Die Übernahme des Augsburger Roboterherstellers Kuka durch den chinesischen Investor Midea hatte vor drei Jahren eingeschlagen wie eine Bombe. Roboterbau war plötzlich Schlüsseltechnologie und damit maßgeblich verantwortlich für die Zukunft des Wirtschaftsstandortes Deutschland. „Schon“ 36 Monate später reagierte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier mit der Vorlage einer Industriestrategie, mit der deutsche Hightech–Firmen vor den finanzkräftigen Investoren aus den USA und China geschützt werden sollen und gleichzeitig vorgeschlagen wird, europäische Champions gezielt für den globalen Wettbewerb zu trimmen.
Danach hagelte es Lob und Tadel. Als die negative Resonanz überwog, stufte der Bundeswirtschaftsminister das Strategiepapier zu einem Diskussionsbeitrag herunter. Das änderte freilich nicht viel, denn protektionistische Bestrebungen gehören nicht in das Arsenal freier Marktpolitik – egal, ob sie Bestandteil einer Strategie oder einer Diskussion sind. Das war und ist ein europäischer Trumpf gegenüber den in Washington und Peking angezettelten Handelsstreitigkeiten. Doch ohne eine zukunftsorientierte Innovations- und Investitionsstrategie bleiben europäische Unternehmen gegenüber ihren starken Konkurrenten aus Übersee gefährdet. Die beste Industriestrategie für Deutschland und Europa ist also die, die den Unternehmen auf dem alten Kontinent beste Chancen eröffnet, ihre Produkte und Märkte und im Zuge dessen auch sich selbst neu zu erfinden. Dazu fehlt im Altmaier-Papier jeglicher Ansatz.
Das findet auch der Bundesverband der Deutschen Industrie, der an diesem Montag auf dem „Kongress zur nationalen Industriestrategie 2030“ beim Bundeswirtschaftsministerium ein Gegen- Papier vorlegen wird. Darin fordert der BDI, das Beihilfe- und Wettbewerbsrecht zu modernisieren, um „die marktwirtschaftlichen Errungenschaften Europas zu verteidigen“, statt in Protektionismus zu verfallen. Vor allem soll die Europäische Union einen „stärkeren Fokus auf Investitions- und Innovationsförderung“ legen. Als Beispiel nannte der BDI den Klimaschutz, der „nicht zulasten der Standortbedingungen für Unternehmensinvestitionen gehen“ dürfe. – Also statt dem Altmaierschen „Gute–Kuka–Gesetz“ besser ein „Gutes–Klima–Gesetz“, um die neue Terminologie der Bundesregierung bei der Findung von Gesetzesnamen zu übernehmen.
Schließlich geht der BDI auch auf die viel geäußerte Kritik an Altmaiers Papier ein, die Industriestrategie des Bundeswirtschaftsministers nütze nur global tätigen Unternehmen und nicht den kleinen und mittelständischen Firmen mit hohem Innovationsanspruch. Der Entwurf werde „den Perspektiven des industriellen Mittelstands inklusive der forschenden kleinen und mittelgroßen Unternehmen nicht gerecht“, schreiben die Autoren. Genau dort aber befindet sich seit sieben Jahrzehnten der eigentliche Innovations- und Jobmotor. Das betonte auch BDI-Präsident Dieter Kempf in seiner Rede bei der Präsentation des Gegenentwurfs: „Eine wirkungsvolle Industriestrategie muss die Wettbewerbsfähigkeit der gesamten Industrie im Fokus haben und darf den gerade für Deutschlands Wirtschaftskraft so wichtigen Bereich des Mittelstands nicht aus dem Auge verlieren.“
Und, so möchte man hinzufügen, ebenso wichtig ist die Förderung der Startups. Sie sind der Mittelstand von morgen. Hier Investitionen in Zukunftstechnologien zu erleichtern und Unternehmensplanern die Luft zu lassen, neue Geschäftsmodelle für die anbrechenden Zeiten der Plattform–Ökonomie und Sharing-Society zu erdenken, wäre die wahre Industriepolitik, die breiten Konsens in der Wirtschaft erhielte.
Und ganz nebenbei: diese Unternehmen wären zwar immer noch Objekt der Begierde ausländischer Investoren, sie hätten aber selbst bessere Mittel an der Hand, sich gegen feindliche Übernahmen durch globale Kooperationen zu schützen. Es hat noch nie geklappt, europäische Champions zu züchten: sie entstehen durch die Kraft der Märkte und nicht durch die Macht der Politik. Das musste auch Airbus erst erfahren. Für Kuka freilich kommt jede Hilfe zu spät.