Kaufen, um zu bleiben

Auf den ersten Blick sieht alles nach mehr Wettbewerb im weltweiten Softwaremarkt aus. Zwar stellen die zehn größten Softwareunternehmen weltweit mit zusammengenommen 171,7 Milliarden Dollar satte 45 Prozent des gesamten Weltumsatzes mit Software-Produkten, wie jetzt die Beratungsgesellschaft PwC auf der Basis der Geschäftszahlen des Jahres 2014 ermittelt. Aber vor zwei Jahren war der Anteil der Top Ten am damaligen Gesamtmarkt mit einem Volumen von 347,7 Milliarden Dollar noch eineinhalb Prozentpunkte höher. Das klingt auf den ersten Blick nicht viel. Doch das Wachstum der besten Zehn lag über die vergangenen zwei Jahre hinweg nur bei durchschnittlich 6,3 Prozent, während die Herausforderer – die Softwareunternehmen auf den Weltrangplätzen 11 bis 100 – fast dreimal so schnell, nämlich mit einer Wachstumsquote von 17,3 Prozent, zulegten. Der Anteil der größten Fünf am Softwareweltmarkt sank sogar von 40,1 Prozent auf 38 Prozent.

Der Einfluss der Großen ist freilich unverändert gewaltig, wenn man sich vor Augen führt, dass folglich in einem Markt, in dem sich mehrere 100.000 Unternehmen tummeln, die Top Five – nämlich Microsoft, Oracle, IBM, SAP und Symantec – immer noch mehr als ein Drittel des Marktes unter sich aufteilen. Aber dieser Einfluss wird nicht mehr durch organisches Wachstum aufrechterhalten, sondern durch massive Zukäufe. Praktisch jeder der Top Ten hat einen Deal in Milliardenhöhe getätigt. Das heißt: Ohne zugekauften Umsatz können die Großen mit dem Markt nicht mehr Schritt halten. Sie sind aus eigener Kraft nicht mehr in der Lage, die Wachstumsoptionen, die der Markt bietet, auf sich zu lenken.

Eine der Ursachen besteht darin, dass die etablierten Global Player offensichtlich nicht die Technologietrends setzen, die das Wachstum des weltweiten Softwaremarktes beflügeln, sondern diesen Entwicklungen hinterherlaufen, bis sie sich das verlorene Terrain zurückkaufen. Sie erwerben Zeit, die sie vorher vertrödelt haben, vermitteln aber den Börsen, wichtige Märkte hinzugekauft zu haben. So ist es nicht überraschend, dass mehr als die Hälfte der Top Ten Späteinsteiger in die Cloud sind. Vor allem Salesforce ist als Newcomer in der Zehner-Riege ein Beweis, dass man mit reinen Cloud-Anwendungen zu den ganz Großen austeigen kann. Auch Intuit hat als Nummer Zehn gezeigt, dass der frühzeitige Turnaround vom Lizenz-Modell zum Cloud-Modell Wachstumspotentiale frei macht.

Kaum ein Unternehmen steht für diese fatale Tendenz beispielhafter als IBM mit seiner langen Reihe von Quartalen mit Umsatzrückgängen und zugekauften Unternehmen. In der Folge hat das Unternehmen in den letzten zwei Jahren seinen zweiten Platz gegen Oracle eingetauscht und liegt jetzt mit 29,2 Milliarden Dollar auf Platz drei. Gleichzeitig zeigt sich, dass IBM erst nach einem langwierigen und umfassenden Strukturumbau wieder mit der Weltspitze mithalten kann: Denn während nämlich für Oracle´s 29,8 Milliarden Dollar Softwareumsatz 77 Prozent seines Gesamtumsatzes darstellen, schafft Big Blue es auf eine Softwarequote von lediglich 31 Prozent.

Den Strukturwandel erleben auch andere Weltkonzerne. Siemens zum Beispiel ist mit seinen Softwareumsätzen auf Platz 16 – und damit vor Google – vorgerückt, während der Elektrokonzern bislang eher in anderen Sparten voranschritt. Ähnlich verläuft die Entwicklung beim Siemens-Konkurrenten General Electric, während der Flugzeugbauer Boeing ebenfalls als Softwareunternehmen in die Top-Riege der größten 100 aufsteigt.

