Brüderle und Schwesterle am Arbeitsmarkt

Deutschland, deine Zuwanderer – ein Dauerthema, hoffentlich. Denn längst ist klar, dass angesichts der demographischen Entwicklung Wohlstand und Wachstum dauerhaft nur mit Hilfe aus dem Ausland geschafft werden können. Fast 50.000 offene Arbeitsplätze, die von Fachkräften aufzufüllen wären, zählte allein die IT-Industrie in Deutschland – vor der Wirtschaftskrise. Und inzwischen nähert sich die nach oben offene Skala ganz allmählich wieder diesem Wert. Im Maschinenbau, im Automobilbau, in der Pharmaindustrie und ganz bestimmt bei Biotech-Companies ist der Trend ähnlich.

Nichts liegt näher als nun nach neuen Konzepten für gelockerte Einwanderungsbestimmungen zu rufen. Wirtschaftsminister Brüderle preschte am Wochenende vor, dicht gefolgt von Bildungsministerin Schavan, die ebenfalls den Forschungsstandort Deutschland vor dem intellektuellen Austrocknen sieht. Aber ebenso folgerichtig meldete sich am Montag Arbeitsagenturchef Weise, um daran zu erinnern, dass auch deutsche Fachkräfte zu ihrem Recht kommen sollen. Noch immer, so warnte Weise, steckten gut qualifizierte Männer und Frauen in der Arbeitslosigkeit fest, ohne dass ihnen eine reelle Chance auf Beschäftigung gewährt werde. Und nicht zuletzt: bekommen Frauen zu wenig Gelegenheit, ihr volles Potenzial abrufen, weil die deutsche Infrastruktur für die Kinderbetreuung unzureichend sei.

Alles richtig und zugleich alles falsch!

Mehrere 100.000 Fachkräfte aus der EU, Nord- und Südamerika und zunehmend aus Asien werden in deutschen Unternehmen beschäftigt – nur nicht unbedingt in Deutschland. Firmen wie Daimler und Siemens sind auch im Personalbüro längst in der Globalisierung angekommen. Die deutsche SAP leistet sich eine nicht-deutsche Doppelspitze und setzt damit international ein Signal der Weltläufigkeit. Aber viele dieser Arbeitsplätze befinden sich nicht in einer deutschen Niederlassung, sondern in den internationalen Büros.

Es wäre vor allem der Mittelstand, der von einer Initiative profitieren würde, die eine Lockerung der Einwanderungsbestimmungen für den Standort Deutschland zum Ziel hätte. Die Senkung der Mindesteinkommensgrenze beispielsweise oder eine familienfreundlichere Regelung für Angehörige wären bereits wichtige Schritte zur Verbesserung der Situation.

Aber der wesentliche Impuls muss von den Unternehmen selbst kommen. Versteckter oder auch unverhohlener Chauvinismus, der sich nicht gerade selten vor allem in kleineren, regional gefärbten Belegschaften zeigt, ist nicht unbedingt ein Imagefaktor für den Standort. Fehlende Langzeitperspektiven für Spitzenkräfte, die Aberkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen und die mangelhafte Durchlässigkeit in der Gesellschaft lassen sich nicht allein mit Gesetzesänderungen beheben. Deshalb ist es richtig, zunächst nach einem gemeinsamen Konzept von Wirtschaft und Politik zu rufen – und dabei die Gesellschaft und ihre Integrationskräfte nicht zu vergessen.

Es klingt absurd, aber der Exportweltmeister muss weltoffener werden! Wenn Waren und Werte um die Welt wandern, werden Wissen und Weltläufigkeit zur zentralen Qualifikation. Wir sollten unsere Nachwuchskräfte stärker ermuntern, Erfahrungen im Ausland zu sammeln und später hierzulande anzuwenden. Und wir müssen von unserer Gesellschaft erwarten, dass im Ausland gewonnene Erfahrungen auch hierzulande Anerkennung finden können.

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