Downloads für die Festplatte

Das nächste kalte Buffet kommt von Amazon. Zehn Jahre, nachdem die Dot.com-Blase mit einem lauten Börsenkrach geplatzt ist, kramt Amazon wieder die alten Geschäftsmodelle aus dem Archiv. Nach Büchern und CDs, nach Spielwaren, Möbeln und Kleidung nimmt es der weltweite Marktführer für den Onlineversand nun mit der Königsklasse des Internethandels auf: dem Onlineshop für Lebensmittel.

Die Festplatten und Delikatess-Körbe der Zukunft werden also doch aus dem Online-Handel gefüllt. Was Anfang des Jahrtausends mit vielen, auch regionalen Lieferdiensten begann, endete nach drei Jahren – so lange hielt der Otto-Versand als größter Anbieter hierzulande immerhin durch – in der Selbstaufgabe. Bis heute ist der Marktanteil von online bestellten Nahrungs- und Genussmitteln überschaubar. 75 Millionen Euro wurden zuletzt mit Food aus dem Web generiert. Klingt viel, ist es aber nicht: der Gesamtmarkt an Lebensmitteln im Einzelhandel beträgt 150 Milliarden Euro.

Warum sollte es eigentlich diesmal klappen? Keine Frage: Weil die Logistik schon längst in der Cloud angekommen ist. Waren, die über Online-Kataloge und Webshops bestellt werden, summieren sich inzwischen auf 20 Milliarden Euro jährlich in Deutschland. Die Logistik, insbesondere auf der letzten Meile, hat inzwischen zehn Jahre Optimierungsarbeit hinter sich. Das größte Problem zu Zeiten der Onlineshop-Pioniere war die fehlende Integration zwischen Shop, Lagerverwaltung, Tourenplanung und sowie den Nachverfolgungssystemen (Tracking and Tracing) und dem Rechnungswesen. Das ist im Rahmen von Abertausenden Business-to-Business-Projekten zwischen Herstellern und Logistikdienstleistern inzwischen längst eingespielt. Und auch Amazon ist zehn Jahre schlauer. Das mehrfach prämierte eigene Logistiksystem gilt als durchrationalisiert. Jetzt kann Amazon eine Lieferung am gleichen Tag (zum vereinbarten Termin) zusagen, wenn die Bestellung bis 11 Uhr in den Büchern steht.

Der Coup ist von langer Hand vorbereitet. Seit Anfang Juli werden 35.000 Produkte für Online-Gourmets bei Amazon angeboten, die zusammen mit 60 Lieferanten zusammengestellt wurden. Dabei gestattet sich Amazon durchaus Angebotslücken, um möglichst ausschließlich hochpreisige Waren anzubieten. Im margenarmen Discountgeschäft ist der Lieferservice hingegen noch nicht angekommen. Dafür ist der Serviceaufschlag bislang einfach zu hoch. Doch es gibt Anzeichen, dass sich dies ändern wird.

 Denn auch Hans-Otto Schrader, Vorstandschef der Otto Group, denkt über einen Neustart für Essen und Trinken aus dem Web nach. Es fehlt wohl nur noch an den geeigneten Partnern. Denn auch bei Otto lauert eine ausgeklügelte Logistik auf neue Umschlagwaren.

 Der Vorstoß von Amazon zeigt: die Wolke gewinnt weiter an Substanz. Nach einer Denkpause von einem knappen Jahrzehnt feiert der Frischedienst wieder fröhliche Urständ. In Marktumfragen zeigen sich die Verbraucher immer gegenüber einem Bringdienst für Nahrungsmittel aufgeschlossen. Nur zusätzlich zahlen wollen sie nicht. Der Discount liegt jetzt nicht auf der Ware, sondern auf dem Service. Und genau das ist der Megatrend des Cloud-Computings: alles, was in der Wolke automatisiert werden kann, wird auch automatisiert – und zu Spottpreisen verschleudert.

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