Diese Woche steigt wieder der Digital-Gipfel – diesmal mit Dortmund als Austragungsort. Und lange Zeit schien es absehbar zu sein, dass der Gipfel selbst und nachher seine Aufarbeitung nach dem sattsam bekannten Prinzip ablaufen würden. Viel Aufbruchsstimmung, wenig Konkretes und vor allem: Symbolpolitik. Vom digitalen Wandel über Industrie 4.0 zu Schulcomputern und künstlicher Intelligenz folgte die Befassung mit den Schwerpunktthemen der Zeit bisher immer nach der gleichen rituellen Rhetorik: „Ja, das ist wichtig“; „ja, wir haben die Zeichen der Zeit erkannt“; „ja, das sind unsere Leuchtturmprojekte“; „ja, aber erst einmal Grundlagenforschung“, „denn nein: das ist schwierig, schwierig“.
Wo andere Länder einfach machen, verlegt sich Deutschland darauf, sich Gedanken zu machen, denen oft, zu oft, keine Taten folgen. Das hat Folgen: alle zwei Jahre, so betonte Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder gegenüber dem Hessischen Rundfunk wird Deutschland im EU-Vergleich bei der digitalen Infrastruktur einen Platz weiter nach hinten durchgereicht. Und beim eGovernment, der digitalen Ausstattung der Behörden, werden nur noch drei EU-Länder schlechter bewertet als die Bundes- und Landesbehörden.
Ebenso tragisch ist die Situation in der KI-Forschung: vor gut drei Jahrzehnten wurde das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) gegründet, das heute mit 1000 Mitarbeitern (knapp die Hälfte davon sind studentische Hilfskräfte) zur größten Forschungseinrichtung für KI in der Welt gewachsen ist. Denn zwar sind in den letzten 30 Jahren immerhin 90 Spin-offs aus dem DFKI hervorgegangen, die zusammen 3000 Arbeitsplätze geschaffen haben. Doch die großen KI-Unicorns und Digitalkonzerne entstanden anderswo – vor allem in den USA und China.
Es ist ja nicht so, als würde es Politik und Wirtschaft am guten Willen fehlen. Aber am Ende heißt es doch zu oft: „Schwierig, schwierig!“ Bedenkenträger und Entscheidungsträger stehen sich zu oft im Wege. Allein 1000 Anträge auf die Errichtung von Funkmasten für die flächendeckende Versorgung mit Mobilfunk werden derzeit nicht beschieden, weil die Behörden entweder überfordert sind oder Bürgerinitiativen nach dem St-Florians-Prinzip die Sender vor der eigenen Haustür ablehnen.
Sollte nun das Projekt Gaia-X ein anderes Schicksal erleiden? Gemeint ist die Idee einer deutschen, respektive europäischen Cloud, in der sich Unternehmen sicher vor den Ausspähungen dunkler Mächte fühlen können – seien es staatliche Lauschbehörden oder wirtschaftskriminelle Hackerorganisationen mit halbstaatlichem Background. Aus dem Bundeswirtschaftsministerium ist in der Tat Unerhörtes zu hören: Gaia-X ist rechtzeitig zum Digital-Gipfel in einem knapp 50 Seiten starken Papier durch Politik und Wirtschaft aus der Taufe gehoben worden. Gaia-X soll nicht unbedingt ein zusätzlicher Cloud-Provider werden, der zunächst den technischen und wirtschaftlichen Rückstand gegenüber den Hyperscalern wie Amazon, Microsoft, Google, Deutsche Telekom, IBM oder Alibaba aufholen müsste. Gaia-X soll vielmehr einen Qualitätsstandard für die Speicherung von Daten in der Cloud erheben, der Unternehmen unter anderem Sicherheit vor dem Zugriff durch den US-amerikanischen „Cloud Act“ gewähren soll.
Mehr noch: die deutsche, im angestrebten Zusammenspiel mindestens mit Frankreich auch europäische Datencloud, soll zugleich Basis einer KI-Initiative werden, auf der Unternehmen Daten auch untereinander austauschen können, um so größere oder spezialisierte Datenpools für KI-Analysen zu erzeugen. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier spricht schon von einem künftigen „KI-Airbus“ – also einem „AI-Bus“, der den Rückstand bei der praktischen Umsetzung von künstlicher Intelligenz in allen Lebensbereichen aufholen helfen soll.
Weil Gaia-X nicht in den Wettbewerb zu den Cloud-Providern treten soll, sollen auch die bestehenden amerikanischen und chinesischen Hyperscaler eingeladen werden. Anwender werden dann weiterhin ihre Verträge mit den Anbietern machen, die sich jedoch unter dem Gaia-X-Standard zur besonderen Datenintegrität verpflichten. Wie das mit dem amerikanischen „Cloud Act“ verbunden werden kann, muss wohl noch „ausgeschnapst“ werden.
Das alles klingt noch ein wenig diffus und bedarf noch zahlreicher Diskussionen und Erläuterungen. Das wird sicher auf dem Dortmunder Digital-Gipfel geschehen, der dieses Jahr unter das Thema „digitale Plattformen“ gestellt ist. Gaia-X könnte dann so etwas wie die Plattform der Plattformen sein. Bislang aber ist das Projekt nur ein Papiertiger. Es besteht durchaus die Gefahr, dass nach dem Dortmunder Digital-Gipfel das Schicksal der Vorgänger-Initiativen droht: erst Euphorie, dann Symbolpolitik und schließlich: „Schwierig, schwierig!“
Ein Gedanke zu „Schwierig, schwierig!“