Das IoT ist tot, es lebe die IoT!

Der Mörder ist mal wieder ein Gartner-Analyst: Das Internet of Things (IoT) – oder Internet der Dinge – ist noch gar nicht richtig geboren, da ist es auch schon wieder tot. Das Internet der Dinge benennt nämlich nur die Infrastruktur; viel wichtiger aber ist, was man damit macht. Information of Things (IoT) – also die Information über die Dinge – sind das entscheidende Momentum bei der Digitalisierung der Welt.

Und in der volldigitalisierten Welt sind Informationen immer und überall und über alles. Die Gartner Group, die soeben ihre jährliche Synode zu Glaubensfragen der Informationswirtschaft in Orlando, Florida, abgehalten hat, sieht uns alle allmählich im Cyberspace angekommen, also in der Matrix oder wie es auf Gartner-Sprech heißt: Digital Mesh.

Der Begriff ist gefährlich, denn er erinnert nicht nur an Mischmasch, sondern steht im Englischen sowohl für Netz oder Netzwerk als auch für das Sieb, dem ja bekanntlich das Vergessen sprichwörtlich ist. Doch in der Gartner-Interpretation ist der Mischmasch aus unterschiedlichen persönlichen Endgeräten, die sich untereinander synchronisieren, eine der Herausforderungen der kommenden Jahre. Sie wird die CIOs in Atem halten, die dafür sorgen müssen, dass die PCs, Smartphones, Tablets, Scanner, Netzdrucker oder Handhabungsautomaten auf dem gleichen Informationsstand sind. Es ist auch die Herausforderung für Information-Broker, die dafür sorgen werden, dass jedermann auf jedem Endgerät nur die Informationen erhält, die ihn oder sie in der speziellen Situation auch benötigt. Also: Wer ein Handy privat und eins dienstlich mit sich führt, möchte auf dem einen nur Privates auf dem anderen nur Dienstliches haben – und was so dazwischen ist, auf beiden. Umgebungsbewusste Endgeräte oder „ambient user devices“ nennen wir das von jetzt an im Gartner-Idiom.

Aber damit nicht genug: Wir erhalten nicht nur situationsbedingt die Informationen, die uns in der entsprechenden Lebenslage erreichen sollen. Wir bekommen auch noch kontextspezifische Hintergrundinformationen mitgeliefert. Hier helfen nicht einfach nur Suchmaschinen – das ist ja sowas von out! -, sondern semantisch optimierte Datenbanken, die Wortfelder und Themengebiete ebenso auswerten können wie Grafiken und Bilder. Im Ergebnis sollen wir Wissen statt Daten erhalten.

Dazu brauchen wir natürlich nicht einfach nur das Internet, wie wir es kennen. Wir brauchen neuronale Netze, die die lernenden Suchmaschinen dabei unterstützen werden, zu erkennen, was die Welt (wenn auch nicht im Innersten!) zusammenhält – und vor allem, wie man in ihr navigiert. So wird es über kurz oder lang weiterentwickelte Varianten von Cortana (Microsoft) oder Siri (Apple) geben, jenen kontextsensitiven Spracheingabesystemen, die uns heute zwar kaum mehr sagen können als das Wetter von morgen, übermorgen aber schon den Zusammenhang zwischen Historischem und Dialektischem Materialismus (oder etwas ähnlich Kompliziertem) erklären. Und natürlich werden die gleichen Netze auch dafür verwendet, Fahrzeuge autonom über unser Straßennetz zu steuern und Drohnen ins Krisengebiet einzufliegen.

Gartner, was habt ihr genommen? Alles, was in Orlando als zehn Voraussagen für das Jahr 2016 verkündet wurde, wird kommen – nur nicht 2016! Soeben haben wir in Deutschland die ersten Teilautobahnen für Testfahrten mit autonomen Lastwagen freigegeben. Soeben hat der Mittelstand erkannt, welche Möglichkeiten hinter Industrie 4.0 stecken. Und soeben haben wir damit angefangen, unsere betriebswirtschaftlichen Lösungen auf die Datenflut des Internets der Dinge vorzubereiten. Und damit werden wir auch 2016 noch vollauf beschäftigt bleiben.

Bitte gebt uns etwas Zeit zum Luftholen, liebe Freunde von der Gartner Group. Es reicht nicht, Visionen zu haben. Man muss auch in der Lage sein, sie zu verwirklichen. Bislang hat die Arbeitsteilung ganz gut geklappt. Gartner hatte die Visionen, die Informationswirtschaft hat sie realisiert. Aber jetzt geht es einfach zu schnell.

Das Internet der Dinge ist noch lange nicht tot. Denn zunächst brauchen wir die Infrastruktur, ehe wir uns auf sie verlassen können. Und dann haben wir die Informationen über die Dinge und können uns damit beschäftigen, was wir damit anfangen. Es hilft nichts, wenn die Digitalisierung der Welt schneller voranschreitet als die Umgestaltung der Welt. Wir brauchen Zeit. Aber ich fürchte, bis dahin gibt es wieder eine Gartner-Synode oder gar IT-Konklave und der weiße Rauch wird aus dem Convention Center in Orlando aufsteigen und uns signalisieren: Visio est mortuus. Habemus novum visionem. – Die Vision ist tot, wir haben eine neue.

 

Ein Gedanke zu „Das IoT ist tot, es lebe die IoT!“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert