E-Mail für dich (ist aber unwichtig)!

Eben noch haben wir den dreißigsten Jahrestag der ersten nach Deutschland gesendeten E-Mail gefeiert, da beschäftigen wir uns auch schon damit, wie wir die E-Mails wieder loswerden. Jedenfalls die uninteressanten, die selten gelesenen, unangenehmen, die unwichtigen.

Wenn es nach IBM, Google oder Microsoft geht, sollen wir uns künftig nicht mehr damit befassen müssen, was für uns wichtig ist oder nicht, sondern das einer lernfähigen Software überlassen – wie zum Beispiel IBM Watson, der sich nach der Behandlung Schwerkranker nun den Volksseuchen zuzuwenden scheint: zum Beispiel der E-Mail-Flut.

Das wissensbasierte Analysewerkzeug Watson steckt jedenfalls hinter der jetzt von IBM vorgestellten Kommunikationslösung Verse, die das E-Mailing neu erfinden soll. Schon Lotus warb 1991 mit dem Slogan „eine neue Art zu arbeiten“ für sein Kollaborations-Werkzeug Notes, ehe IBM Lotus auf dem Höhepunkt des Erfolgs übernahm und dann sukzessive Marktanteile an Microsofts Outlook verlor.

Verse – oder wohl besser „Reverse“ – soll diesen Trend umdrehen. Das dürfte allerdings schwer fallen, denn Microsoft pumpt jetzt ebenfalls Outlook beziehungsweise Office 365 durch lernfähige Agenten und Komponenten auf, die uns das „Emaillieren“ leichter machen sollen. Beide, Microsoft und IBM, ziehen aber im Grunde genommen hinter Google nach, das mit Inbox ebenfalls unsere Kommunikationswelt ein wenig smarter machen will. Der Kampf um die Lufthoheit in der wahrscheinlich meistbenutzten Anwendungswelt hat also begonnen. Voll entbrennen wird er, wenn sich 2015 die bisher vorgestellten Lösungen aus dem Beta-Stadium in die volle Marktreife weiterentwickelt haben werden.

Das Engagement lohnt sich – für alle. Denn nicht nur verbringt jeder Mitarbeiter im Unternehmen ein Viertel jeder Stunde Arbeitszeit damit, E-Mails zu suchen, zu lesen, zu beantworten oder zu archivieren. Auch aus Anbietersicht ist die Kommunikationslösung für Unternehmen wie auch für mobile, private Anwender der Schlüssel zu nachhaltiger Kundenbindung. Deshalb sollen künftig IBMs Verse, Microsofts Delve oder Googles Inbox bei der E-Mail-Verwaltung nicht aufhören, sondern Internet-Quellen, soziale Medien oder Dokumenten-Anhänge mit durchforsten, um die relevanten Inhalte bereitzustellen, die weniger relevanten aber abrufbereit in den Hintergrund zu stellen.

Im Mittelpunkt stehe der Mensch, begründen die Anbieter ihre Kommunikationsstrategie. Der Mensch und sein Informationsverhalten werden dann aber künftig durch mehr oder weniger richtige Annahmen korrigiert, wenn nicht manipuliert. Was relevant ist, entscheidet das System anhand des bisherigen Kommunikationsverhaltens. Sprich: Unliebsame Mails konsequent weggedrückt – und schon wird man durch das System von weiteren Belästigungen bewahrt.

Denn was wichtig ist oder nicht, weiß vielleicht nicht einmal Watson. Man darf fragen: Ist der Mensch in seinem Kommunikationsverhalten nicht doch viel zu sprunghaft, viel zu ereignisgesteuert und seinen Launen unterworfen als dass smarte Software dies richtig analysieren und dann richtig kanalisieren kann? Wie sollen künftig unterschiedliche Kommunikationsquellen bewertet werden, wenn der Anwender in unterschiedlichen Rollen – Beruf, Familie, Freizeit oder „Parallel-Leben“ – auch unterschiedliche Quellen wertschätzt und nutzt?

Wir werden uns wohl darauf einlassen müssen. Denn eines ist ebenso sicher. Die ständige Erreichbarkeit, die Suche nach der richtigen Stecknadel im Stecknadelhaufen, das Sortieren und Aussortieren relevanter und wichtiger Informationen raubt uns immer mehr Lebenszeit. Die erste Mail aus dem Jahr 1984 konnten wir noch als Ereignis identifizieren. Die Hunderte bis Tausende Mails, die heute täglich auf uns einströmen, können wir nur noch als „Flow of Consciousness“, als stetig fließenden Gedankenstrom wahrnehmen. Hilfe ist da willkommen.

