210531 Bezos

Jeff-Sache

Von Jeff Bezos, dem Gründer und demnächst scheidenden CEO von Amazon, erzählt man, dass er beim Test des künstlich intelligenten Sprachassistenten Alexa bevorzugt im Internet kursierende Parodien auf den damaligen US-Präsidenten Donald Trump abgefragt habe. Die gegenseitige persönliche Abneigung ist legendär – beide dürften Entscheidungen wohl auch unter Berücksichtigung dieser Animositäten getroffen haben. Zum Beispiel, als Jeff Bezos die Washington Post übernahm, um ein bekanntes Sprachrohr der Anti-Trumpisten unter seine Fittiche zu nehmen. Und der Verdacht, der US-Präsident könnte das Verteidigungsministerium angewiesen haben, den Mega-Deal um die Joint Enterprise Defense Infrastructure – kurz: JEDI – zu Ungunsten von Amazon zu entscheiden, beschäftigt heute noch die Gerichte – und den Kontrahenten Microsoft.

Jeff Bezos kann nicht verlieren – das hat Amazon erfolgreich gemacht und innerhalb eines Vierteljahrhunderts von einem Gebrauchtbuchhändler zum weltweit horizontal wie vertikal Prozesse integrierenden Internet- und Logistik-Konzern wachsen lassen. Lange Zeit war auch Amazon Web Services die unangefochtene Nummer Eins im Cloud-Business – bis Satya Nadella mit der Amtsübernahme des Chefpostens bei Microsoft auch die Neuausrichtung des Konzerns von einem Windows-Lieferanten zu einem Azure-Spezialisten einleitete. Seitdem nagt Microsoft Quartal um Quartal an der Vormachtstellung von Amazon im Cloud-Business. Und der JEDI-Deal mit dem Pentagon hätte die Machtverhältnisse beim Cloud Service Providing nachhaltig verändert.

Das gilt es aus Sicht von Amazon unbedingt zu verhindern. Und dies ist Jeff Bezos gelungen: Inzwischen denkt das Pentagon darüber nach, das Projekt zu canceln und neu auszuschreiben, weil die anhängenden Prozesse um die JEDI-Vergabe noch über Monate und Jahre andauern könnten. „Wenn du nicht gewinnen kannst, sieh zu, dass du wenigstens nicht verlierst“ – nach diesem Grundsatz hat Jeff Bezos Hundertschaften von Rechtsanwälten auf den Fall angesetzt. Und Microsoft muss hilflos zuschauen, wie ein schon sicher geglaubtes Mega-Projekt in den Startlöchern steckenbleibt. Man sei in der Lage, alle Anforderungen des Projekts zu erfüllen, heißt es nur lapidar aus Redmond. Übrigens beide sind Nachbarn: Redmond und Seattle – wo Microsoft, respektive Amazon ihren jeweiligen Hauptsitz haben, liegen Tür an Tür im US-Staat Washington.

Das alles kann sich endlos hinziehen und muss nicht einmal nur auf das JEDI-Projekt beschränkt bleiben. In praktisch jeder Branche vollzieht sich derzeit der Wechsel auf eine Plattform-Ökonomie, in der ein Branchen-Primus seine Position dadurch auszubauen versucht, dass alle Services rund um die Branchenspezifika auf einer Plattform zusammengefasst werden. Das gilt für WalMart im Retail-Sektor, für mehrere Anbieter im Versicherungsmarkt und für die großen Prozessintegratoren im Bereich der Fabrikautomation. Es gilt für nationale Initiativen im Gesundheitssektor und bei dem Versuch, die Dienstleistungen der öffentlichen Hand zu entbürokratisieren und agiler zu gestalten. Und überall ist der Partner entweder Amazon oder Microsoft.

Jetzt versucht Boeing, für eine Milliarde Dollar diese Plattform-Ökonomie im eigenen Umfeld zu verwirklichen. Und wieder stehen Microsoft und Amazon Kopf an Kopf gegeneinander. Immer geht es um Milliarden und um die Vormachtstellung im vielleicht wichtigsten Wachstumsmarkt der Weltwirtschaft, dem Cloud Computing. Auch das Cloud-Projekt, mit dem der amerikanische Telekommunikationsriese AT&T seine Infrastruktur aus 5G, künstlicher Intelligenz und Cloud-Services ausstatten will, ging an Microsoft. Das Projekt auf der Basis der Cloud-Plattform Azure soll innerhalb von fünf Jahren umgesetzt werden und insgesamt zwei Milliarden Dollar schwer sein. Wieder ging Jeff Bezos mit AWS leer aus.

Dabei hat Amazon einen wichtigen Trumpf in der Hand: die Entwickler von Cloud-Anwendungen sind überwiegend glühende Anhänger der Amazon Web Services. Und auch unter den Startups wird AWS mehrheitlich präferiert, wenn es um die Entwicklung disruptiver Anwendungen in der Digitalwirtschaft geht. Doch was nützt das Geschäft von morgen, wenn die Riesen von heute zu Azure schwenken. Und mit Microsofts Open Source-Initiative wird auch die Bastion der Newcomer und Developer angegriffen. Deshalb war Microsoft die Übernahme der Entwickler-Plattform GitHub mehrere Milliarden Dollar wert.

Wie sehr zwischen Microsoft und Amazon mit harten Bandagen gekämpft wird, zeigt die aktuelle Entwicklung um das SAP-Projekt Embrace. Die Deutschen hatten mit Microsoft ein Partnerschaftsmodell entwickelt, das auf zwei Säulen ruht: erstens der erleichterte Migrationspfad von SAP 4/Hana in die Azure-Cloud und zweitens der gegenseitige Lösungsvertrieb. Die zweite Säule wird jetzt stillschweigend zurückgenommen, weil die Kunden eine Multi-Cloud-Strategie verfolgen wollen, in der sie je nach Anforderungsprofil mal auf Azure, mal auf AWS, mal auf Cloud-Services von Google, IBM oder SAP zurückgreifen wollen.

Es würde nicht verwundern, wenn Jeff Bezos auch hier in den letzten Wochen seiner Amtszeit noch einmal persönlich Druck ausgeübt hätte. Für ihn ist die Frage, wer im Cloud-Business die unangefochtene Nummer Eins ist und bleibt, eindeutig Jeff-Sache.

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