220808 ZIM

Keine Innovation ohne Transpiration

Sie ist wieder da, die Mittelstands-Innovationsförderung ZIM der Kreditanstalt für Wiederaufbau. Nachdem ein rundes Vierteljahr lang keine Anträge auf der Internetseite des Zentralen Innovationsprogramms Mittelstand des Bundes eingereicht werden konnten, läuft der Bewilligungsprozess seit letzter Woche wieder an. Ob es tatsächlich einen Antragsstau gab oder ob die ZIM-Pause ohnehin in eine Zeit der Förderflaute gefallen war, wurde bislang nicht untersucht. Tatsächlich aber hält der Mittelstand sein Portemonnaie zugeknöpft und schnallt den Gürtel enger.

Die Gründe sind sattsam bekannt: Explodierende Preise für Energie und andere Rohstoffe, die wiederum eine galoppierende Inflation befeuern; gesprengte Lieferketten und einbrechende Märkte in China und – aufgrund der Sanktionen – in Russland. Und nicht zuletzt fehlt es im Mittelstand an einem der wichtigsten Rohstoffe für den Innovationsstandort Deutschland: Köpfe, aus denen die Ideen für Morgen entspringen. Und alle diese Herausforderungen haben irgendwie irgendwas mit nachhaltigem Wirtschaften angesichts einer erschöpften Erde zu tun. Da kann man in der Tat ins Schwitzen kommen. Aber ohne Transpiration keine Inspiration.

Und darauf folgen Innovationen, die sämtlich nicht bahnbrechend und epochal sein müssen, aber jeden einzelnen mittelständischen Betrieb ein kleines Stück voranbringen. Deshalb rechnet die KfW auch mit einer deutlichen Antragsflut bei der ZIM-Förderung. Und das, obwohl die Bedingungen nach dem Pausenpfiff deutlich verschärft wurden: Die Frist zwischen zwei Anträgen pro Unternehmen wurde auf zwei Jahre verlängert.

Auch wenn der Bund die Mittel für die ZIM-Förderung 2023 ausweislich des Haushaltsentwurfs erhöhen will, erscheint die Fristverlängerung auf den ersten Blick kontraproduktiv. Denn besonders innovative Mittelständler werden so bestraft. Sie müssen sich weitere Finanzierungsquellen suchen, um ihre Digitalisierungs- und Nachhaltigkeitsprojekte voranzubringen. Das sind in der Regel die Hausbanken, die dann das Innovationsprojekt vorfinanzieren sollen. Aber seit die Leitzinsen steigen, wird auch dieser Weg immer schmaler. Ohnehin greift der Mittelstand längst seine Rücklagen an.

Auch die Aussicht auf Mittelkürzungen, die dann drohen, wenn die Antragswelle tatsächlich heranrollen sollte, klingt kontraproduktiv. Wäre es nicht vielmehr sinnvoll, jetzt die Bazooka für Innovationsförderung herauszuholen, um jeden Kubikmeter Gas, jede Kilowattstunde Strom, jeden Kilometer Lieferstrecke einzusparen und umgekehrt jede neue Produktidee, jede Prozessoptimierung, jedes innovative Geschäftsmodell zu fördern? Statt durch Steuersenkungen auf Energiekosten diejenigen zu belohnen, die weiter aus ihren fossilen Quellen schöpfen, sollte das Innovationstempo im Mittelstand durch mehr Anreize forciert werden und jeder Antrag im Sinne der Energiewende, der Mobilitätswende, der digitalen Transformation großzügig und positiv bewertet werden. Im Übrigen würde das auch die Binnennachfrage fördern und damit Steuergelder in den Bund zurückspülen.

Aber nun gut. Es ist ja auch nicht so, als wäre das Innovationstempo in Deutschland durch das ZIM-Moratorium ausgebremst worden. Allzu hoch war die Bereitschaft im Mittelstand, Innovationen herbeizuführen, ja auch vor Corona wegen allzu praller Auftragsbücher schon nicht. Zwar erklärten die Ampelparteien in ihrem Koalitionspapier den Mittelstand als das Rückgrat der Erneuerungskultur hierzulande. Aber wenn wir uns ehrlich machen, ist dies eine schöne Sonntagsredenfloskel. Die Defizite in der Digitalisierung, bei eingereichten Patenten, in der Elektromobilität oder bei der Mitarbeiterqualifikation muss ja seit Jahrzehnten beklagt werden.

Wenn Not, wie es im Volksmund heißt, erfinderisch macht, dann gilt womöglich auch der Umkehrschluss: Wohlstand macht denkfaul. Es ist genau das Phänomen, auf das wir derzeit in nahezu allen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft stoßen. Wir sind aus unserer Komfortzone gestoßen worden und wundern uns über die raue Welt da draußen. Und wer soll helfen? Der Staat!

Das klingt hart und ungerecht? Mag sein. Aber jahrelang haben wir uns auf billiger Energie ausgeruht und dabei drastische Steuerlasten auf Öl und Gas billigend in Kauf genommen. Es ist bequem, dafür im Nachhinein die Merkel-Regierungen I bis IV allein verantwortlich zu machen. Jetzt, wo Energie zu Weltmarktpreisen bezahlt werden muss, wachen wir in der Realität auf. Natürlich ist es naheliegend, jetzt die Steuerlast auf Energie zu senken und den Unternehmen ein zumindest befristetes Steuer-Moratorium zu gewähren.

Aber wäre es nicht zugleich das falsche Signal? Wer jetzt bei der Energiewende im eigenen Heizungskeller ins Schwitzen kommt, muss im Winter nicht frieren. Denn: Ohne Transpiration keine Innovation.

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