Aber ob es künftig als Entschuldigung durchgehen kann, wenn eine Mail von einem Geschäftspartner unbeachtet im „Für später“-Ordner verschwindet? „Tut mir leid, aber Watson hat Ihre E-Mail als unwichtig kategorisiert“, ist vielleicht eine der Floskeln, auf die wir uns im Geschäftsleben einstellen müssen. Die gute, alte Telefonansage: „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ bekommt im E-Mail-Verkehr des 21. Jahrhunderts wieder eine neue Bedeutung.

 

 

 

Tod eines Handlungsreisenden

Ich erinnere mich noch gut an Meetings mit IBM-Vertretern, die mit meinem Haus – immerhin dem ersten Mittelstandspartner der IBM in Europa – Jahresplanungen, Marketingprogramme und einzelne große Deals durchsprachen: also Software aus meinem Haus auf Hardware der IBM. In der Regel war unser Konferenzraum gut gefüllt mit fünf, sechs hochrangigen IBMern (im blauen Anzug, versteht sich) und – aus Proporzgründen –fünf, sechs meiner Mitarbeiter (ebenfalls im blauen Anzug, versteht sich). Und die erste halbe Stunde verstrich dadurch, dass sich die IBM Kollegen erst einmal vorstellten – nicht uns, sondern untereinander!

Wir nannten das irgendwann mal sarkastisch „IBM Tourismus“. Und wie jeder gute Sarkasmus kam das gar nicht gut an – bei den IBMern, versteht sich.

Aber die Vorgehensweise war so unmittelständisch, dass wir nicht anders konnten, als Sarkasmus zu produzieren. Denn nach der halben Stunde Vorstellungsrunde sprachen wir vielleicht 60 Minuten über den Deal, dann wurde die Arbeit verteilt (je mehr Vice President, desto weniger konkrete Aufgaben) und schließlich sprachen wir über das große Ganze. Und niemals über den Wettbewerb. Für IBMer im blauen Anzug gab es keine Mitbewerber.

Da war der Kunde, der Partner und IBM – und sonst gar nichts…

Und da waren die Anrufe von erbosten Kunden, die sich über überteuerte IBM-Rechnungen für eine Speicherplatzerweiterung auf einer IBM-Festplatte (damals hießen sie noch „DASDs“ – Dynamic Access Storage Device – heute begnügen wir uns mit dem Wort „Disc“) beschwerten. Denn der Akt der Speichererweiterung bestand lediglich darin, mit einem Schraubenzieher dem Schreib-/Lese-Arm mehr Spielraum zu gewähren.

Die Zeiten der tausendprozentigen Gewinnmargen sind längst vergangen – uns damit auch die Zeiten der IBM Handlungsreisenden im dunkelblauen Anzug, die sich monatlich bei ihren wenigen Konzernkunden blicken ließen, von der Zukunft schwärmten und für die Gegenwart neue Maschinen ins Auftragsbuch notierten. Praktisch alle Unternehmen der Fortune-500 kauften so bei IBM. „Für eine Entscheidung zugunsten von IBM“, hieß es dazumal, „ist noch nie ein IT-Leiter rausgeflogen.“

Heute verliert IBM alle sechs Wochen einen Konzernkunden von der Größenordnung einer Lufthansa. Die hatte unlängst einen Sieben-Jahres-Vertrag mit IBM über Dienstleistungen in Höhe von 1,25 Milliarden Dollar abgeschlossen, das entspricht 1,78 Millionen Dollar pro Jahr. Der (nicht existierende) IT-Kolumnist Robert X. Cringely – das Pseudonym von Mark Stephens und anderen Kolumnisten – verglich jetzt diese Zahlen mit den Ergebnissen der beiden Dienstleistungssparten der IBM, Global Technology und Global Business. Deren Umsätze ging von rund 60 Milliarden Dollar im Jahr 2011 auf geschätzte knapp 56 Milliarden im laufenden Jahr zurück. Dies, so rechnet Cringely bei Forbes vor, entspreche 24 Konzern-Deals in der Größenordnung des Lufthansa-Abschluss, die bei IBM im Laufe von vier Jahren abgesprungen sind.

Seit nunmehr zehn Quartalen gehen die Umsätze bei IBM zurück – und es ist nicht allein der Markttrend zu sinkenden Preisen, Cloud Computing und Commodities, der dafür Verantwortung trägt. Denn viele Wettbewerber behaupten sich in diesen Zeiten sinkender Margen sehr gut.

