Eine Billion Argumente für die Cloud

Der Vertriebsmann war perplex. Soeben hatte er dem weltweiten Konzern einen satten siebenstelligen Nachlass angeboten, um dessen Entscheidung für eine weltweite Einführung des neuen Betriebssystems zu beschleunigen, und die Antwort des Chief Information Officers lautete immer noch „Njet!“. Zwar würden durch das freundliche Sonderangebot die Lizenzkosten um ein Viertel sinken. Aber das Entscheidende sei nicht die Investition in die Software, sondern die Kosten des Einführungsprojekts: inklusive Personalaufwänden bei der Installation, Schulung der Mitarbeiter und Produktivitätsverlust in der Anlaufphase kämen auf das Unternehmen Aufwände zu, die die Lizenzgebühren bei weitem übersteigen würden. – „Kommen Sie beim nächsten Release wieder“, sagte der CIO noch freundlich. Als der Sales-Typ bereits an der Tür war, hörte er noch „oder beim übernächsten.“.

Nicht der Einkauf von Software ist teuer, sondern der Einsatz. Eine Studie von IDC aus der Zeit vor der Lehman-Pleite ermittelte unter 200 Konzernen einen durchschnittlichen Einrichtungsaufwand pro PC-Arbeitsplatz von 527 Dollar, während die Kosten für Hardware und Software lediglich zwischen 100 und 160 Dollar jährlich liegen. Der Löwenanteil von 85 Prozent geht dabei für das IT-Personal drauf, während der  eigentliche Anwender durch Arbeitsausfall, individuelle Einrichtung und Lernen einen Kostenfaktor von rund 50 Dollar (etwa 10 Prozent) darstellt. Die Logistik frisst noch einmal 5 Prozent.

Kein Wunder, dass Anwenderunternehmen weltweit in der mit der Lehman-Pleite einsetzenden Weltwirtschaftskrise vor allem bei den Deployment-Kosten den Rotstift ansetzten. Die Investitionen in neue Hardware und Software wurden nicht verschoben, weil der Preis für die Anschaffung zu hoch war, sondern weil die internen Kosten eingespart werden sollen. Das war ein wichtiger Beitrag zum Überleben für die Unternehmen, die von der Absatzkrise besonders betroffen waren. Allerdings war es auch eine der Ursachen dafür, dass die Finanzkrise so stark in die Realwirtschaft durchschlug.

Wie stark der Rotstift regiert hat, hat jetzt die Gartner Group ermittelt. Sie kommt in einer Studie auf einen weltweiten Rückstau von 500 Milliarden Dollar, den Unternehmen zusammengenommen in die Hand nehmen müssen, um ihre Anwendungen auf den neuesten Stand zu bringen.  Der Nachholbedarf summiere sich bei Großunternehmen inzwischen bis zum Systemrisiko.

Dabei hat Gartner selbst offenbar kaum Hoffnung, dass die „IT Verbindlichkeiten“ nach einem Jahrzehnt knapper Budgets überwunden werden können, denn die Prognose für die kommenden fünf Jahre könnte düsterer kaum sein: der Rückstau könne sich auf ein Volumen von 1000 Milliarden Dollar verdoppeln.

Eine Billion Dollar, die Anwenderunternehmen vom neuesten Stand der (Software-) Technik trennen, könnten bis 2015 auch eine Billion Dollar an entgangenem Umsatz für die IT-Industrie sein. Dabei haben Softwarehäuser längst den Turnaround angesichts hoher und wohl nicht mehr einkassierbarer Deployment-Aufwände eingeleitet. Das Deployment sollen Anwender den Softwarehäusern überlassen, schlagen sie vor. Das Geschäftsmodell heißt Cloud Computing.

Ob SAP, Microsoft oder Oracle, ob IBM, HP oder Fujitsu, ob T-Systems oder BT – alle basteln an der Anwenderplattform der Zukunft, auf die die Anwender weltweit OnDemand zugreifen. Deployment-Kosten? – nur noch bei der Versorgung der Anwendungen mit Daten und der Anpassung von Geschäftsprozessen. Neue Software-Releases? – spielt der OnDemand-Anbieter ein? Neue Arbeitsplätze? – in der Cloud wird alles leicht und locker.

In der Tat: OnDemand-Anbieter haben ihre Miet- oder Nutzungsmodelle bislang immer gegen die Investitionen gerechnet, die mit dem Kauf von Hard- und Software verbunden sind. Jetzt haben sie bis zu einer Billion Argumente mehr. Deployment führt im OnDemand-Business zu Employment.

Ein Gedanke zu „Eine Billion Argumente für die Cloud“

  1. Schöner Beitrag mit neuem Wind auf das Thema Cloud Computing vor dem Hintergrund der erwartbaren Kostensenkungen.
    Aber die Realität zeigt, dass die Einführung von Cloud Computing nicht ganz so günstig und einfach ist, wie meist postuliert. Auch hier lauert noch der eine oder andere versteckte Kostenposten, über den man sich im Vorfeld klar werden sollte.

    Gruß
    Martin Reti

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