Stresstest für Infobanken

Jetzt wissen wir wieder, mit welcher Bank wir Geschäfte machen dürfen – nämlich praktisch mit jeder. Die HRE war ohnehin nicht auf unserem Radarschirm. Der Banken-Stresstest mag als Szenario nicht so komplex ausgefallen sein, wie die Realität – denn wir wissen ja aus der zweiten Ableitung von Murphys Gesetz, dass alles viel schlimmer kommen kann, als man befürchtet -, aber die Simulation hat die wichtigste Währung der Zukunft deutlich gegenüber Dollar, Euro und Yuan aufgewertet: das Vertrauen.

Allerdings hat die Trust-Währung aber auch praktisch zeitgleich einen schweren Schlag hinnehmen müssen, als zum Wochenende der nationale Obermann des Telekommunikationswesens öffentlich über eine Internet-Maut für den Schwerlastverkehr auf deutschen Datenautobahnen nachdachte: Google, Facebook und Konsorten sollen nach den Vorstellungen des Telekom-Chefs künftig Sonderabgaben für die Nutzung des Telekom-Netzes zahlen, wenn sie ihre Infobanken auch künftig an die Überholspur anbinden wollen. Es könne nicht sein, so Obermanns Begründung, dass die Carrier immer heftiger in ihre Leitungen investieren müssen, während die Anbieter, die den Datenverkehr mit ihren Infodaten blockieren, ohne Belastungen ihre Rendite optimieren können.

Das Argument lässt sich nicht so ohne weiteres von der Hand weisen – aber im Zweifel ist doch das Vertrauen in die Freizügigkeit des Internetzugriffs das höhere Gut. Sicher – es ließe sich zwar ohne weiteres verkraften, wenn Deutschlands Pubertisten in ihren sozialen Netzwerken künftig etwas langsamer ihre aktuellen Emotionskoordinaten durchgeben können. Aber je stärker Unternehmen ihre operativen Geschäftsprozesse von Online-Daten und OnDemand-Anwendungen abhängig machen, umso zweifelhafter wäre eine Maut für mehr Performanz im Web. Wenn sich Weltkonzerne beispielsweise künftig einen Wettbewerbsvorteil dadurch erkaufen könnten, dass sie mit einer Abschlagzahlung in Millionenhöhe freie Fahrt im Internet haben, wäre eines der besten Nebeneigenschaften des Internets in der Globalisierung gestört: die Gleichheit von Groß und Klein vor dem Klick. Auch Startups würden in ihren Anfangswochen durch unnötige Zahlungen über Gebühr belastet.

Eine Schutzgebühr für unterbrechungsfreies Business klingt nach Chicagoer Bandenkrieg. Die Telekom und andere Carrier, die ein durchaus berechtigtes Interesse daran haben dürfen, dass ihre Investments in die Leitung auch als Leistung honoriert werden, sollten nicht in die Trickkiste des vergangenen Jahrhunderts greifen. Denn umgekehrt stimmt das Bild ebenfalls: erst die Nachfrage nach Datenleitungen sichert das Geschäftsmodell der Telekom. Der Internet-Nutzer ist Kunde und nicht, wie es im Postbeamtendeutsch vor einem Vierteljahr noch so unselig hieß: Teilnehmer.

Die Cloud fördert neue Geschäftsmodelle, die sich nicht aus Maut-Gebühren und Erste-Klasse-Tickets zusammensetzen, sondern aus kooperativen Wertschöpfungsmodellen. Richtig angepackt, sind es vor allem diese wolkenreichen Geschäftsmodelle, an denen die Telekom-Carrier verdienen werden. Sie sind selbst bestens gerüstet für das OnDemand-Business. Sie haben es gar nicht nötig, OnDemand-Konkurrenten jetzt durch eine Strafsteuer schlechter zu stellen. Dieser Stresstest hätte nur Verlierer. Wir brauchen nicht nur eine Finanzmarktreform, sondern auch eine Webmarktreform – aber das sollte kein Rücksturz in die Zeit der Postgebühren sein.

Ein Gedanke zu „Stresstest für Infobanken“

  1. ….die spinnen, die Römer….hieß es einst bei Asterix.
    …die spinnen, die bei der Telekom, so heißt es für mich heute.
    Eine unsägliche Entscheidung/Überlegung nach der anderen.
    Wehret den Anfängen!
    Genau so ein Unsinn wie der e-post Brief für o,56 Euro.
    Wo leben wir eigentlich?

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