Es ist vielmehr eine überkommene, an alten Zielen und Methoden hängende Vertriebsmannschaft, die IBM Schaden zufügt. Seit Jahren spricht IBM davon, dass es „einfacher werden muss, mit IBM Geschäfte zu machen“. Es wird auch Jahr für Jahr einfacher. Aber wann wird es endlich einfach?

Es ist bezeichnend, dass IBM ausgerechnet das einfache Geschäft abgibt – erst die Endgeräte, jetzt die Intel-basierten Server. Big Blue entledigt sich damit der Produktlinien, die zwar in den Markt passen, aber nicht zur Vertriebsmannschaft. Dadurch entfernt sich IBM zugleich immer mehr vom Mittelstandsgeschäft, das – über Software-Partner kanalisiert – ein solides Grundwachstum beschert hat. Heute spielt IBM bei KMUs kaum noch eine Rolle.

Dazu tragen auch undurchsichtige Vertragswerke bei, die den mittelständischen Unternehmer, der nicht über eine eigene Rechtsabteilung verfügt, schlicht überfordern. Diese Verträge mögen dazu beitragen, dass man sich verträgt, nicht unbedingt aber, dass man sich auch vertraut.

IBM sollte hier wieder mehr auf Partner hören und auf Partner schwören. Sie haben das Ohr auf den Gleisen des Small und Medium Business. Sie wissen, wie bei kleinsten Vertriebsmargen dennoch Gewinn zu erzielen ist. Durch Effizienz nämlich und durch Engagement.

Cloud Computing, Big Data, Global Infrastructure – das sind die Schwerpunkte der IBM. Hier, wo erklärungsbedürftige Szenarien entwickelt werden, kann IBM ihre ganze überfrachtete Manpower in Anschlag bringen. Hier leistet sie bahnbrechendes, um den Planeten „ein wenig smarter“ zu machen. Aber dort, wo der einfach Vertriebsalltag das Basisgeschäft beherrscht, da versagt das überkommene Muster der Handlungsreisenden, die zwar ihren dunkelblauen Anzug durch Shirts und Chinos getauscht, aber noch lange nicht ihre Attitüde ausgetauscht haben.

Der Handlungsreisende Willy Loman in Arthur Millers mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneten Drama „Tod eines Handlungsreisende“ will dies nicht einsehen. Loman ist kein „low man“, kein schwacher Mensch. „Der Name bezeichnete für mich in Wirklichkeit einen vom Schrecken überwältigten Mann, der in die Leere hinein um Hilfe ruft, die niemals kommen wird“, interpretierte Arthur Miller seine eigene Hauptfigur. Loman begeht schließlich Selbstmord. Soweit sollte es bei den Handlungsreisenden der IBM nicht kommen. Aber die ganze Company steht allmählich auf dem Spiel. Auch das ist ein Drama.

Wer ist ITiger im Land?

„Wenn du auf die Jagd nach Tigern gehst“, sagt ein indisches Sprichwort, „solltest du damit rechnen, Tiger zu finden.“ Gemeint ist wohl, dass man Gefahr läuft, plötzlich selbst der Gejagte zu sein.

Als Deutsche Messe eine CeBIT als internationales IT-Gipfeltreffen nicht nur in Hannover, sondern jetzt erstmals auch in Bangalore, der Hightech-Hauptstadt Indiens zu organisieren, könnte durchaus ein Risiko gewesen sein, das einer solchen Tigerjagd gleichkommt. Denn der indische ITiger ist bereits mächtig. Und weiter mächtig im Kommen. Der indische Fachverband National Association of Software and Services Companies (Nasscom) prognostiziert ein Umsatzplus von 14 Prozent für das laufende Finanzjahr 2013/14. Mit diesen Wachstumsraten ist Indien für IT-Anbieter von großem Interesse.

Und er ist auch mächtig selbstbewusst. Bis 2020, so hieß es auf der CeBIT India Exhibition and Conference letzte Woche, werde man das Silicon Valley in seiner Bedeutung als Inkubator für neue, innovative Unternehmen abgelöst haben. Diese Nachricht kam gerade richtig zu einer in Deutschland geführten Diskussion über die Innovations- und Gründungskraft der deutschen Wirtschaft, die durch Vorveröffentlichungen einer vom CDU-Wirtschaftsrat in Auftrag gegebenen Studie der Boston Consulting Group losgetreten wurde und sich insbesondere um die Bedeutung des Wirtschaftsstandortes Berlin rankt. So würden im Silicon Valley mehr als zwölf Mal so viele Start-ups gegründet wie in Berlin, heißt es in der noch unveröffentlichten Studie. Zudem dürfe man die Silicon Wadis in Israel nicht übersehen. Und überhaupt, tönte es aus dem enervierten Gründerforum NRW: Zwar liege man mit 9,1 Prozent bei der Selbständigenquote zwei Punkte unter dem Bundesdurchschnitt – aber mit zehn Millionen Verbrauchern sei hier das beste Umfeld.