Dies zeigt, dass es nicht nur darauf ankommt, dass man Software macht, sondern auch, was man mit Software macht. Google ist nur deshalb lediglich auf Platz 18, weil die Werbeeinnahmen nicht als Softwareumsatz geltend gemacht werden können. Tatsächlich führt die Digitale Transformation über lange Sicht ohnehin zu einer Trendverschiebung, die sich jetzt bereits deutlich an der Entwicklung der Startups ablesen lässt. Ihr enormes Wachstumspotenzial entwickeln sie nämlich weniger durch Softwareumsätze als durch Umsätze durch Software. Die Digitalisierung der Geschäftsprozesse verlangt immer mehr Software-Skill. Aber das Ziel ist nicht mehr das Softwareprodukt, sondern das damit verbesserte Geschäftsmodell. Softwarehäuser, das beweisen die großen Marktführer Jahr für Jahr, kann man dann ja jederzeit dazukaufen, um im Softwaregeschäft bleiben…

 

Wer bringt das nächste große Ding?

Eigentlich müsste sich Tim Cook genüsslich zurücklehnen. Mit insgesamt knapp zehn Millionen Dollar wurde Apples Vorstandsvorsitzender soeben fürstlich dafür belohnt, dass die iCompany sämtliche der gesteckten Ziele erreicht und ein Rekordjahr hingelegt hatte: 53,4 Milliarden Dollar Reingewinn bei 234 Milliarden Dollar Umsatz! Das ist ein Jahrhundertrekord!

Doch die Börse reagierte unwillig – der Apple-Kurs sank innerhalb von fünf Wochen um 18 Prozent und dümpelt nun um die 100 Dollar-Marke. Der Grund: die neuesten Freischaltzahlen rund ums Weihnachtsgeschäft lassen erkennen, dass sich das Interesse an iPhones verringert, nachdem auch die Verkaufszahlen für die Tablets schon zurückgegangen waren. Womit, so fragt man sich, will Apple im neuen Jahr so viel Geld verdienen, dass es zum Rekordjahr aufschließen kann?

Eine Frage, die Microsofts CEO Satya Nadella für seine Company vielleicht schon im zurückliegenden Jahr beantworten konnte. So gelang der Turnaround bei Windows, das mit der „10“ endlich wieder Kunden und Partner gleichermaßen zufriedenzustellen scheint. Selbst das totgeglaubte PC-Geschäft erlebt gegenwärtig ein zartes Revival. Hersteller wie Lenovo investieren nach eigenem Bekunden heftig in Windows 10-basierte Systeme, weil die Kundennachfrage endlich wieder steigt. Lenovo orientiert sich dabei an Produkten, die das Zeug zum nächsten Industriestandard haben: Microsofts Surface Pro 4 und Surface Book als Mittelding zwischen Tablet und Netbook. Sie bilden auch die Plattform für künftige dreidimensionale Anwendungen, die über den Virtual Reality Spezialisten Havok ins Microsoft-Portfolio kommen sollen. Da mag es verschmerzbar sein, das Microsoft im Smartphone-Segment auch mit Windows 10 keine großen Umsatzsprünge macht.

Die gemeinsame Plattform für all das ist hingegen Microsofts Cloud-Strategie, für die nicht nur direkt um große Kunden geworben wird, sondern indirekt um Partner, die mit Infrastrukturangeboten, neuen Dienstleistungen und zukünftigen Anwendungen nicht nur die Cloud beleben sollen, sondern auch das Windows-basierte Geschäft überall: zuhause, im Büro und auf dem Weg zwischen beiden. Die Börse jedenfalls dankt es – mit einem Kursplus von 18,5 Prozent im vergangenen Jahr. Und seit Nadella am Ruder Kurs hält, stieg die Microsoft-Aktie sogar um 45 Prozent!

Und IBM? Big Blue hält seinen Aktienkurs relativ stabil, weil in Armonk konsequent eigene Aktien zurückgekauft werden. Das senkt die Gefahr – so unglaublich es auch klingen mag –, dass IBM zu einem Übernahmekandidat für Apple, Google oder Amazon werden könnte. Aber warum sollte man sich eine Firma mit zu viel altgedientem Personal und Portfolio ans Bein binden? Darauf gibt es eine einfache Antwort: Watson!

Als Jeopardy-Sieger war der Künstliche Intelligenzbolzen noch eine clevere Spielerei, doch schon mit dem Einsatz als Diagnosehelfer im Medizinumfeld bewies der Watson-Computer seine Ernsthaftigkeit. Jetzt, auf der Consumer Electronics Show in Las Vegas, kündigte IBMs Vorstandsvorsitzende Ginny Rometty nicht weniger als den Beginn eines neuen Computerzeitalters an und untermauerte diesen kühnen Anspruch mit einigen schillernden Partnerschaften. So macht Watson künftig im denkenden Teil des Haushaltsroboters Pepper von Softbank Furore. Die sprachanalytische Komponente soll den kleinen Hausknecht noch besser befähigen, auf Sprachbefehle seiner Familienmitglieder zu hören. Der Sportausrüster Under Armour will mit Watson seine Fitness-Tracker aufpeppen.

