Es ist schon zum Verzweifeln: Innovationen wie Batterien und Solarpaneele hatten hierzulande eine wissenschaftliche und wirtschaftliche Heimat. Doch wie so oft ist es nicht gelungen, aus solchen Forschungsergebnissen auch einen nachhaltigen Produkterfolg zu generieren. Jetzt brauchen wir beide Technologien dringend, um den Energiewechsel hinzubekommen. Und um sich aus der Abhängigkeit vom Ausland, namentlich China, freizumachen, muss die deutsche Wirtschaft jetzt nachsitzen und eigene Kapazitäten aufbauen. Denn Sonnenenergie ist das Gold der Zukunft, sie speichern und zeitversetzt nutzen zu können, ist die wichtigste Voraussetzung für eine verlässliche Versorgung.
Nicht viel anders läuft es bei der Digitalisierung. Zwar sind die Deutschen immer noch Weltmeister der Prozessoptimierung, doch vieles ist dabei im analogen 20. Jahrhundert stecken geblieben. Im 21. Jahrhundert aber zählt vor allem die Durchgängigkeit der digital vorhandenen Daten. Denn sie sind nicht nur die Voraussetzung für über ganze Lieferketten und Kundenbeziehungen verlaufende agile Geschäftsprozesse, sie sind auch die Basis für den Einsatz von künstlicher Intelligenz. Und auch hier müssen die deutschen Unternehmen nachsitzen.
Das gilt vor allem für die Hunderttausende mittelständische Unternehmen, in denen wichtige Geschäftsdaten zwar vorhanden sind – allerdings oftmals noch entweder analog und auf Papier oder in den vertikalen Datensilos der Abteilungen. Denn anders als bei der Geschäftsprozessoptimierung, wo die Deutschen wohl auch weiterhin Klassenbester sein werden, liegen sie im Fach Datenaufbereitung und -analyse weit hinter dem Klassendurchschnitt. Die Versetzung ist gefährdet!
Ohnehin gehen nach den Berechnungen des Stifterverbands, der sich um einen besseren Wissenstransfer zwischen Privatpersonen, Organisationen und Unternehmen bemüht, lediglich zehn Prozent der deutschen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung in Innovationen aus dem Mittelstand auf – der überwältigende Teil wird durch globale Konzerne und Großforschungseinrichtungen erzielt. Deshalb ist es für mittelständische Unternehmen ratsam, sich an große Infrastrukturanbieter anzubinden, wenn sie sich mit der KI-Nutzung befassen wollen.
Das können neben den Tech-Giganten wie Amazon, Google, Microsoft oder SAP und Deutsche Telekom auch zum Beispiel Branchenkonsortien sein, die einen gemeinsamen Standard für die Datenaufbereitung, die KI-Infrastruktur und die Kommunikationsinfrastruktur anbieten. In den deutschen Großbranchen wie Automobilbau, Chemie und im Maschinen- und Anlagenbau gibt es mehrere dieser Ansätze – sogar in mehreren Varianten. Denn im Automobilbau beispielsweise konkurrieren die großen Autobauer inzwischen auch durch ihre KI-Infrastruktur miteinander.
Doch nichts geht ohne eine ausreichende und aussagefähige Datenbasis. Daran hat sich seit der Zeit der ERP-Einführung nichts geändert. Und unverändert ist auch, dass gerade der Mittelstand dazu neigt, pragmatische Datenlösungen auf der Basis von Office-Anwendungen wie Tabellenkalkulation zu wählen, die in studentischen Facharbeiten entstehen. Das ist ein erster Schritt, aber am Ende braucht es eine durchgängige, alle Daten entlang des Geschäftsprozesses berücksichtigende Datenbasis. Das ist aufwendig und bringt zunächst nur kleinen Erfolg, ist aber dennoch unverzichtbar.
Das kann anhand eines internen Leuchtturmprojekts geschehen, mit der die Machbarkeit der Digitalisierung im ersten Schritt und der KI-Nutzung im Folgeschritt erprobt werden kann. Gleichzeitig qualifiziert es die Belegschaft für weitere, aufwendigere KI-Projekte. Denn auch bei der Aus- und Weiterbildung in Sachen Digitalisierung müssen Mittelständler nachsitzen. Sie sollten nicht damit rechnen, die dringend benötigten Fachkräfte mit Berufserfahrung auf dem Arbeitsmarkt zu finden, sondern selbst heranbilden. Der Wettlauf um die klügsten KI-Köpfe ist längst im Gange wie die jüngste Abwerbung von Microsofts KI-Spezialisten Walter Sun durch SAP eindrucksvoll zeigt. Und anders als im Fußball schließt sich auf dem Arbeitsmarkt das Transferfenster nie.
In vier Feldern muss der Mittelstand nachsitzen, wenn´s mit der Wettbewerbsfähigkeit nicht weiter bergab gehen soll: Daten, Digitalisierung, Infrastruktur, Qualifikation. Und das alles, während die Energiekosten weiter auf hohem Niveau, die Rohstoffe knapp sind und die Steuern gesenkt werden. Nichts davon ist unwichtig. Aber ohne Daten ist alles nichts.