Als ginge es um die Schneewittchen-Frage: „Wer ist itiger im ganzen Land?“ Solange sich im föderalen Deutschland die selbsternannten Zentren gegenseitig kleinreden können sich die Silicon Valley, Wadis oder eben das indische Bangalore getrost zurücklehnen und auf ihre Stärken schauen.

Ohne die Schwächen außer Acht zu lassen. Es war ausgerechnet der bei der deutschen SAP zu Ruhm und Ehre gekommene jetzige Infosys-Vorstandschef Vishal Sikka, der seinen indischen Landsleuten bei aller Zukunftseuphorie ins Gewissen sprach – per Teleschalte. Der Technologie-Guru musste kurzerhand seine Keynote für die CeBIT India per Video-Einspielung halten, weil er seinen Ministerpräsidenten ins australische Brisbane begleitete, wo er wiederum mit Bundeskanzlerin Angela Merkel über IT-Gipfel und andere Technologiethemen plaudern konnte.

„Der IT-Dienstleistungsbereich sollte sich nicht darauf konzentrieren, die gleichen alten Sachen weiter anzubieten, sondern sich auf Neues fokussieren“, sagte er per Video-Leinwand und meinte offensichtlich, dass die Zeiten des guten alten Body-Leasings, des Off-Shore-Developments, beendet werden müssen, wenn der Entwicklungsplan „Make in India“ (siehe Blog der letzten Woche) Wirklichkeit werden soll. „Was wir brauchen, sind neue Ideen und eine neue Art, sie zu verwirklichen.“

Das klingelt in den Ohren angesichts der Aufbruchsstimmung, die sich ohnehin weltweit im Lichte von Mobile und Cloud Computing, Big Data oder Social Media breit macht. Als wäre dies nicht „Gamechanger“ genug, fordert Sikka radikales Umdenken. Nicht nur, aber vor allem für sein Land. Anstelle höherer Qualität gebe es eine starke Betonung der Suche nach günstigerer Arbeit. Genau das aber würde den Tiger schwächen.

Beispiele für neue Ideen, Innovationen und „Gamechanger“ gab es indes auf der CeBIT India zuhauf. Denn unter den rund 600 Ausstellern waren erfreulich viele Global Player aus Deutschland – beziehungsweise fast schon als Synonym zu verstehen: aus der Automobilindustrie. So zeigten Daimler, Bosch und Co. wozu das Auto fähig ist, wenn die IT, Cloud Computing und das Internet der Dinge zusammenspielen. Autonomes Fahren zum Beispiel war eines der Paradestücke, die von der Automobilindustrie auf der CeBIT India präsentiert wurde. Die Message, die die deutschen Aussteller auf der CeBIT India bereithielten, war deutlich: Der ITiger der Automotive-Industrie sitzt immer noch in Deutschland und er schläft nicht. Aber er ist sich sehr wohl bewusst, dass die Frage, „Wer ist itiger in der ganzen Welt?“ auch für die deutsche Automobilindustrie von nachhaltiger Bedeutung ist.

Da kann die CeBIT India positive Impulse für die CeBIT und sogar für die Hannover Messe in Deutschland liefern. Denn wenn IT als Querschnittstechnologie uns alle und in allen Branchen berührt, dann ist das ein Universalitätsanspruch, der insbesondere auch in Deutschland Geltung hat. Startups plus Automotive plus Industrie 4.0 plus Big Data – das ist das Erfolgsrezept, um den nächsten IT-Gipfel noch itiger zu machen.

Small is the new Big

Als Seth Godin seinen inzwischen legendär gewordenen Blogeintrag über die Vorteile des Kleinteiligen mit der Überschrift „Small is the new Big“ versah, verwandelte er ein Paradoxon in ein sprechendes Paradigma. Er läutete sozusagen das Ende der alten US-amerikanischen Militärveteranen ein, die wie selbstverständlich nach ihrer Karriere auf der Brücke eines Flugzeugträgers in die Vorstandsetage einer Fortune-500-Company wechselten: big Business und big Salary.

