Es gilt, ein trauriges Jubiläum zu begehen: Vor ziemlich genau einem Jahr hat die Bundesregierung ihre KI-Initiative verabschiedet, deren Grundprinzipien im Sommer 2018 festgelegt wurden. Ziel sollte es sein, bis zum Jahr 2025 rund drei Milliarden Euro in die Entwicklung von Grundlagen, Lösungen und Produkten der KI-Technologien zu stecken und dafür sowohl Wissenschaft als auch Wirtschaft zu mehr Anstrengungen zu ermuntern.
Geschehen ist seitdem – nichts. Oder wenn wir sehr fair sein wollen: so gut wie nichts!
Die ersten rechnerisch verteilten 500 Millionen Euro sind ohne nennenswerte Wirkung geblieben. Von den 100 KI-Professuren, die laut Initiativ-Papier installiert werden sollten, sind bislang lediglich 30 ausgeschrieben – also noch nicht einmal besetzt. Und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek reklamiert bereits die deutsche Daten-Cloud als Erfolg der KI-Initiative. Dabei ist „Gaia-X“ selbst derzeit kaum mehr als ein Papiertiger. „Weichenstellungen“ nennt das Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier im selbstgefälligen Ton in seiner Würdigung der ersten zwölf Monate KI-Förderung. Unbegründetes Selbstlob dieser Art sind wir schon aus der Halbzeitbilanz der Bundesregierung sattsam gewohnt.
Tatsächlich beschränken wir uns bei der künstlichen Intelligenz schon seit mehr als 30 Jahren auf „Weichenstellungen“. Das Deutsche Forschungszentrum für künstliche Intelligenz gehört zu den größten Einrichtungen seiner Art weltweit. Aus ihm sind Grundlagen-Ergebnisse, Spin-offs und Produktideen hervorgegangen, die jedoch größtenteils ein Nischendasein fristen. Der ganz große Schub kommt – obwohl dort ursprünglich lange Zeit keine vergleichbare Einrichtung bestand – inzwischen aus den USA.
Das soll jetzt noch besser koordiniert werden. Nach dem deutschen Vorbild planen auch die Vereinigten Staaten eine zentrale KI-Behörde, die die KI-Forschung bündeln und gezielt fördern soll. Geplant ist ein Investitionsvolumen von 100 Milliarden Dollar – naturgemäß über einen längeren Zeitraum. Aber selbst wenn die Bundesregierung – wie jetzt angekündigt – ihre Anstrengungen verdoppeln will und selbst wenn die Bundesförderung durch die Anteile der Wirtschaft gehebelt wird, bleibt es beim deutschen KI-Klein-Klein. Lediglich ein gutes Zehntel der in den USA geplanten Ausgaben wäre dann erreicht.
Hinzu kommen die zahlreichen Venture Capitalists in den Vereinigten Staaten, die vor allem vielversprechende KI-Startups mit Millioneninvestitionen pushen. In Deutschland fehlt es unverändert an Kapital für die zweite Wachstumsphase. Zwar säen wir hierzulande vielversprechende Neugründungen und fördern sie durch Acceleratoren. Aber wenn es um die Skalierung der Produkte und Marktpräsenz geht, brauchen die sogenannten Scaleups erheblich größere Finanzspritzen.
Und während am Deutschen Forschungszentrum für künstliche Intelligenz mit rund 1000 Mitarbeitern – überwiegend wissenschaftliche Hilfskräfte – mit Fleiß und Verstand geforscht wird, warten die KI-Eliteunis auf ihre Lehrstühle und Professorenstellen. Dabei wird es angesichts der weltweiten Knappheit an KI-Personal gar nicht so leicht werden, die anvisierten Stellen auch wirklich zu besetzen. Das soll sich ändern, verspricht Peter Altmaier. Das muss sich ändern, sagen Wirtschaft und Wissenschaft.
Ungewöhnlich vehement wehrt sich der Hightech-Verband Bitkom gegen das Schulterklopfen in der Bundesregierung. „Wenn wir so weitermachen, sehen wir von den schnellen Vorreiterländern der KI bald nicht mal mehr die Rücklichter“, warnt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder und fordert im Namen der Wirtschaft deutlich stärkere Anstrengungen. Doch solange Papiertiger und Weichenstellungen bereits als Erfolge verkauft werden, bleibt es wohl beim deutschen KI-Klein-Klein.