191222 Make it

Make it in Germany

32,87 Millionen Menschen waren im vergangenen Jahr in Deutschland sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Nicht einmal acht Prozent – das sind rund 2,5 Millionen – von ihnen sind aus dem Ausland zu uns gekommen. Im Vergleich dazu sind im Jahresdurchschnitt 2019 noch 2,27 Millionen Menschen arbeitslos gemeldet. Gleichzeitig sind hierzulande 1,2 Millionen Arbeitsplätze unbesetzt, hat das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung errechnet. Der Hauptgrund für unbesetzte Stellen ist in allen Branchen der gleiche: es fehlt an Bewerbern. Wie bedrohlich der Fachkräftemangel sich verschärft, zeigen die Vergleichszahlen zum Vorjahr: 115.000 zusätzliche Stellen bleiben in diesem Jahr unbesetzt.

Und ein Großteil dieses rasanten Anstiegs hat seine Ursache in der Digitalisierung, die einen deutlich steigenden Bedarf an IT-Fachkräften nach sich zieht. Allein in der IT-Wirtschaft, so schätzt der Hightech-Verband Bitkom, fehlen rund 124.000 Fachkräfte. Damit hat sich die Zahl der unbesetzten Stellen im Vergleich zum Vorjahr um die Hälfte erhöht. Und zwei Drittel der vom Bitkom befragten Unternehmen rechnen damit, dass sich die Lage 2020 weiter verschärft.

Dabei nimmt der Bedarf an IT-Fachkräften in anderen Branchen – vor allem im Automobilbau, im Maschinenbau und bei Banken und Versicherungen – noch weiter zu. Denn praktisch alle Geschäftsvorfälle sind inzwischen IT-getrieben. Und je stärker die Produkte und Dienstleistungen sich inzwischen selbst durch Software und Cloud-Services wandeln, desto stärker beeinträchtigt der Mangel an IT-Fachkräften die Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Vergleich.

Da ist es kein Wunder, dass der Verband der Deutschen Maschinen- und Anlagenbauer eine völlig neue Ausrichtung der technisch-wissenschaftlichen Studiengänge fordert und fördert. Vor allem mit Blick auf die Digitalisierung von Produktion, Produkten und Dienstleistungen sollen Ingenieure früher mit Informationstechnik in Berührung kommen. Gleichzeitig vergeudet die hohe Abbrecherquote bei den Ingenieurstudiengängen zusätzliches Nachwuchspotenzial. Mehr als 45 Prozent der Studierenden brechen ihr Informatikstudium ab. Im Maschinenbau sind es nur noch 34 Prozent, nachdem vor wenigen Jahren noch mehr als die Hälfte der Studierenden aufgaben.

„Ohne ausreichend Fachkräfte kann ein Wirtschaftsstandort nicht erfolgreich sein“, warnte die Bundeskanzlerin letzte Woche in ihrem Videoblog. Sie stimmte damit auf den Fachkräfte-Gipfel ein, auf dem Vertreter der Wirtschaft und der Gewerkschaften mit der Bundesregierung die Umsetzung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes vorbereiteten, das im kommenden März in Kraft treten wird. Danach können Menschen auch aus Ländern außerhalb der Europäischen Union mit anerkanntem Schulabschluss in Deutschland befristet auf Arbeitssuche gehen und qualifizierte Fachkräfte einen Arbeitsplatz antreten.

Doch der Slogan „Make it in Germany“ allein wird es nicht bringen. Auch wenn die Auslandshandelskammern bei der gezielten Anwerbung helfen sollen, bleibt fraglich, ob Deutschland im internationalen Vergleich überhaupt noch attraktiv genug ist. Die digitale Infrastruktur ist europaweit allenfalls Mittelmaß. Und auch die deutlich ausländerfeindlichen Parolen, die vor allem 2019 zu hören sind, dürften nicht gerade ermunternd wirken.

Doch Arbeitsmarktexperten machen ohnehin nicht allzu große Hoffnung auf die Wirkung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes. Denn angesichts von nur rund 4000 anerkannten ausländischen Fachabschlüssen im vergangenen Jahr, wirkt die Zuwanderung von Experten wie der Tropfen auf den heißen Stein, selbst wenn diese Zahl verdreifacht würde, wäre lediglich ein Prozent der offenen Stellen besetzt.

Was wir brauchen, ist eine digitale Bildungsoffensive, die den Anforderungen des digitalen Wirtschaftsstandorts entspricht. Das fängt im Kindergarten an, setzt sich in der Schule fort und verlangt neu ausgerichtete technische Studiengänge. Wir brauchen eine Kultur, in der die Begeisterung für Technik, der Mut zum Risiko und der Wille zum Erfolg zu den Grundtugenden zählen. Dann heißt es nicht nur „Make it in Germany“, sondern in einer digitalen Welt auch wieder „Made in Germany“.

 

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