ist, sorgt nicht gerade für Jubelstimmung. Und dem Finanzchef mit einem pauschalen Einsparungspotenzial zu locken, ohne gleichzeitig ein Übernahmeangebot für den dann wertlosen Computerschrott im eigenen Haus zu unterbreiten, klingt ebenfalls nicht wie der ganz große Marketing-Coup.
Vor allem aber handelt es sich beim Cloud Computing um ein Element der Shared Economy, die unter anderem ja die CeBIT seit Jahren auf ihre Fahnen schreibt. „Teilen“ aber ist ein Paradigma des 21. Jahrhunderts, von dem wir wissen, dass es sich dereinst durchsetzen wird. Noch aber befinden wir uns gedanklich im Paradigma des 20. Jahrhunderts, das „Haben“ lautet. Meine Daten, mein Know-how, mein Server. Die Cloud ist unserer Gedankenwelt voraus.
Oder wie es Max Herre (feat. Philipp Poisel) in Wolke 7 formulierte: „Kopf in den Wolken, Kopf im Sand.“ – „Und ich schließe die Augen vor all diesen Fragen.“