190708 Windows

Back to Square One

 

Wenn Netflix die Achtziger Jahre feiert, dann feiern die Achtziger mit. So scheint es jetzt zu sein, als die dritte Staffel der Netflix-Serie „Stranger Things“ am 4. Juli im Streaming-Dienst bereitgestellt wurde. Die Serie, die in den Achtziger Jahren spielt und merkwürdige Reminiszenzen an Spielberg-Filme wie „E.T.“, „Poltergeist“ oder die „Unheimliche Begegenung der dritten Art“ bietet, aber auch bei Stanley Kubrick und anderen Mystery- bis SciFi-Regisseuren aus dieser Zeit Anleihen nimmt, ist das, was wir früher „Blockbuster“ oder noch früher „Straßenfeger“ genannt hätten – in jener Urzeit, als man sich noch zur festgesetzten Uhrzeit vor dem Fernseher versammeln musste, um die nächste Folge nicht zu verpassen. Heute werden die Serien nicht ausgestrahlt, sondern on Demand zur Verfügung gestellt, wobei jene, die gerne eine Serien-Nacht durchwachen wollen, gleich die ganze Staffel downloaden können.

Netflix ist groß genug, um die Filmeszene deutlich aufzumischen. Statt Kino und TV Streaming On Demand. Kein Wunder, dass Amazon mit Prime und Disney in diesem Multi-Milliarden-Markt nachsetzen und mit eigenen Produktionen sowohl Hollywood als auch Los Gatos (dem kalifornischen Firmensitz von Netflix) herausfordern. Netflix ist aber auch groß genug, jene Marketiers herauszufordern, die die großen Brands dieser Welt verwalten: Coca Cola zum Beispiel – oder Microsoft.

Die „New Coke“ war in den Achtziger Jahren nicht gerade ein Markterfolg. Aber seit Mai gibt es das Design (und vielleicht auch den Geschmack? – wer kann das schon beurteilen?) in einer limitierten Auflage von einer halben Million 0,5-Liter-Dosen zurück. Es ist nicht das erste Mal, dass Coca Cola im Retro-Design die Wiederauflage vergangener, aber unvergessener Produktvarianten auf den Markt bringt.

Aber mehr Geschäft durch Retro mag bei Coca Cola funktionieren – bei Microsoft aber nicht. Wer sehnt sich schon nach dem Kauf einer Windows-Version, die nicht mehr supportet wird? Deshalb wird es mehr als eine Reminiszenz an die guten alten Achtziger Jahre sein, wenn Microsoft zum Netflix-Start auf Instagram und Twitter Windows 1.0 ankündigt – mit MS-DOS Executive und Reversi! Wer alt genug ist, weiß, dass erst Windows 3.1 wirklich den Marktdurchbruch schuf – und da waren die Achtziger schon längst Vergangenheit.

Aber es ist kaum anzunehmen, dass Microsoft seine komplette Windows Marketing-Maschinerie anhält (und alle anderen Produktinformationen zu Windows 10 vom Netz nimmt), nur um ein schönes wohliges Nutella-Brot-Fealing und Wetten-dass?-Gefühl im Bademantel nach dem Samstagabendbad wieder heraufzubeschwören. Zwar ist es bemerkenswert, dass der Marketing-Move weltweit aufgeregte Kommentare und Blogs (einschließlich diesem) zu Windows und Microsofts Motivation, jetzt die Version 1.0 noch einmal anzukündigen, hervorruft. Aber für einen reinen Marketing-Gag ist Microsofts Marketing-Maschinerie nicht humorvoll genug.

Doch seit Monaten gibt es Gerüchte um ein leichtes „Windows One“, das als abgespeckte Windows-10-Version für Smartphones und Tablets optimiert wäre und vielleicht auch im Edge Computing sowie bei zahllosen Devices im Internet der Dinge zum Einsatz käme. Und da wäre dann auch die Reminiszenz an die gute alte Zeit, als Microsoft mit Windows auf Endgeräten einen Marktanteil von geschätzten 99,9 Prozent hatte. Heute heißen die Betriebssysteme Android oder iOS und sind millionenfach verbreitet. Microsoft will diesen Markt unbedingt zurück haben und hat bei diesem Versuch bereits Milliarden Dollars versenkt – nicht zuletzt durch die glücklose Übernahme von Nokia.

Es war noch nie verkehrt, die Nullen zu entfernen. Wenn jetzt aus Windows 10 Windows One wird, bedeutet das für Microsoft den Versuch, zurück „auf Los“ zu gehen: Back to Square One. Denn bei allen Erfolgen rund um die Cloud-Plattform Microsoft Azure. In Redmond möchte man die alte Marktmacht auf den Endgeräten zurück haben. Windows One könnte ein weiterer ernsthafter Versuch sein, das Smartphone und das Tablet zurück zu erobern. Es müssen ja nicht gleich wieder 99,9 Prozent Marktanteil sein.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert