220912 Maischberger

Eine Bazooka für den Mittelstand

Als der Europapark Rust im vergangenen Lockdown zwangsweise für ein halbes Jahr schließen musste, war er weder insolvent oder vulgo: pleite, sondern hat ganz einfach, wenn auch nicht freiwillig, die Produktion von Freizeitvergnügen eingestellt. Es war auch keine Geschäftsaufgabe, denn längst hat er seine Pforten wieder geöffnet und liefert Zehntausenden täglich ein unvergessliches Erlebnis. Dass er aber die Zeiten des Lockdowns überstehen konnte, lag an der Möglichkeit rund 3500 Menschen in Kurzarbeit zu schicken. Die Bazooka, wie der damalige Bundesfinanzminister Olaf Scholz es nannte, hatte diese Option für Unternehmen, die aus nicht selbst verschuldeten Gründen ihren Betrieb nicht aufrechterhalten konnten oder durften, bereitgestellt: das Kurzarbeitergeld.

Deshalb, liebe Frau Maischberger, ist die Unterscheidung, die Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck als Gast bei Maischberger traf, alles andere als wirtschaftsphilosophischer Mumpitz oder Rechthaberei. Es ist wohl eher ein Hinweis darauf, an welche Maßnahmen die jetzige Bundesregierung zu denken scheint, wenn es angesichts von explodierenden Energiekosten um Hilfemaßnahmen für den industriellen und dienstleistenden Mittelstand geht. Denn ein Kurzarbeiterprogramm für den Fall, dass Strom und Gas ausfallen oder umverteilt werden müssen, wäre in der Tat ein Mittel der Wahl. Wer seine Produktion für einen bestimmten Zeitraum einstellen muss, weil sich der Betrieb gegenwärtig nicht rentiert, sollte seine Mitarbeitenden in Kurzarbeit schicken können. Kann man schon jetzt – ist aber ohne Kurzarbeitergeld teuer. Zur Finanzierung bräuchte es erneut eine Bazooka  für den Mittelstand.

Ob sie kommt, ist ungewiss, aber der von Habeck im Bundestag versprochene Schutzschirm für den Mittelstand ist praktisch unausweichlich. Nach einer Blitzumfrage des Bundesverbands der Deutschen Industrie wird es eng für mittelständische Unternehmen. Das „Lagebild im industriellen Mittelstand“ ist laut BDI in der Tat düster:

Mehr als 90 Prozent der Unternehmen sehen in den gestiegenen Preisen für Energie und Rohstoffe eine starke (58 Prozent) oder existenzielle (34 Prozent) Herausforderung. Noch im Februar 2022 bewerteten „nur“ 23 Prozent die Herausforderung als existenziell.

Lieferschwierigkeiten und -verzögerungen sind für rund drei Viertel der Unternehmen eine starke (71 Prozent) oder existenzielle (sechs Prozent) Herausforderung.

Die Preisentwicklung zwingt rund 40 Prozent der Unternehmen, Investitionen in die ökologische und digitale Transformation zurückzustellen.

Mehr als ein Drittel der Unternehmen (37 Prozent) kann derzeit keinen Brennstoffträgerwechsel vornehmen, sie bleiben (vorerst) auf Erdgas angewiesen. Jedes zehnte Unternehmen sieht sich aktuell gezwungen, die Energieversorgung von Gas auf Öl umzustellen.

Fast jedes zehnte Unternehmen hat die Produktion in Deutschland derzeit gedrosselt oder unterbrochen. Weiterhin denkt fast jedes vierte Unternehmen darüber nach oder ist bereits dabei, Unternehmensteile und Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern.

Es wird noch enger, als es schon zu Corona-Zeiten war. Und hier dürfen wir noch nicht einmal sicher sein, ob die nächste Corona-Welle nicht schon angerollt kommt und uns neben einem kalten auch einen einsamen Winter bescheren wird. Aber es dürfte auch ein Winter werden, in dem die Wirtschaft in den Abwärtssog einer Rezession gerät: Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in Halle prognostizierte, dass die deutsche Wirtschaftsleistung im kommenden Jahr um 1,4 Prozent schrumpfen wird. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft erwartet in seiner aktualisierten Konjunkturprognose einen Rückgang um 0,7 Prozent.

Es geht also nicht allein darum, den kommenden Winter zu überstehen. Wir werden in ein Jahr 2023 hineinlaufen, das von Inflation und Rezession gleichermaßen geprägt sein wird. Das bedeutet einen Realverlust an Wohlstand für jedermann. Es wird Zeit für die Bazooka für den Mittelstand. Denn nichts tun wäre noch teurer.

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