Ein Digital-Problem mit zehn Nullen

Es ist ja nicht so, als würde es bei der Digitalisierung in Deutschland am Geld fehlen:

Anfang des Monats sicherte sich das Heidelberger KI-Startup Aleph-Alpha in einer Finanzierungsrunde eine halbe Milliarde Euro, mit der nun ein äußerst ehrgeiziges Ziel in Angriff genommen werden soll. Es geht um nicht weniger als darum, Deutschland in Sachen Künstlier Intelligenz voranzubringen und weltweit wettbewerbsfähig zu machen. Hinter dieses Ziel stellen sich Unternehmen wie SAP, Bosch, die Schwarz-Gruppe, zu der die Discounter Lidl und Kaufland gehören, der Unternehmer Harald Christ und der US-amerikanische HP-Konzern. Die Finanzierungsrunde wurde stark vom Bundeswirtschaftsministerium gestützt.

Doppelt so viel, nämlich eine Milliarde Euro, hat die KfW Capital, die Beteiligungsgesellschaft der staatlichen Förderbank KfW, für den „Wachstumsfonds Deutschland“ gesammelt, der insbesondere Startups unter die Arme greifen soll. Überall dort, wo klassische Venture Capitalists nicht zugreifen, oder wo ein strategisches Interesse für Deutschland besteht, soll der Fonds eingreifen, in den vor allem Versicherungsgesellschaften wie Allianz, Munich Re und Signal Iduna Investiert sind. Aber auch der US-amerikanische Vermögensverwalter Blackrock hat sich engagiert, um zwei Drittel der Kapitalausstattung zusammenzubringen. Das restliche Drittel soll vom Bundeswirtschaftsministerium kommen.

Dort liegt auch der Projektvorschlag von Siemens und SAP sowie 48 weiteren Partnern aus Wirtschaft, Forschung und Verbänden zur konkreten Umsetzung des European Data Acts, der Unternehmen dazu verpflichten will, Betriebsdaten aus ihren Produkten mit Kunden und Partnern zu teilen. Konkret bedeutet das, dass die 50 Partner nun – also bis 2026 – eine digitale Plattform für den Datenaustausch in der Fertigungsindustrie aufbauen. In Verlängerung der X-Cloud-Initiative der frühen zwanziger Jahre heißt das Projekt Factory-X. Ein vergleichbares Projekt für die besonderen Belange der Automobilindustrie ist unter dem Titel Catena-X unterwegs. Eine positive Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums für die Förderung der Projekte steht allerdings noch aus.

Das wäre bis Oktober 2023 reine Formsache gewesen. Doch jetzt, nach dem Verdikt des Bundesverfassungsgerichts, drückt ein Monster mit zehn Nullen auf den Bundeshaushalt für 2024, während möglicherweise auch der Haushalt 2023 als verfassungswidrig erkannt werden wird. Derzeit dürfen keine neuen Ausgabenzusagen gemacht werden. Wenn die Schuldenbremse nicht gekippt wird, verscherbelt Deutschland seine Zukunft.

Und als wäre dies nicht schlimm genug, zeigt die Halbjahresbilanz der Bundesregierung zur Digitalisierung von Verwaltungsbehörden, dass aktuell kaum mehr Engagement bei der Umsetzung von Digitalprojekten gezeigt wird, als in den Vorgänger-Regierungen unter Angela Merkel, die ihre 575 Einzelziele krachend verfehlt hatten. Die Ampel hatte sich insgesamt 334 Vorhaben in den Koalitionsvertrag geschrieben, von denen derzeit 43 Aktivitäten, also rund 13 Prozent, abgeschlossen sind. Weitaus mehr, nämlich 60 Vorhaben, sind noch nicht einmal in Angriff genommen worden.

Dabei bringt es die Natur der Zählweise mit sich, das Kleinstprojekte in der Statistik den gleichen Stellenwert haben wie Großvorhaben. Zu Letzteren – und leider auch zu den Unerledigten – gehören die Digitalisierung der Verwaltung und der Digitalpakt 2.0 für die Digitalisierung der Schulen – „also zwei Säulen, die für ein digitaleres Deutschland unerlässlich sind“, resümiert Bitkom-Präsident Ralph Wintergerst im Gespräch mit der Wirtschaftswoche.

Unter diesen Vorzeichen konnte in Jena weniger von einem Digital-Gipfel der Bundesregierung gesprochen werden, als vielmehr von einem Digital-Tal der Tränen, durch das sich Deutschland irgendwie hindurch zu fummeln versucht. Wie´s läuft und wo´s läuft zeigt in der Regel ein Blick auf Digitalprojekte unter der Führung US-amerikanischer Tech-Companies oder hinter den weitgehend verschlossenen Türen chinesischer Konzerne unter staatlicher Kontrolle. Sie operieren bei der Digitalisierung, in der Cloud und erst recht bei Künstlicher Intelligenz mit Summen in der Größenordnung des deutschen Haushaltslochs. Das ist die bittere Realität.

Deutschland drohe deshalb zu einer „digitalen Kolonie“ unter US-amerikanischer und chinesischer Führung zu verkommen, fürchtet Ralph Wintergerst. „Die Wirtschaft muss ihren Kunden selbst digitale Produkte anbieten, sonst bleibt am Ende nur die Hardware bei den Autos oder im Maschinenbau“, fürchtet er. „Damit wird künftig niemand lange wettbewerbsfähig bleiben.“ Was uns dann bleibt, sind nur noch Nullen.

Software bewegt die Welt

Es klingt wie ein Gemeinplatz: Die Welt dreht sich um Software, und die Welt dreht sich durch Software. Nie wurde das deutlicher als an diesem Wochenende angesichts der Posse, die sich beim derzeit wohl aufregendsten Startup der Welt, OpenAI, abgespielt hat und uns wohl auch die kommenden Tage noch beschäftigen wird. Am Freitag entließ der Verwaltungsrat des kalifornischen KI-Technologieführers kurzerhand den Gründer und CEO des Unternehmens, Sam Altman. Seit Sonntag laufen offensichtlich Gespräche, ihn wieder zurückzuholen.

Dabei dürften die Gründe für die Entlassung des Gründers nach wie vor fortbestehen: Altman habe sich nicht immer konsistent in seiner Kommunikation gezeigt, hieß es kryptisch in der offiziellen Verlautbarung. Das lässt Raum für Spekulationen. Entweder hat Altman gegenüber dem Verwaltungsrat die Unwahrheit gesagt oder nicht mit der vollen Wahrheit herausgerückt. Oder er hat sich inzwischen zu sehr in seinen anderen Firmengründungen engagiert. Vermutlich stimmen alle drei Vermutungen.

Doch Software bewegt die Welt – was allen voran derzeit fürs Cloud Computing, für künstliche Intelligenz und für die Automation von Geschäftsprozessen gilt. Und deshalb kann sich niemand einen Braindrain an Software-Knowhow leisten. Auch OpenAI nicht. Und selbst Microsoft nicht. Die Führung um CEO Satya Nadella und CTO Kevin Scott, die erst vor 14 Monaten voll auf Altmans KI-Taten gesetzt hatten und das mit einem 13-Milliarden-Dollar-Investment auch unterstrichen, war wohl nur Minuten vor dem Altman-Rausschmiss informiert worden. Jetzt ist Microsoft den Gerüchten zufolge der Initiator für Gespräche über Altmans Rückkehr. Der hatte inzwischen öffentlich über weitere Neugründungen im KI-Sektor spekuliert und zahlreiche zahlungskräftige Investoren für seine Pläne interessiert. Alles an nur einem Wochenende.

So schnell dreht sich die Software-Welt. Kein Wunder angesichts eines Marktes für Künstliche Intelligenz, der mehrere hundert Milliarden Dollar schwer sein dürfte. Und auch angesichts eines gigantischen Bedarfs an Cloud Computing nicht nur für KI, der diesen ohnehin schon riesigen Markt weiter explodieren lassen wird. Allein OpenAI benötigt so viel Rechenpower aus der Cloud, dass das Unternehmen trotz komfortabler Finanzausstattung diese Infrastruktur kaum wirtschaftlich errichten kann. OpenAI setzt deshalb auf Microsofts Cloud-Plattform Azure.

Auch Siemens nutzt diese Kombination aus ChatGPT von OpenAI und Azure von Microsoft, um mit dem Siemens Industrial Copilot einen KI-Assistenten für die Verbesserung der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine zu entwickeln und um branchenbezogene Copiloten für die Logistik, die Automobilindustrie, den Maschinen- und Anlagenbau und das Gesundheitswesen zu entwickeln. Ziel ist es, mit dem Copiloten schneller und sicherer – Sie ahnen es! – Software zu entwickeln, die Maschinen steuert, Roboter auf Sprachbefehle reagieren lässt und das Zusammenspiel zwischen Planungs- und Produktionsebene verbessert.