Jetzt hat Indiens Premierminister Narendra Modi diesen Begriff übernommen, um ein neues Paradigma für sein Land auf dem Weg in die „Digitale Ära“ zu entwickeln. Denn ähnlich wie in Deutschland, wo 99 Prozent der Unternehmen klein oder mittelständisch geprägt sind, zeichnet sich auch auf dem Subkontinent die Erkenntnis ab, dass ebenso wie die Großkonzerne des Landes, die an weltumspannenden Strukturen arbeiten, es die kleinsten, kleinen und mittleren Unternehmen sind, die das Rückgrat des Landes bilden. Immerhin 60 Prozent der überhaupt in Unternehmen arbeitenden indischen Bevölkerung sind bei Small-and-Medium-Firmen angestellt. Immerhin 40 Prozent des gesamten indischen Exports wird hier produziert.

Und dieser Anteil soll sich weiter steigern, wenn es gelingt, die mittelständischen und kleinen Unternehmen am digitalen Fortschritt teilhaben zu lassen. Das freilich ist eine Herkulesaufgabe, blickt man allein auf die gigantische Fläche von 3,3 Millionen Quadratkilometern, die es mit Breitbandzugängen zu versorgen gilt. Das ist, wie die Diskussion um die Umsetzung der „Digitalen Agenda“ hierzulande bereits zeigt, nur mit äußersten finanziellen Anstrengungen und Anreizen zu stemmen. Aber: Während die indischen und internationalen Global Players ihre Infrastruktur rund um die großen Bevölkerungszentren Indiens aufgebaut haben, befindet sich der größte Teil des indischen Mittelstands in den ländlichen Strukturen dazwischen.

Sie und die rund 250.000 ländlichen Kommunen können nur mobil aus dem All versorgt werden. Allein in diesem Jahr sollen die ersten 50.000 Gemeinden an das National Optical Fibre Network angeschlossen werden. Bereits heute ist Indien der drittgrößte Mobilfunkmarkt der Welt – nach den USA und China. Aber erst zehn Prozent der indischen Bevölkerung nutzen ein mobiles Endgerät. Folglich existiert hier ein schier unvorstellbares Marktpotenzial von rund 900 Millionen Smartphones, Tablets oder Laptops.

Dabei soll gleich alles auf einmal errungen werden: private Personen soll die Teilhabe am Mobile Computing, Kleinunternehmen der Schritt in Richtung „Industrie 4.0“ ermöglicht werden. Beides, so sind sich die Verantwortlichen in Indien einig, bedeutet einen gewaltigen Veränderungsprozess, an dessen Ende eine erstarkte Wirtschaft stehen soll. „Make in India“ (www.makeinindia.com) heißt das nationale Programm, das praktisch keinen Wirtschaftszweig auslässt – vom Automobilbau und Maschinenbau über Hoch- und Tiefbau bis zu Food, Pharma und Chemie, Medien und Unterhaltung. Die Zahlen, die für jeden dieser Sektoren aufgehäuft werden, sollen in- und ausländische Investoren locken. Und sie sind in der Tat beeindruckend: allein der Gesundheitsmarkt wird auf umgerechnet sechs Milliarden Euro geschätzt. Er ist damit viermal so groß wie der IT-Sektor, der immerhin aus 15.000 Unternehmen – 14.000 davon mittelständisch geprägt – besteht.

Da nimmt es nicht wunder, dass die Deutsche Messe, die bereits hierzulande den deutschen Mittelstand mit der CeBIT für die Informationstechnik und mit der Hannover Messe für moderne Produktionsmethoden interessiert hat, ihr Engagement auch nach Indien ausweitet. Derzeit startet in der indischen Technologiehauptstadt Bangalore die CeBIT India 2014 als Kombination aus Ausstellung und Konferenz. Sie setzt die bereits tiefen Beziehungen zwischen dem indischen Hightech-Verband NASSCOM und seinem deutschen Pendant BITKOM fort. Neben den aktuellen Trendklassikern wie Big Data, Mobile Computing, Cloud und Social Business ist eine eigene Session für Startup-Companies vorgesehen. Denn bei „Make in India“ geht es nicht allein darum, die bestehenden kleinen und mittleren Unternehmen ans Netz zu bringen und ihre Produktionsmethoden zu revolutionieren. Indien sucht neue Firmengründer, die das Land mit neuen Ideen überschwemmen. Wenn diese kleinen Unternehmen ins Leben treten, dürfte das in der Tat die nächste große Sache werden. Deutschland sollte vielleicht nicht das Silicon Valley zu kopieren versuchen, sondern „Make in India“. „Made in Germany“ hat schließlich schon mal ganz gut geklappt.