201214 Weihnachtsmann

Erzähl keinen vom Weihnachtsmann…

Wer mit den Mythen des christlichen Abendlandes vertraut ist, weiß, dass der Weihnachtsmann eigentlich mit dem Nikolaus identisch ist. Aber anders als der Nachfolger des Bischofs von Myra entstammt die Gestalt des „Saint Nick“ keiner uralten Heiligenlegende, sondern dem Gedicht „A visit from St. Nicholas“, eher bekannt unter seiner ersten Textzeile „´twas the night before Christmas“, in dem der Wichtel mit rotweißem Fellmantel und drolliger Schnapsnase 1823 erstmals beschrieben wurde. Der Mann auf dem Rentierschlitten reklamiert also inzwischen zwei Megaevents des Jahres für sich, die eigentlich einmal gemeinfreies Gut, also Open Source waren: Nikolaustag und Weihnachten – und das unter zwei unterschiedlichen Markennamen.

Das ist kartellrechtlich im Grund schon durchaus bedenklich, denn das Christkind – das ja eigentlich Jesus ist, aber immer von einem Mädchen dargestellt wird – muss sich inzwischen dieser Marktmacht beugen. Ältere Rechte schützen halt nicht vor schlechtem Marketing. Nicht das Christkind fährt den mächtigen Coca-Cola-Truck, sondern der Weihnachtsmann, beziehungsweise Saint Nick.

Hinzu kommt ein Verstoß gegen das Datenschutzrecht. Denn der Nikolaus hat in seinem Buch alle guten und bösen Taten der Menschenkinder verzeichnet – und rechnet aufgrund dieser Datenbasis am Nikolaustag mit der Menschheit ab. Dabei kommt erschwerend hinzu, dass die Menschen ihre Verfehlungen nicht nur selbst zu Protokoll geben. Vielmehr wird die Datenbasis auch über Dritte gesammelt – Engel und Wichtel zum Beispiel, die zum Weltkonzern „Heaven Corp.“ gehören, aber nicht explizit als solche auftreten. Das rechtfertigt neben der datenschutzrechtlichen Würdigung auch die Einleitung eines weiteren Kartellverfahrens wegen Marktmissbrauchs.

Auch bei Theodor Storm ist bereits diese bedenkliche Verquickung unterschiedlicher Konzernteile nachzulesen: da erkundigt sich das Christkind bei Knecht Ruprecht über von Dritten erhobene, eigentlich geschützte personenbezogene Daten, die dann auch munter, wenn auch anonymisiert ausgeplaudert werden. Ebenfalls bedenklich ist die Tatsache, dass die Betroffenen weder die Möglichkeit zur Dateneinsicht haben, noch ein Recht auf Löschung durchsetzen können. Sie müssen diesem Datendeal zwangsweise zustimmen, wenn sie in den Genuss des ansonsten kostenfreien Weihnachts-Services kommen wollen.

Nicht anders verhält es sich bei Facebook und den Konzernteilen WhatsApp und Instagram, weshalb jetzt nahezu alle US-Bundesstaaten und die Antitrust-Behörde eine erste Klageschrift aufgesetzt haben. Auch in Deutschland regen sich die Markthüter, weil sie in der Tatsache, dass Nutzer für die zum Facebook-Konzern gehörende VR-Brille Oculus einen Facebook-Account benötigen, einen klaren Missbrauch der Marktmacht sehen. Und ganz ähnlich sind auch die Vorwürfe gegen Amazon gelagert, wo ebenfalls aus unterschiedlichen Konzernteilen und Produktangeboten Daten gesammelt und zu einem umfassenden Userprofil zusammengesetzt werden. Ob die Verfahren gegen beide tatsächlich zu einer Zerschlagung der Konzerne führen werden, darf getrost bezweifelt werden. Und auch der Versuch, die Datenbeziehungen zwischen Facebook, Instagram und WhatsApp zu kappen, dürfte kaum von Erfolg gekrönt sein. Allenfalls nutzt Facebook künftig einen Umweg, um die Daten in seinem großen Buch zu sammeln.

Es ist die Crux der vertikal integrierten Konzerne, wie wir sie seit Nelson Rockefellers Standard Oil kennen. Die Integration ganzer Prozessketten von der Ölexploration bis zur Tankstelle, von der Barrel-Produktion bis zur Herstellung von Öllämpchen war lange Zeit segensreich und brachte die junge Petrochemie überhaupt erst zur vollen Blüte. Auch bei Facebook und Amazon waren (und sind) die Synergieeffekte einer vertikalen Integration zunächst einmal vorteilhaft. Es ist nun Mal einfacher, sich mit seinem Facebook-Account bei Drittanbietern anzumelden. Solange dies freiwillig geschieht, ist dagegen auch nichts einzuwenden.

Man kann es durchaus als Grundgesetz des Kapitalismus ansehen, dass sich komplette Wertschöpfungsketten innerhalb eines vertikal integrierten Konzerns schneller bilden und dadurch neuen Geschäftsmodellen zum Durchbruch verhelfen. Aber diese Konzerne neigen irgendwann dazu, den innovativen Wettbewerb wegzubeißen oder wegzukaufen. So konnte IBM mit ihrem Mainframe-Monopol lange Zeit die Entwicklung anderer IT-Infrastrukturen verhindern. Microsoft benachteiligte im eigenen Betriebssystem die Webbrowser von Konkurrenten. Amazon stellt die Produktangebote seiner eigenen Kunden schlechter als die eigenen Konkurrenzprodukte – so jedenfalls der anhängige Kartellvorwurf.

IBM und Microsoft konnten – anders als Standard Oil – die Zerschlagung ihrer Konzerne verhindern, weil sie Strafzahlungen akzeptierten und vage Zugeständnisse machten. Es ist nicht zu erwarten, dass es jetzt bei Facebook und Amazon anders laufen wird. Wer an die Macht der Kartellbehörden glaubt, glaubt wohl auch noch an den Weihnachtsmann.

 

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