190513 Pentagon

Immer zu zweit sie sind…

Es ist ein Deal von wahrhaft gigantischem Ausmaß: zehn Milliarden Dollar will das US-Verteidigungsministerium für seine technologische Revolution ausgeben: JEDI – oder: Joint Enterprise Defense Infrastructure – soll die gesamte Kommandostruktur, den ministeriellen Apparat und die Beschaffungsstrukturen des Militärs in die Cloud verlagern. Dass dies krisensicher und kriegstauglich geschehen soll, ist selbstverständlich. Es gibt wohl keinen anspuchsvolleren Cloud-Deal in der freien Welt. Höchstens in der Volksrepublik China könnte der Staatsapparat ein Projekt von vergleichbarer Größenordnung und Tragweite lostreten. Dort aber wäre der Zugang vor allem den chinesischen Cloud-Anbietern wie Alibaba, Baidu oder Tencent vorbehalten.

Doch auch in den USA gilt beim Einkauf: my country first. Nach dem Ausscheiden von IBM und Oracle sind nur noch Amazon und Microsoft im Rennen um den Deal, über den im ausgehenden Sommer entschieden werden soll. Das Schaulaufen zwischen Amazons Web Services und Microsoft Azure, den beiden marktführenden Cloud-Plattformen, verläuft verdächtig ruhig. Dabei steht viel mehr auf dem Spiel als ein Kontrakt für zehn Gigadollar. Die Entscheidung des Departement of Defense könnte auch eine Entscheidung über die künftige Marktdominanz im Cloud-Business haben. Dort genießt Amazon die Marktführerschaft – aber das könnte sich mit dem DoD-Deal ändern…

Aber vielleicht wird der Deal auch geteilt – wie so oft in der Vergangenheit, wenn es bei großen Cloud-Ausschreibungen ein totes Rennen zwischen AWS und Azure gab. Volkswagen zum Beispiel vernetzt seine Elektrofahrzeuge der ID-Modellreihe mit Hilfe von Microsofts Azure-Plattform, will aber gleichzeitig seine 122 Fabriken weltweit mit Hilfe von Amazon Web Services vernetzen. Zwar heißt es offiziell, die Ausschreibung werde nach dem Motto „The winner takes it all“ ausgeführt. Doch gerade weil der Deal die Marktballance zugunsten des Siegers verschieben wird, könnte sich beim JEDI-Projekt doch eine solche Teilung vollziehen – getreu der JEDI-Weisheit von Yoda: „Immer zu zweit sie sind.“

Allerdings hat Microsoft schon im Januar einen DoD-Deal über 1,76 Milliarden Dollar geholt, der den Kontrakt aus dem vergangenen Jahr über mehr als zehn Millionen Outlook-Accounts noch einmal erweitert. Dies dürfte auch im Lichte der Ankündigung aus Redmond erfolgt sein, dass Azure den Sicherheitslevel 6 erreichen wird. Das war bislang Amazons Alleinstellungsmerkmal, in einer Kategorie, die als „conditio sine qua non“ – also als unverzichtbar – gilt. Praktisch alle US-Geheimdienste nutzen Microsoft Office und die für die Bundesbehörden individuell ausgelegte Azure Plattform. Ohne die Einhaltung des Impact Level 6 wären diese Engagements wohl nicht von Dauer.

Aber ohne Produktivitätswerkzeuge funktioniert der gesamte Verwaltungsapparat auch nicht. Das ist eine der Stärken von Microsft mit den Produkten Office 365 und Dynamics 365. Microsoft will zur Jahresmitte hin eine spezielle Version von Dynamics 365 veröffentlichen, die ausschließlich auf die Belange des US-Verteidigungsministeriums ausgelegt ist. Zwar wird hier dem Vernehmen nach nur der Impact Level 5 erreicht, doch offensichtlich hat diese Ankündigung bereits das „Thumbs up“ des Departements of Defense erhalten.

Und dann gibt es noch einen durchaus persönlichen Aspekt, der die Position von Amazon im Wettstreit um JEDI schwächen könnte: die Washington Post. Sie ist im Besitz von Amazon-Gründer Jeff Bezos und zugleich eine der lautstärksten Kritiker des gegenwärtigen US-Präsidenten Donald Trump. Nach den Erfahrungen aus der Vergangenheit wäre es nicht unwahrscheinlich, wenn am Ende ein völlig irrationaler Aspekt rationale Entscheidungen dominiert. Aber auch dazu weiß Yoda Rat: „Die Furcht vor Verlust ein Pfad zur Dunklen Seite ist.“

 

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