200217 Bezos

Rückschlag der Jedi-Richter

Wenn das US-amerikanische Verteidigungsministerium eine Technologie-Entscheidung trifft, verändert das meist die gesamte Welt. So war es Ende der Sechziger Jahre, als das Pentagon feststellte, wie anfällig die eigene, zentralistische Kommandostruktur ist. Damals wurde ein nicht-hierarchisches Netz der Netze in Auftrag gegeben, aus dem schließlich unser Internet wurde. Und als während des Irakkriegs alle Satelliten für das amerikanische Global Positioning System (GPS) auf den Krisenherd gerichtet waren, versagten unsere zivilen Navigationssysteme, weil sie nicht mehr scharf sehen konnten. Und jetzt will das Pentagon unter dem Projektnamen Jedi (Joint Enterprise Defense Infrastructure) seine komplette Kommandostruktur neu vernetzen und in die Cloud verlagern, wobei KI-gestützte Technologien und Services entwickelt werden, die unser Verständnis von Cloud Computing revolutionieren werden.

Die Vergabe des zehn Milliarden Dollar schweren Projekts an Microsoft im vergangenen Oktober hatte auch das Potenzial, die Machtverhältnisse im Markt für Cloud Computing komplett zu drehen. Denn Amazon ist mit Amazon Web Services souveräner Marktführer im Cloud Business, während Microsoft mit seiner Azure-Plattform und den Cloud-Angeboten Office 365 und Dynamics 365 schneller wächst als die Konkurrenz. Der Zehn-Milliarden-Dollar-Deal würde den Abstand zwischen beiden Anbietern sowohl bezogen auf Umsatz als auch auf Innovation verringern, wenn nicht gar umkehren. Doch jetzt hat ein US-Gericht angeordnet, dass Microsoft solange nicht mehr an dem Projekt weiterarbeiten darf, wie die Kriterien und Entscheidungen, die zur Vergabe an Microsoft geführt haben, nicht überprüft sind. Denn die Annahme, dass bei der Vergabe im vergangenen Oktober nicht alles mit objektiven Mitteln zugegangen sein könne, ist Gegenstand der Klage, die Amazon nach der Entscheidung erhoben hat.

Nicht nur sieht sich Amazon unverändert als Markt- und Technologieführer, der den Auftrag eigentlich hätte erhalten müssen. Auch die mutmaßliche Einflussnahme von US-Präsident Donald Trump soll jetzt nach dem Wunsch von Amazon überprüft werden. Der Präsident führt seit langem eine Privatfehde gegen Amazon-Chef Jeff Bezos, in dessen Besitz sich die regierungskritische Zeitung Washington Post befindet. Angeblich soll Trump gefordert haben, dass weder Jeff Bezos noch eine seiner Firmen jemals mehr Regierungsaufträge erhalten sollen. Als Klägerin ist sich Amazon über diesen mutmaßlichen Zusammenhang sogar so sicher, dass sie den US-Präsidenten nun unter Eid zur Aussage zwingen will. Es mutet an wie ein „Impeachment Teil II“.

Unabhängig davon, ob dieser Verdacht zutrifft und tatsächlich andere als objektive Gründe für die Vergabe an Microsoft bestanden, haben die Jedi-Richter im zuständigen US-Bundesgericht jetzt zumindest die Arbeiten am Cloud-Projekt auf Eis gelegt. Es sei gängige Praxis, erklärte eine Sprecherin, so lange nicht weiter Tatsachen zu schaffen, wie die offenkundigen Sonderbarkeiten rund um die Vergabe nicht aufgeklärt seien.

Wenn sich die nun anstehende Untersuchung tatsächlich auf eine Fehde zwischen Bezos und Trump reduzieren würde, wären sowohl Microsoft, als auch das Pentagon die eigentlichen Leidtragenden. Denn Microsoft hat nicht nur bereits erhebliche Vorinvestitionen zum Beispiel in Personal getroffen, sondern dem Pentagon fehlen nun auch wichtige, bereits eingeplante Ressourcen bei der Umsetzung des Projekts. Jede Verzögerung jetzt führt zu einer Verzögerung später.

Dabei stand das Projekt schon seit seiner Ankündigung im Jahr 2018 unter einem dunklen Stern. Google beispielsweise hatte sich früh aus dem Wettbewerb zurückgezogen, weil man ethische Komplikationen kommen sah. Oracle und IBM waren im vergangenen Jahr ausgeschieden, weil sie angeblich die gesetzten Voraussetzungen nicht erfüllten. Oracle hatte gegen diese Entscheidung bereits geklagt – allerdings vergeblich. Immerhin wurde dadurch die Vergabe um ein Vierteljahr verzögert. Jetzt also klagt Amazon.

Auch innerhalb von Microsoft ist das Jedi-Projekt nicht unumstritten. In einem offenen Brief hatten sich Mitarbeiter gegen die Beteiligung an dem militärischen Cloud-Projekt ausgesprochen. Microsofts CEO Satya Nadella hatte darauf eben so offen geantwortet: man könne nicht denen, die die Demokratie verteidigen, die best-verfügbare Technologie verweigern. Das hat allerdings jetzt – zumindest vorübergehend – der Rückschlag der Jedi-Richter bewirkt. Es bleibt das dumpfe Gefühl, dass auch nach einer Überprüfung der Vergabekriterien keine Ruhe einkehren wird. Schon im Sommer hatte ich in einem Blog zum Jedi-Projekt spekuliert, dass am Ende das Projekt zwischen Amazon und Microsoft aufgeteilt werden wird. Das wäre so ungewöhnlich nicht, da Multi-Cloud-Lösungen offenbar für immer mehr große Projekte der Königsweg sind. Und schließlich besagt die Jedi-Weisheit: „Immer zu zweit sie sind!“

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