Und der Retailer Whirlpool analysiert mit Watson Milliarden von Kundendaten. Für Unternehmen wie Whirlpool soll ein einfach zu bedienendes Software Development Kit zur Verfügung gestellt werden, mit denen Watson in Eigenregie auf die individuellen Anforderungen im Big Data-Segment getrimmt werden kann. Große Datenmengen, wie sie bei der Digitalisierung der Produktionswelten anfallen, sollen Watsons Spezialgebiet werden. Sechs Labors hat IBM dazu weltweit ins Leben gerufen. Dann wären auch Partnerschaften mit den großen Anbietern von Unternehmenslösungen wie SAP oder Oracle nur noch eine Frage der Zeit.

In der Ära des kognitiven Computings wird Watson auf eine Infrastruktur zurückgreifen können, die IBM in 44 Ländern der Erde etabliert hat: hochverfügbare Cloudservices aus Datencentern, die das Number Crunching von der Pike auf gelernt haben. Watson ist bestimmt eines der nächsten ganz großen Dinger. Wem auch immer IBM dann gehören mag…

 

 

Komplizierte Compliance

Die Geschichte ist so klebrig wie eine viel genutzte Türklinke.

“Der Spiegel“ und „Fakt“ hatten Einsicht in den Schriftverkehr zwischen dem Top-Management der SAP und einem internen Prüfer – und berichteten darüber. Das ist die Aufgabe der Medien.

Der Prüfer war mit einem internen Audit rund um die Entwicklung der InMemory-Datenbank Hana befasst, hatte Missstände festgestellt und dem SAP Vorstand berichtet. Das ist die Aufgabe der Prüfer.

Das SAP Management ist der Sache nachgegangen, hat mehr Details und vor allem Beweise verlangt und sich in einem jahrelangen, sich allmählich verhärtenden Dialog mit dem Prüfer auseinandergesetzt. Das ist die Aufgabe des Managements. Ob es diese Aufgabe gut gelöst hat, sei einmal dahingestellt.

Der Mann, der im „Spiegel“ Sebastian Miller ist, ist kein Whistle Blower vom Schlage Edward Snowdens. Der hatte als Motiv für seine NSA-Enthüllungen höhere, ja hehre Ziele und dafür persönliche Verfolgung und Einschränkungen der Bewegungsfreiheit in Kauf genommen. „Sebastian Miller“ hat – ob willentlich und wissentlich ist unklar – über seinen Vater und Anwalt Millionenforderungen an seinen Arbeitgeber gestellt. Das Wort Erpressung steht im Raum.

Und SAP, dessen Gegenwart und Zukunft am weiteren wirtschaftlichen Erfolg der Hana-Architektur hängt? Zunächst einmal gilt die Unschuldsvermutung, auf die jede Rechtsperson – und eben auch Unternehmen – ein Recht hat. Das gilt erst recht, nachdem SAP die unselige Geschichte um die eingestandenen fünf Terabyte heruntergeladener Dokumentationen von Oracle und PeopleSoft schiedlich-friedlich beigelegt hatte. Und konkrete Beweise für eine Verletzung von Urheberrechten Dritter – im aktuellen Fall werden IBM, Oracle, RIM und Teradata genannt – scheinen bislang ohnehin nicht vorzuliegen.

Doch der Weg zur blütenweißen Compliance-Weste ist ohnehin ein schmaler Grat, den einzuhalten ständige Aufsicht über Projekte, Prozesse und Personal verlangt. Wo liegt die Grenze zwischen Inspiration und Konspiration, wenn zwei Technologiefirmen – wie im Falle von Teradata und SAP – über einen optimierten Datenaustausch zwischen zwei Datenbank-Architekturen diskutieren und dabei Schnittstellen, Technologien und Techniken offenlegen? Können Verschwiegenheitsverpflichtungen Mitarbeiter wirklich davor bewahren, eine fremde Idee aufzugreifen und so in die eigene Gedankenwelt zu übernehmen, dass kaum noch zu erkennen ist, wessen geistiges Eigentum hier tatsächlich berührt worden war?

Compliance ist kompliziert – deshalb müssen alle Beteiligten hellwach sein und selbstkritisch das eigene Verhalten prüfen, Regeln aufstellen und ihre Einhaltung überwachen. Aber Compliance ist auch deshalb kompliziert, weil die Grenze zwischen legal und legitim von niemandem vorgezeichnet werden kann. Und Urheberrechtsverletzungen sind in einer digitalisierten Welt noch komplizierter. Dies gilt erst recht, seit im Software-Markt Trivial-Patente für den noch so kleinen Code vergeben werden. Zwischen Kapieren und Kopieren ist da kaum noch eine sichere Demarkationslinie zu ziehen. Das Plagiat beginnt bei falsch zitierten Quellen und endet nicht beim Auskundschaften fremden Datenmaterials.

