200126 Davos

Da wo´s hilft!

Das World Economic Forum in Davos war einmal ein globaler Trendsetter. Was hier von größtenteils älteren weißhäutigen Männern besprochen wurde, bestimmte daraufhin die Agenda rund um die Welt. Dabei stand die Ökonomie im Mittelpunkt – und aus dieser Perspektive wurden gesellschaftspolitische Themen interpretiert und globalpolitische Krisen gemeistert. Im Glauben an Wohlstand durch Wachstum hat Davos die Welt geeint – zumindest für vier Tage im Januar.

Das ist seit diesem Jahr anders. Es ist ja nicht ausschließlich Greta Thunberg, die dem Weltwirtschaftsforum die Klimadebatte aufnötigte. Es ist der Planet Erde, der dieses Problem auf die Agenda setzt. Und viele nachdenklich gewordene Wirtschaftsführer haben nicht die Tage im 1500 Meter hoch gelegenen Schweizer Skiort abgewartet, um ihre Klimastrategie vorzustellen, sondern Wochen und Monate vor dem Gipfel Initiativen angekündigt – überall da, wo´s hilft. Siemens, Bosch, Continental oder die KfW gehören dazu.

Und nur wenige Tage vor dem World Economic Forum haben Microsofts Präsident Brad Smith und CEO Satya Nadella ihren selbst gesteckten Anspruch verkündet, nicht nur klimaneutral, sondern CO2-negativ werden zu wollen. Microsoft will mit einem eine Milliarde Dollar schweren Innovationsfonds dazu beitragen, dass der Umwelt Kohlendioxyd entzogen werden kann. Die Sünden der Vergangenheit sollen also nicht nur gesühnt, sondern ungeschehen gemacht werden.

Auch wenn das meiste erst Ankündigungen sind, denen Taten noch folgen müssen, ist dabei schon mehr herausgekommen als in Davos. Der „Zauberberg“ hat seinen Zauber verloren. Nicht nur, aber auch, weil der US-Präsident das Gipfeltreffen nutzte, um seinen persönlichen Wahlkampf zu starten.

Die Klimadebatte überlagerte alles in Davos, obwohl so viel Diversität geübt wurde, wie noch nie: Integration, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit, Vertical Farming, Quantencomputer, fossilfreie Investments, Steuergerechtigkeit, Inklusion oder „Me too“. Doch es gibt keine zentrale Botschaft, die von Davos ausgeht – weder zur Umwelt, noch zur Gesellschaft oder Wirtschaft und Technologie. Dabei hätten allein die rund 120 Milliardäre, die laut Bloomberg angereist waren, Weltbewegendes vereinbaren können. Doch sie, so scheint es, engagieren sich nicht mehr in Davos, sondern da, wo´s hilft.

Dabei hätte dem World Economic Forum ein Weckruf an die Welt gut getan. Einen „Last Call“ hat dagegen, weitab von Davos, Bitkom-Präsident Achim Berg ausgerufen. „Ob Wirtschaft oder öffentlicher Sektor: Die digitale Welt ist in Bewegung, und Deutschland hält nicht Schritt.“ Die Digitalstrategie 2025 spannt den großen Bogen von Energiewende durch Smart Grids, CO2-Einsparungen durch Mobilitätsdienste oder Wiederaufforstung durch Drohnen. Bereits jeder zweite Bundesbürger glaubt, dass die Digitalisierung im Kampf gegen den Klimawandel helfen kann.

Man muss es nur wollen. Doch es fehlt, so beklagt Achim Berg, eine aktive Digitalpolitik aus einem Guss. Doch statt sich aufs Klagen zu verlegen, liefert der Bitkom konkrete Handlungsempfehlungen in den Kapiteln „Digitale Gesellschaft“, „Digitale Wirtschaft“ und „Digitaler Staat“. So fordert der Hightech-Verband unter anderem ein Forschungsinstitut „Berufe mit Zukunft“, über das Jugendlichen bisher unbekannte, aber zukunftsorientierte Berufszweige nähergebracht werden sollen. Tatsächlich zeigte eine soeben veröffentlichte OECD-Studie, dass Jugendliche sich an traditionelle Berufe klammern, während die durch Digitalisierung, künstliche Intelligenz oder 3D-Druck beeinflussten Jobs unbeachtet bleiben.

Und auch die umweltorientierten Berufe bleiben weitgehend unbeachtet. Dabei wäre es angesichts der Herausforderungen bei Klima, Digitalisierung, Gesundheit und Gesellschaft überlebenswichtig, dass wir Berufe dort schaffen, wo´s hilft. Das wäre auch eine Aufgabe für das World Economic Forum im kommenden Jahr.

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