200316 Corona

Hoppla, wir werden regiert!

Anfang März sah alles noch so aus, als würde nicht einmal das Coronavirus die Bundesregierung aus ihrer Lethargie locken können. Der Koalitionsausschuss kreißte und heraus kam ein Paket, das eher einer Ideensammlung über zukünftige Langfristmaßnahmen glich, als einem Aktionsplan zur Eindämmung einer Pandemie und deren wirtschaftlichen Folgen. Der BDI reagierte entsprechend verschnupft und legte seine Vorstellung von einem Maßnahmenkatalog vor, der vor allem angesichts gekappter Lieferketten, einbrechender Umsätze und unter Quarantäne gesetzter Belegschaften gefährdeten Unternehmen unter die Arme greifen sollte.

Dann tagten Mitte der Woche die Ministerpräsidenten, die schließlich nach einer Marathonsitzung der Bundeskanzlerin weniger ihre Beschlüsse als vielmehr ihre Sorgen vortrugen. Und seit Freitag, dem 13. wird in Deutschland wieder regiert!

Den Anfang machten Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier und Bundesfinanzminister Olaf Scholz, die eine nach oben offene Kreditzusage für praktisch alle Unternehmen aus Industrie, Handwerk und Dienstleistung bis zu einer Umsatzgröße von zwei Milliarden Euro zusagten. Jetzt werde geklotzt und nicht gekleckert. Und in der Tat: zwischenzeitlich war von einem Volumen von rund 500 Milliarden Euro die Rede – danach verzichtete man sogar auf die Nennung einer Obergrenze.

Dann kam die Kanzlerin, nannte die Herausforderung die wahrscheinlich größte seit Bestehen der Bundesrepublik und stimmte die Bevölkerung auf Solidität und Solidarität ein. Der Bundestag peitschte die Neuregelung des Kurzarbeitergelds in drei Lesungen an einem Sitzungstag durch. Schließlich folgten die Ministerpräsidenten und verkündeten nach und nach Schul- und Kitaschließungen, Mobilitätseinschränkungen und Veranstaltungsverbote. Bis zum Sonntag hatten alle 16 Länder nachgezogen – ein beispielloses Vorkommnis in einer föderalen Republik, die die Entscheidungshoheit der Länder oftmals wider besseres Wissen hochhält. Die ungewohnte Einigkeit zeigt deutlich: hoppla, wir werden regiert!

Auch wenn noch nicht geklärt ist, wo und unter welchen Regeln Unternehmen an Überbrückungshilfen kommen können – dass sie sie in absehbarer Zeit beanspruchen müssen, scheint sicher. Gastronomen, Hoteliers und Veranstalter werden unmittelbar von den Einschränkungen getroffen. Logistikunternehmen wie die Lufthansa, Fraport oder der Hamburger Hafen spüren schon jetzt die Verlangsamung der Weltwirtschaft. Allein die 1000 größten globalen Unternehmen verfügen über zusammengenommen 12000 Niederlassungen – Produktionsstätten, Logistikzentren oder Büros – in zur Zeit aus Quarantänegründen abgeriegelten Regionen in China und Italien. Und der überwiegende Teil der Unternehmen kennt noch nicht einmal die Lieferanten der Lieferanten, mit denen er keine direkten Vertragsbeziehungen pflegt. Notfallpläne für den Fall, das wichtige Komponentenhersteller ausfallen, sind in kaum einem Unternehmen vorhanden. Logistikketten sind immer noch das: lineare Ketten ohne Ausweichmöglichkeiten.

Wie unvorbereitet das Coronavirus viele Unternehmen trifft, zeigt sich aktuell auch beim Umgang mit eingeschränkter Mobilität. Videoequipment für Telekonferenzen fehlen in vielen Unternehmen ebenso wie Organisationsmodelle für Homeworking. Und auch Lösungen für Collaboration haben nur einen geringen Durchdingungsgrad. Jetzt rächt sich, dass vor allem der Mittelstand in den letzten Jahren kaum in Digitalisierungsprojekte investiert hat.

Da könnte die Krise durchaus zum Ausgangspunkt für einen Bewusstseinswandel avancieren. Denn in Zeiten, wo bestehende Geschäftsprozesse über den Haufen geworfen werden, weil Logistikketten überdacht und die Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern neu organisiert werden müssen, ist die Krise auch eine Chance für die digitale Erneuerung. Dann wird nicht nur regiert, sondern auch reagiert.

 

Ein Gedanke zu „Hoppla, wir werden regiert!“

  1. Ein sehr gelungener Beitrag, lieber Herr Bonn.
    Wie steht es denn um die Weiterfinanzierung von Startups? Habe soeben habe ich ein Gespräch mit dem Geschäftsführer eines Startups geführt, der seinerseits heute ein Gespräch mit seiner Hausbank mit dem Ziel geführt hat, eine Aussage über die aktuellen Bürgschaftsbedingungen der KfW zu erhalten. Die Aussage des Kreditberaters war, dass die finanzielle Tragfähigkeit des Unternehmens nachgewiesen sein muss.

    Sollte diese Aussage zutreffen, würden nahezu alle Startups in Deutschland vor dem Aus stehen. Es ist kaum zu erwarten, dass die Investoren, die meist in mehrere Unternehmen investiert haben, zurzeit Kapital nachlegen werden.

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