Bei seinem Treffen mit US-Präsident Joe Biden brachte Microsofts CEO Satya Nadella es auf den Punkt: Wir haben endlich Maschinen, die uns verstehen. Bisher mussten die Menschen die Maschinen verstehen. Dieser Paradigmenwechsel ist signifikant für mittelständische Unternehmen, die vor allem branchenspezifisches Knowhow besitzen und nun beschleunigt – sie erraten es wieder! – Software für die weitere Automatisierung ihrer Geschäftsprozesse entwickeln können, ohne dass dabei jedes Unternehmen für sich gigantische Investitionen in die dafür benötigten Infrastrukturen aus Rechenpower und KI-Grundlagen tätigen muss. Es ist das ideale Zukunftskonzept nicht nur für die 1500 Hidden Champions aus Deutschland, sondern für jedes der rund drei Millionen mittelständischen Unternehmen hierzulande.

Da mutet es geradezu anachronistisch an, dass SAPs Kunden gerade gegen die Pläne des einzigen europäischen Unternehmens von Weltrang aufbegehren, künftige Neuentwicklungen nur noch in der Cloud voranzutreiben. „Wir müssten in die SAP-Cloud wechseln, was aber viel teurer wäre“, beklagt ein IT-Manager die Situation gegenüber der Wirtschaftswoche. Das stimmt – und stimmt auch wieder nicht. Denn einerseits bezahlen SAP-Kunden einen Preis dafür, dass sie sich jahrelang in einen goldenen Software-Käfig haben einsperren lassen, ohne mit dem Mainstream zu gehen. Andererseits muss SAP jetzt die Debatte mit ihren Kunden über den Wechsel von „OnPremises“ zu „OnDemand“ austragen, die die Walldorfer ebenso lange gescheut haben. Doch wenn schon fraglich ist, wie SAP eine Cloud-gestützte KI-Infrastruktur für einen sprunghaft wachsenden Bedarf errichten soll – wie sollen es dann die Kunden können?

„Geld schießt Tore“, heißt es im Fußball, und „Geld generiert Code“ gilt für die ganze Welt. Vor der Corona-Krise wurden weltweit fünf Prozent des globalen Bruttosozialprodukts für HighTech – vornehmlich IT-Infrastrukturen – ausgegeben. Bis zum Ende des Jahrzehnts wird sich dieser Anteil auf zehn Prozent ausgeweitet haben. Und wofür? Sie erraten es: für Software. Jede Company wird dann in irgendeiner Form eine Tech-Company sein, die ihre Geschäftsprozesse durch Software steuert. Dazu ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen. Sonst geht man mit der Zeit. Und auch Zeit ist eine Software, um die sich die Welt dreht.

 

Euer Ohr, nicht euer Geld!

„Ich will, dass wir das Potenzial der Digitalisierung und der Daten in vollem Umfang nutzen – für einen modernen, bürgernahen Staat.“ Das sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser zur Eröffnung der Smart Country Convention in Berlin in der vergangenen Woche. Doch auf das Wollen müssen auch das Können und schließlich das Tun folgen – und da hapert es Deutschland. Allen hinterher hinken insbesondere die deutschen Behörden, die weit davon entfernt sind, die „Super-App“ für alle staatlichen und kommunalen Dienstleistungen bereitzustellen. Wie auch, wenn Bundesfinanzminister Christian Lindner die Mittel für Digitalprojekte zusammengestrichen hat.

So wird sich auch kaum in Zukunft etwas ändern. Wenig hoffnungsfroh ist da auch Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst, der die Rückständigkeit deutscher Behörden im „Global Innovation Index“ festgeschrieben sieht. Darin rangiert Deutschland inzwischen auf einem peinlichen 59. Platz – mit wenig Aussicht darauf, die Position in naher Zukunft zu verbessern. Denn die digitale Verweigerung der deutschen Behörden hat bereits traurige Tradition, die weit in die Merkel-Ära und davor zurückreicht. Dabei ist die Nachfrage nach digitalen Dienstleistungen in der deutschen  Bevölkerung groß, wie eine repräsentative Umfrage von Bitkom-Research zeigt.

