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Software bewegt die Welt

Es klingt wie ein Gemeinplatz: Die Welt dreht sich um Software, und die Welt dreht sich durch Software. Nie wurde das deutlicher als an diesem Wochenende angesichts der Posse, die sich beim derzeit wohl aufregendsten Startup der Welt, OpenAI, abgespielt hat und uns wohl auch die kommenden Tage noch beschäftigen wird. Am Freitag entließ der Verwaltungsrat des kalifornischen KI-Technologieführers kurzerhand den Gründer und CEO des Unternehmens, Sam Altman. Seit Sonntag laufen offensichtlich Gespräche, ihn wieder zurückzuholen.

Dabei dürften die Gründe für die Entlassung des Gründers nach wie vor fortbestehen: Altman habe sich nicht immer konsistent in seiner Kommunikation gezeigt, hieß es kryptisch in der offiziellen Verlautbarung. Das lässt Raum für Spekulationen. Entweder hat Altman gegenüber dem Verwaltungsrat die Unwahrheit gesagt oder nicht mit der vollen Wahrheit herausgerückt. Oder er hat sich inzwischen zu sehr in seinen anderen Firmengründungen engagiert. Vermutlich stimmen alle drei Vermutungen.

Doch Software bewegt die Welt – was allen voran derzeit fürs Cloud Computing, für künstliche Intelligenz und für die Automation von Geschäftsprozessen gilt. Und deshalb kann sich niemand einen Braindrain an Software-Knowhow leisten. Auch OpenAI nicht. Und selbst Microsoft nicht. Die Führung um CEO Satya Nadella und CTO Kevin Scott, die erst vor 14 Monaten voll auf Altmans KI-Taten gesetzt hatten und das mit einem 13-Milliarden-Dollar-Investment auch unterstrichen, war wohl nur Minuten vor dem Altman-Rausschmiss informiert worden. Jetzt ist Microsoft den Gerüchten zufolge der Initiator für Gespräche über Altmans Rückkehr. Der hatte inzwischen öffentlich über weitere Neugründungen im KI-Sektor spekuliert und zahlreiche zahlungskräftige Investoren für seine Pläne interessiert. Alles an nur einem Wochenende.

So schnell dreht sich die Software-Welt. Kein Wunder angesichts eines Marktes für Künstliche Intelligenz, der mehrere hundert Milliarden Dollar schwer sein dürfte. Und auch angesichts eines gigantischen Bedarfs an Cloud Computing nicht nur für KI, der diesen ohnehin schon riesigen Markt weiter explodieren lassen wird. Allein OpenAI benötigt so viel Rechenpower aus der Cloud, dass das Unternehmen trotz komfortabler Finanzausstattung diese Infrastruktur kaum wirtschaftlich errichten kann. OpenAI setzt deshalb auf Microsofts Cloud-Plattform Azure.

Auch Siemens nutzt diese Kombination aus ChatGPT von OpenAI und Azure von Microsoft, um mit dem Siemens Industrial Copilot einen KI-Assistenten für die Verbesserung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln und um branchenbezogene Copiloten für die Logistik, die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau und das Gesundheitswesen zu entwickeln. Ziel ist es, mit dem Copiloten schneller und sicherer – Sie ahnen es! – Software zu entwickeln, die Maschinen steuert, Roboter auf Sprachbefehle reagieren lässt und das Zusammenspiel zwischen Planungs- und Produktionsebene verbessert.

Bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden brachte Microsofts CEO Satya Nadella es auf den Punkt: Wir haben endlich Maschinen, die uns verstehen. Bisher mussten die Menschen die Maschinen verstehen. Dieser Paradigmenwechsel ist signifikant für mittelständische Unternehmen, die vor allem branchenspezifisches Knowhow besitzen und nun beschleunigt – sie erraten es wieder! – Software für die weitere Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse entwickeln können, ohne dass dabei jedes Unternehmen für sich gigantische Investitionen in die dafür benötigten Infrastrukturen aus Rechenpower und KI-Grundlagen tätigen muss. Es ist das ideale Zukunftskonzept nicht nur für die 1500 Hidden Champions aus Deutschland, sondern für jedes der rund drei Millionen mittelständischen Unternehmen hierzulande.

Da mutet es geradezu anachronistisch an, dass SAPs Kunden gerade gegen die Pläne des einzigen europäischen Unternehmens von Weltrang aufbegehren, künftige Neuentwicklungen nur noch in der Cloud voranzutreiben. „Wir müssten in die SAP-Cloud wechseln, was aber viel teurer wäre“, beklagt ein IT-Manager die Situation gegenüber der Wirtschaftswoche. Das stimmt – und stimmt auch wieder nicht. Denn einerseits bezahlen SAP-Kunden einen Preis dafür, dass sie sich jahrelang in einen goldenen Software-Käfig haben einsperren lassen, ohne mit dem Mainstream zu gehen. Andererseits muss SAP jetzt die Debatte mit ihren Kunden über den Wechsel von „OnPremises“ zu „OnDemand“ austragen, die die Walldorfer ebenso lange gescheut haben. Doch wenn schon fraglich ist, wie SAP eine Cloud-gestützte KI-Infrastruktur für einen sprunghaft wachsenden Bedarf errichten soll – wie sollen es dann die Kunden können?

„Geld schießt Tore“, heißt es im Fußball, und „Geld generiert Code“ gilt für die ganze Welt. Vor der Corona-Krise wurden weltweit fünf Prozent des globalen Bruttosozialprodukts für HighTech – vornehmlich IT-Infrastrukturen – ausgegeben. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird sich dieser Anteil auf zehn Prozent ausgeweitet haben. Und wofür? Sie erraten es: für Software. Jede Company wird dann in irgendeiner Form eine Tech-Company sein, die ihre Geschäftsprozesse durch Software steuert. Dazu ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Sonst geht man mit der Zeit. Und auch Zeit ist eine Software, um die sich die Welt dreht.

 

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