So wenig konkret die Anschuldigungen sein mögen – so konkret ist der Schaden, den ein Unternehmen aus diesen Vorwürfen ziehen kann. Im aktuellen Fall hat der Prüfer selbst den kumulierten Schaden für die SAP, der sich aus Schadensersatzzahlungen, Strafen und Wertverlust ergeben könnte, auf satte 35 Milliarden Euro beziffert. Ein Horrorszenario für jedes Unternehmen. Der aktuelle SAP-Kurs gibt bereits nach.

Der Mann, der im „Spiegel“ Sebastian Miller ist, hat jetzt schon Geschichte geschrieben. Ob diese Geschichte einmal unter seinem Klarnamen geschrieben werden wird, ist fast schon unerheblich. Es ist die Geschichte, wie kompliziert Compliance ist – und wie leicht ein Vorwurf zur Vorverurteilung werden kann. Das Gerücht ist nun mal schneller als das Gericht.

 

AMD–Another Microsoft Device

History, they say, never repeats itself – except, perhaps, as a farce. That really does seem to be the case. A few hundred Bonnblogs ago we wondered what IBM was going to do with its war chest of around $100 bn and whether Big Blue would be able to catapult itself back into the centre of the IT action by means of acquisitions.

Now that Microsoft has a war chest of around $100 bn the question that constantly arises is which takeovers Redmond has in mind and why they might serve to bring Microsoft back to the centre of the cloud-based IT scene. The day before yesterday Salesforce was seen as a likely candidate for a Microsoft takeover; yesterday it was the microchip manufacturer AMD.

The two companies could hardly be more different.

Salesforce with its cloud-based CRM software is undermining established providers of sales support solutions and securing important sources of revenue. Oracle, SAP and indeed Microsoft are not achieving anywhere near the same growth rates in this market segment. It is a highflyer and there is talk of astronomically high takeover prices. The latest figure to be bandied about was a fabulous $60 billion price tag.

Advanced Micro Devices in contrast supplies the Who’s Who of the IT scene with chips and thereby secures important sources of revenue for them. AMD graphics or computing chips power Apple MacBooks, Sony’s PlayStation and Microsoft’s Xbox too. Yet the industry oldtimer is nonetheless valued most cautiously. The current price tag is a mere $1.26 bn.

That is little more than one per cent of Microsoft’s war chest and, conversely, the sum that Microsoft has to pay AMD annually for its Xbox microprocessors. So Microsoft CEO Satya Nadella could hardly go wrong by acquiring AMD, especially as competitors such as Sony or Apple would then face the alternative of either allowing Microsoft to participate in their business success via AMD or building up totally new supply chains.

But did Satya Nadella not just state in his mail to Microsoft employees that it isn’t a hardware company? Did he not repeat that it is a cloud first, mobile first organisation that has enough on its plate to see its own PC business safely into the cloud? Nadella owes his well-filled war chest to the PC product business, which accounts for 40 per cent of Microsoft sales and three quarters of Microsoft profits. The challenge must then surely be to keep Microsoft’s profitability high despite lower future profit margins from the cloud. What that requires cost reductions and not cost drivers like in-house chip production.

The problem for all established companies that are preparing for the cloud is that they have grown large and fat on an inflow of dollars from the licence business, whereas companies like Salesforce, Amazon or Facebook, which have lived under the cloud from the outset, are lean and streamlined in their positioning. Their partner structure is totally different too and does not rely on the traditional cascade model in which the manufacturer, the consultant and the implementer share the licence cake.

They, in contrast, live on complex and multi-faceted relationships between platform and service, between offerings that strengthen each other and on a market presence that builds up reciprocally. They use the dynamics of the cloud rather than the statics of co-marketing. How difficult this has become for Microsoft is indicated by the latest poll of partners, 25 per cent of whom said that Microsoft was their most important supplier, but 70 per cent see Microsoft merely as an important partner among many. The old binding mechanisms no longer work.

IBM also underwent – and suffered from – this trend. After all of its acquisitions in recent years Armonk has been forced to realise that the company is still the same: IBM. Microsoft too will face the same experience, with or without Salesforce, with or without AMD. Change does not come from without and not by means of acquisitions. The transition to a flawless cloud company can only succeed from within and with products that pass on the company’s own heartbeat and that of its employees.

AMD would otherwise just be Another Microsoft Device. And that would really be money poured down the drain.