Es ist alles immer eine Frage der Perspektive – vor allem, wenn es darum geht, den vielschichtigen und vielgesichtigen Mittelstand zu beurteilen. Die DZ Bank, die jedes halbe Jahr zusammen mit dem Bundesverband der Volks- und Raiffeisenbanken eine Mittelstandsumfrage zur Konjunktur und zur Stimmung durchführen lässt, die durchaus als repräsentativ gelten kann, erkennt wieder mehr Zuversicht unter den mittelständischen Unternehmern. „Gegenüber unserer Herbstumfrage bereitet die Kostenbelastung den mittelständischen Unternehmen aktuell etwas geringere Sorgen. Allerdings ist das noch lange kein Grund für eine Entwarnung“, schreiben die Volkswirte.
Danach ist die Lage zwar weiterhin ernst, aber nicht hoffnungslos. Vor allem die nicht weiter exorbitant gestiegenen Energiepreise geben dem Mittelstand wieder eine Perspektive, dass man es schaffen wird. Allerdings gehören die gestiegenen Kosten weiterhin zu den Hauptsorgen der Unternehmerinnen und Unternehmer. Drei von Vieren sehen in den hohen Preisen für Gas, Öl und Strom auch weiterhin eines der dringendsten und drängendsten Probleme. Zwei Drittel hingegen sehen zusätzlich auch die weiterhin hohen Rohstoff- und Materialkosten als Sorgenkind. Beides – Energie- und Materialkosten – führen zu Wettbewerbsnachteilen im internationalen Vergleich, was gerade bei der Suche nach alternativen Märkten als Ersatz für Absatzmöglichkeiten in Russland und China hinderlich ist.
Anders sieht das Bild des Mittelstands aus, wenn man – wie es zuletzt wieder der Hightech-Verband Bitkom getan hat – im Mittelstand nach den Fortschritten bei der digitalen Transformation fragt. Da wäre die Lage eher als hoffnungslos, und nicht nur als ernst zu bezeichnen. Denn Theorie und Praxis klaffen offensichtlich weit auseinander. Zwar sehen die Entscheider, welche Bedeutung Digitalisierung beim Wiedererstarken der Wirtschaft in jedem einzelnen Unternehmen einnehmen könnte. Aber allein, es kommt nicht zur Umsetzung. 54 Prozent beklagen fehlende finanzielle Mittel, um sich digital neu aufzustellen, 2022 waren es 43 Prozent.
Spannend ist aber auch ein zweiter, von den Befragten vorgebrachter Hinderungsgrund: Es liege ganz wesentlich an den Datenschutzbestimmungen, die hierzulande und europaweit gelten, die die Unsicherheit bei der digitalen Transformation befördere. Bedenkliche 77 Prozent sehen die hohen rechtlichen Anforderungen – unter anderem durch die Datenschutz-Grundverordnung – als hemmenden externen Faktor. Nur der Mangel an qualifiziertem Personal wird als noch gravierender angesehen.
Und hier treffen sich die Analysen von DZ Bank und Mittelstand. Denn die größte Herausforderung, so gaben vier von fünf Befragten gegenüber den Volkswirten zu Protokoll, liege nun mal im Fachkräftemangel. Und der ist ausweislich der Analyse des Bitkom auch der Hauptverantwortliche für die verzögerte Umsetzung von Digitalstrategien. Zwar mahnt DZ-Bank-Firmenkundenvorstand Uwe Berghaus höhere Standortsicherheit für den Mittelstand an, und sieht dabei vor allem den Staat in der Pflicht: „Mehr Planungssicherheit im Hinblick auf gesetzliche Vorgaben, eine bezahlbare Energieversorgung und ein entschiedener Abbau von Bürokratie würden den Unternehmen helfen, wieder offensiver zu agieren.“
Doch gerade bei den genannten Problemen zeigt sich die Digitalisierung als „General Purpose“-Lösungsansatz: Denn smarte Infrastrukturen helfen nicht nur beim Energiesparen, sondern können auch dafür sorgen, dass Ressourcen nachhaltiger genutzt werden. Und eines der naheliegendsten Versprechen der Künstlichen Intelligenz liegt gerade darin, ein Mittel und Werkzeug gegen die schweren Bürokratiebürden zu sein. Und nicht zuletzt: KI hilft den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Unternehmen, sich intensiver um Kreatives zu kümmern. Der Fachkräftemangel wird nicht mit der nächsten Einwanderungswelle behoben und schon gar nicht mit der nächsten Bildungsoffensive. Mit einer Innovationswelle durch Künstliche Intelligenz stehen die Chancen da schon deutlich höher. Dann wäre die Lage weniger ernst und böte deutlich mehr Grund zur Hoffnung auf einen erstarkten Mittelstand, der auch im internationalen Vergleich besser dastehen könnte.
Aber diese Prognose ist angesichts der seit Jahrzehnten währenden Zurückhaltung gegenüber Digitalisierungsmaßnahmen leider hoffnungslos. Und das ist nun wirklich ernst.