Vom Thick Client zur Thick Cloud

Dort, wo keine Wolken sind, ist der Himmel blau – azurblau. So sehen das die Meteorologen und die Poeten. In Washington verkündete Microsoft jetzt vor knapp 10.000 Partnern eine ganz andere Wettervorhersage: Überall, wo eine Wolke ist, ist auch Microsoft Azure. Genauer: die Windows Azure Platform Appliance. Die Infrastrukturkomponente kann von jedem Cloud-Anbieter ab Jahresende heruntergeladen werden, um im eigenen Rechenzentrum oder in der eigenen Cloud-Infrastruktur die Entwicklungs- und Performance-Funktionen von Windows Azure zu nutzen.

Microsoft bleibt sich treu: Wo früher massenweise CDs ausgeliefert und später Download-Möglichkeiten gewährt wurden, um den Arbeitsplatzcomputer mit Software anzufüllen, werden nunmehr Komponenten bereitgestellt, um die Cloud anzureichern, wo immer sie sich befindet. Und der Erfolg stellt sich allmählich ein: Bereits 10.000 Anwender nutzen inzwischen Microsofts Cloud-Angebote. Und es sollen ganz schnell mehrere Zehntausend werden. In den USA geht Microsoft bereits in die Offensive, um die rund 100.000 kleinen und mittleren Kunden in die Wolke zu treiben. Auch im Basisgeschäft mit Arbeitsplatzbetriebssystemen ist Microsoft längst auf Weg zur Wolke Sieben: rund 1,5 Millionen Kopien von Windows 7 sind seit Oktober vergangenen Jahres verkauft worden. Und von Windows 7 aus weist der Weg direkt in die Wolke.

Mit der Azure-Appliance sucht Microsoft nun einen weiteren Multiplikator. Wo auch immer ein Rechenzentrum steht – egal, ob die Hardware gekauft, geleast oder gemietet wurde –, sollen Windows Azure-Capabilities verfügbar sein. Die Redmonder wollen nicht die eine Cloud für alle, sondern sie wollen die eine Infrastruktur für alle Clouds. Du schaust aus dem Fenster und der ganze Himmel ist azurblau, aber nicht wolkenlos.

Auf der Worldwide Partner Conference (WPC) in Washington D.C. machten die Top-Executivces um Steve Ballmer klar, dass sie sich als holistische Cloudprovider sehen. Als Beweis dient die jüngste Offensive zusammen mit HP, die vor allem auf den SMB-Markt in den USA zielt: Server von HP sollen noch besser mit Systemsoftware von Microsoft verbandelt und gebundeld werden, damit auch Kleinanbieter ihre private Cloud genießen können.

Und schon kommen auch Services aus der Cloud für die Cloud. Unter dem Codenamen „Dallas“ baut Microsoft derzeit eine gigantische, möglichst aktuelle Wissensdatenbank auf, aus der Anwender – wahrscheinlich über ein Abonnement – aktuelle Daten zur Demographie, zum Wirtschaftsgeschehen oder zu politischen Entwicklungen abrufen können. Ein Microsoft-Wikipedia für die Wirtschaft soll da entstehen und Nutzungswerkzeuge für die Integration aktueller Daten in Office- und Cloud-Anwendungen bieten. Microsoft will nicht nur den Service in der Wolke dominieren, sondern auch den Content.

Ob da wirklich jeder Kunde in und hinter der Wolke drauf anspringt? – Wie hieß es früher doch noch – „der Herrgott sieht alles, außer Dallas!“

Ein Gedanke zu „Vom Thick Client zur Thick Cloud“

  1. … selten war MS das erste Unternehmen in einem neuen Markt; oft freuten sich die Gegner schadenfroh darüber, dass der groß Riese diese oder jene Entwicklung verschlafen habe – bislang immer ist es ihm jedoch gelungen jeden Rückstand aufzuholen. Ich drück die Daumen; auch in diesem Feld kann ein bisschen mehr Wettbewerb nur gut tun.

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