191229 Rückblick

Begegnung der dritten Art

2019 war das Jahr, in dem sie Kontakt aufnahmen: die Automobilhersteller und Zulieferer haben endlich damit begonnen, ihre Digitalstrategien und Konzepte zur Elektromobilität umzusetzen. Dabei geht es nicht allein um die elektrisch angetriebenen, voll vernetzten Fahrzeuge wie die von Volkswagen angekündigte ID-Serie; es sind vielmehr die Plattformen für zukünftige technische Services, mit denen sich die Automobilbauer für die digitale Transformation in Stellung bringen. Denn die automobilen Features vom Spurhalteassistenten bis zum autonomen Fahren benötigen sichere Infrastrukturen, die das klassische Internet nicht ohne weiteres bieten kann.

Kein Wunder also, dass auf der nächste Woche startenden CES 2020 in Las Vegas inzwischen neben den Klassikern aus der Informations- und Kommunikationstechnik einerseits und der Elektronik- und Unterhaltungsindustrie anderseits die Automotive Industrie als dritte Art der Innovatoren im digitalen Wandel zählt. Und es ist auch kein Wunder, dass Smart Cities mit innovativen Verkehrsleitsystemen, Energiesparmaßnahmen und digitalisierten Behördenprozessen zu den Schwerpunktthemen der CES gehören. Und es ist keine schwierige Prognose, in Smart Cities und Connected Cars zwei der Haupttrends des Jahres 2020 zu sehen.

Dabei wird es mehr brauchen als die zahllosen vergebenen Titel „digitale Vorzeigestadt“, mit denen sich 2019 Metropolen und mittelgroße Zentren zu schmücken begannen. Die meisten starten mit längst überfälligen Konzepten zur digitalen Umsetzung von Behördengängen – ein Versprechen, das praktisch schon seit Anfang des Jahrtausends auf der ToDo-Liste der Politik steht. Doch für auf Nachhaltigkeit ausgelegte Verkehrskonzepte müssen Behörden und die Automobilindustrie ihren smarten Beitrag erst noch liefern. Denn bei allen noch so ambitionierten Klimapaketen – wozu das soeben von Bundesregierung und Bundesrat beschlossene nicht unbedingt zählt – ist die beste CO2-Strategie noch immer die, CO2 erst  gar nicht zu erzeugen. Um ein Beispiel zu nennen: Bei durchschnittlich vier beim Parkplatzsuchen gefahrenen Kilometern pro Fahrer und Tag besteht für Smart Cities und Connected Cars erhebliches Optimierungspotential. In Deutschland gehörten 2019 denn auch neben den Fintechs die Startups, die mit Hilfe von künstlicher Intelligenz und Big Data Mobilitätsdienste anbieten, zu den erfolgreichsten Neugründungen.

Da war es 2019 ein gutes, wenngleich auch längst überfälliges Signal, dass im Bundeswirtschaftsministerium nicht nur die lange versprochenen drei Milliarden Euro zur Förderung von Anwendungen der künstlichen Intelligenz endlich losgetreten werden, sondern auch mit dem „Zukunftsfonds Deutschland“ ein zehn Milliarden Euro dickes Paket zur Förderung von innovativen Ideen und Startups vorbereitet wird. Beide Pakete können, wenn sie durch die Beteiligung der Wirtschaft und des Risikokapitals noch zusätzlich gehebelt werden, über die Jahre 30 Milliarden Euro wert sein.

Denn die Plattform-Ökonomie, wie sie seit diesem Jahr verstärkt in der Automobilindustrie durch Connected Cars, im Handel durch große Verkaufs- und Vergleichsportale, im Bankensektor durch neue Bezahlkonzepte und Blockchain-Technologien oder im Maschinenbau durch Produktions-Plattformen ausgeprägt wird, bietet zwar enorme Umsatzpotentiale. Aber es ist teuer, Plattformen aufzubauen! Mit zehn Milliarden Dollar rechnet das Pentagon bei der Joint Enterprise Defense Initiative; PwC schätzt Investitionen von rund fünf Milliarden Dollar für seine Software- und Beratungs-Plattform. Die Allianz plant eine Versicherungs-Plattform und BMW eine Plattform für vernetztes, autonomes Fahren.

Diese vier Plattformen gingen 2019 sämtlich an Microsoft Azure – ein Grund, warum Analysten auf einen spannenden Zweikampf mit Amazon Web Services rechnen. Denn Amazons Vorsprung basiert auf einer lange Zeit unangefochtenen Position bei Startups wie Facebook oder Netflix. Doch jetzt bringen die Branchen-Plattformen das größte Wachstum.

Das alles geht nicht ohne zuverlässige Cloud-Infrastruktur. 2019 war das Jahr, in dem nicht mehr das „Ob“, sondern vor allem das „Wie“ und das „Wie-schnell“ im Fokus stand. Die Lizenzen für 5G sind vergeben – jetzt geht es um den zügigen Ausbau. Nun gibt es Diskussionen darüber, dass der Bund auf ländlichem Gebiet überall dort einspringt, wo der 5G-Ausbau aus rein wirtschaftlichen Betrachtungen nicht lukrativ genug ist.

Und gleichzeitig investieren die großen Hyperscaler wie Amazon, Microsoft, Google, IBM oder die Deutsche Telekom Milliarden in ihre Cloud-Infrastrukturen. 2020 werden vor allem KI-Services und Security-Features boomen, während gleichzeitig Hybrid-Cloud- und Multi-Cloud-Konzepte es immer schwieriger machen, die eigenen Märkte gegenüber dem Wettbewerb abzuschotten.

Und zunächst vereinzelt, aber unaufhaltsam wird eine neue Spezies von Cloud-Rechnern entstehen: Quantencomputer, die mehr Last und mehr Geschwindigkeit bewältigen. Wie sie rechnen und warum sie richtig rechnen, ist nur schwer zu verstehen. Das ist dann erneut eine Begegnung der dritten Art. Wir werden sehen, was die CES dazu zu bieten hat.

Ich darf Ihnen allen am Ende dieses Jahres für Ihr Interesse und Ihre Lesetreue danken und wünsche Ihnen mit Albert Einstein für‘s Neue Jahr 2020 alles Gute

„Wenn’s alte Jahr erfolgreich war, dann freue dich aufs neue. Und war es schlecht, ja dann erst recht.“

 

 

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