Danach wollen neun von zehn Bundesbürgern über 18 mehr digitale Dienstleistungen in ihrer Stadt und Gemeinde. 70 Prozent der Befragten sind dabei davon überzeugt, dass sie durch digitalisierte Dienstleistungen der Behörden Zeit und Geld sparen werden, und in etwa die gleiche Gruppe zeigt sich überzeugt, dass die meisten Behördengänge problemlos digitalisiert werden könnten. Wenn man nur wollte.

Ralf Wintergerst weiß, woran es hapert: „Uns fehlt es oft an Disziplin!“ Es fehle nicht unbedingt an finanziellen Mitteln oder dem technischen Knowhow. Vielmehr ist die deutsche digitale Rückständigkeit eine indirekte Folge des föderalen Prinzips. Es fehlt an Koordination zwischen den Ländern – und im Bund fehlt die ordnende und durchsetzende Hand eines Digitalministeriums, das der Bitkom schon lange fordert. Als Anhängsel des Verkehrsministeriums aber ist das Digitale ein zahnloser Tiger. Dabei lebt die Informationstechnik von der Skalierung: Wo Lösungen mehrfach eingesetzt werden können, reduzieren sich die Aufwände. Das erfährt man schon in betriebswirtschaftlichen Proseminaren.

Und genau hier will der Hightech-Verband Bitkom künftig verstärkt ansetzen, verspricht der neue Präsident Wintergerst. „Digitalisierung ist eine Querschnittsdisziplin“, die nicht nur die Behörden voranbringt, sondern auch die deutschen Schwerpunktindustrien wie Automobilbau, Maschinen- und Anlagenbau, die Chemie und nicht zuletzt den Dienstleistungssektor weiter voranbringen wird. Das gilt auch für die fundamentalen Innovationsprojekte zur Energiewende, zur Nachhaltigkeit oder zur Verbesserung der sozialen Teilhabe und damit zur Stärkung der Demokratie.

Entsprechend selbstbewusst zeigt sich der Bitkom unter der neuen Führung. Zwar ächzen auch die Hightech-Unternehmen unter dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel. Doch gleichzeitig sorgen Künstliche Intelligenz, Cloud Computing und Team-Lösungen für enorme Effizienzgewinne  nicht nur für die Kunden, sondern auch in der Entwicklung und der Beratung. Trotz immer komplexeren Projekten und Programmen, reduzieren sich die Zeiten, in denen neue Lösungen entwickelt, vermarktet und eingesetzt werden.

Mit anderen Worten: Die IT-Industrie ist – anders als andere Branchen – nicht im Krisenmodus. Das gilt auch für mittelständische und kleine Unternehmen. Wenn Behörden mehr Tempo bei der Digitalisierung aufnehmen, wenn mittelständische Unternehmen ihre Innovationskraft in die Modernisierung ihrer Anlagen stecken und wenn im Büro, im Handwerk und in der Produktion mehr Automatisierung durch KI-Systeme möglich gemacht wird, dann läuft es auch mit der Wirtschaftsleistung. Die IT-Industrie hält den Schlüssel für einen „modernen, bürgernahen Staat“, von dem die Bundesinnenministerin sprach, in der Hand. Für Ralf Wintergerst ist es deshalb ein wichtiges Signal an die Politik, wenn er sagt: „Wir brauchen nicht euer Geld, sondern euer Ohr!“

Mit Sicherheit mehr Sicherheit nötig

Was waren das doch für Zeiten, als wir noch Witze machten wie: „Wenn Autos wie Computer wären, würde der Airbag ´Sind Sie sicher?´ fragen, bevor er aufginge.“ Damals galten Personal Computer als nicht ernst zu nehmende Spielerei. Wer etwas auf sich hielt, arbeitete in einer Hochsicherheitsumgebung am Terminal eines Mainframes. Seitdem hat sich einiges geändert: Es gibt mehr Computer als Autos, die inzwischen selbst fahrende Computer sind, und die Automobilbauer investieren Milliarden Euro in eine gegenüber Cyberkriminellen sichere IT-Umgebung fürs Infotainment, autonomes Fahren und Connected Cars.

Und die Frage „Sind Sie sicher?“ hat heute einen ganz anderen, keineswegs komischen Kontext. „Besorgniserregend“ nennt die neue Präsidentin des Bundesamts für Sicherheit in der Informationstechnik, Claudia Plattner, dies in ihrem Lagebericht. Im Zeitraum von Juni 2022 bis Juni 2023 hat die Behörde täglich rund 250.000 neue Varianten von Schadprogrammen und 21.000 mit Schadsoftware infizierte Systeme registriert. Gleichzeitig würden jeden Tag durchschnittlich 70 neue Sicherheitslücken in Deutschland entdeckt. Dem Hightech-Verband Bitkom zufolge entsteht durch Cyberkriminalität ein jährlicher Schaden von über 200 Milliarden Euro. Claudia Plattner sieht deshalb eine neue Behörde als notwendig an, die ähnlich wie das BKA Cyberkriminalität auf Bundesebene bekämpft und dabei Kompetenzen und Rechte besitzt, wie sie das Bundeskriminalamt hat.

Eine wachsende Bedrohung sieht das BSI durch Künstliche Intelligenz. Über KI-Anwendungen könnten Aktivisten und Angreifer immer einfacher Desinformationskampagnen gestalten und verbreiten. Mit sogenannten „Deepfakes“ erstellen sie authentisch wirkende Materialien und versuchen so die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Wird KI zur Programmierung eingesetzt, könnte sich auch die Zahl der Schwachstellen häufen, mahnt das BSI.

Das allerdings lässt sich wohl nur im internationalen Rahmen in Angriff nehmen. Deshalb haben sich diese Woche Vertreter von Unternehmen und Regierungen im britischen Bletchley Park getroffen, um über die globale Sicherheit im KI-Zeitalter zu sprechen. Heraus kam eine gemeinsame Erklärung, die auch die deutschen, US-amerikanischen und chinesischen Vertreter unterzeichneten. Darin heißt es, dass Sicherheitsrisiken von gesellschaftlichem Belang identifiziert und besser bekämpft werden sollten. Der „Aufbau einer jeweiligen risikobasierten Politik in unseren Ländern, um die Sicherheit angesichts dieser Risiken zu gewährleisten“, gehört demnach ebenso zur gemeinsamen Agenda wie das Eingeständnis, dass unsere Ansätze je nach den nationalen Gegebenheiten und den geltenden rechtlichen Rahmenbedingungen unterschiedlich sein können“. Das klingt ziemlich rätselhaft, wenn nicht ratlos.

Denn ob mit dieser Erklärung einem mittelständischen Unternehmen konkret geholfen wird, darf getrost bezweifelt werden. Substantieller dürfte da die Initiative sein, die Microsoft soeben ins Leben gerufen hat. Die Secure Future Initiative soll dazu beitragen, dass gerade durch KI-Hilfe entwickelte Anwendungen höheren Qualitätsstandards genügen, um Angriffen aus dem Cyberspace effizienter zu begegnen. Es sei eine gesellschaftliche Verantwortung, betont Microsofts Präsident Brad Smith. Gerade die Geschwindigkeit, das Ausmaß und die Präzision der letzten Cyber-Attacken verlange eine Antwort. So soll KI bei der Entwicklung dieser Sicherheitsstandards helfen, die einerseits Teil des Microsofts Software-Lebenszyklus werden wird und zum Beispiel Multifaktor-Authentifizierung zum Default-Wert bei neuen Releases werden.

Doch die Sicherheitskonferenz in Großbritannien legt auch die pessimistische Vermutung nahe, dass es keinen Sicherheitsstandard gibt, der nicht mit der entsprechenden Energie geknackt werden kann. Für diese Erkenntnis ist der Bletchley Park eine ideale Standortwahl. Dort enträtselten britische Wissenschaftler und Militärangehörige rund um Turing die deutsche Enigma-Chiffriermaschine und entschieden damit den Seekrieg im Zweiten Weltkrieg für die Alliierten.

Wir brauchen mit Sicherheit mehr Sicherheit. Schon die jetzt seit Tagen in Nordrhein-Westfalen handlungsunfähigen Kommunalbehörden, die nach einem Hackerangriff auf einen Dienstleister offline gehen mussten, zeigen, wie abhängig wir von einer sicheren IT-Infrastruktur sind. Das gilt mit und ohne KI. Solange es „kriminelle Intelligenz“ gibt, werden wir wohl regelmäßig nachrüsten müssen, um die Frage „Sind Sie sicher“ positiv zu beantworten. Und das ist kein Witz.