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Die Grenzen des Wachstums

Ziemlich genau 50 Jahre ist es her, da rüttelte der Club of Rome in seinem ersten Report unter dem Titel „Die Grenzen des Wachstums“ die beiden Teile einer nie einigen Welt auf – den einen, weil er die darin beschriebenen Endzeitszenarien glaubte, den anderen, weil seiner Meinung nach die im Report berechneten Simulationen auf falschen oder unzulänglichen Parametern beruhten. Letzterer fühlte sich in den Jahrzehnten danach erst durch neue Rohstoff-Funde bestätigt, dann durch die Eroberung neuer Absatzmärkte in den sogenannten Schwellenländern. Wachstum ging irgendwie immer weiter.

Allen voran die Volksrepublik China erwies sich geradezu als unerschöpflicher Nährboden für Wachstumsphantasien, die im postsowjetischen Europa noch durch zusätzliche günstige Gaslieferungen im wahrsten Sinne des Wortes befeuert wurden. Die Volksrepublik wurde zugleich wichtigster Produktionsstandort und Absatzmarkt, in dem praktisch jedes halbwegs hippe Konsumgut im Auftrag der globalen Konzerne gefertigt, um den halben Globus geliefert und anschließend bei den globalen Markenartiklern wieder eingekauft wurde. Zugleich haben die Chinesen ihre internationalen Beziehungen völlig unbehelligt vom Rest der Welt knüpfen können, sodass sie heute nicht nur einen großen Teil der Rohstoffvorkommen, sondern auch der Transportwege kontrollieren. Das konnte nicht gutgehen und es geht auch nicht gut.

Selbst wenn wir wollten, wir können das Reich der Mitte als Handelspartner nicht ignorieren – auch wenn die großen deutschen Automobilkonzerne und US-amerikanischen Tech-Giganten darüber reden. In Wahrheit bauen sie ihre Standorte in Fernost aus. Denn im Handel mit den Chinesen funktioniert das ein Jahrhundert alte westliche Konsummodell, auf dem unser Wachstum fußt, noch. Für Indien oder die südamerikanischen und afrikanischen Länder wird das Wachstumsmodell, das auf immer mehr Nachfrage beruht, die durch immer effizientere Produktion gestillt wird, nicht anwendbar sein.

Noch sind Wachstum, Produktivität und Kostensenkung das motivationale Dreigestirn der digitalen Erneuerung. Vor allem der Mittelstand jagt diesen Effektivitätszielen nach, wenn er sich darauf beschränkt, analoge Prozesse durch digitale zu ersetzen, ansonsten aber die bewährten Geschäftsprozesse unangetastet lässt. Dahinter steht allerdings ein beängstigendes Beharrungsvermögen, das die Entscheider an alten und eigentlich überkommenen Grundprinzipien festhalten lässt, statt sich einer Erkenntnis zu öffnen, die unser Wirtschaften in den kommenden Dekaden bestimmen wird: Wir haben das Ende des Wachstums längst erreicht. Worum es geht bei der digitalen Transformation ist nicht ein Wachstum durch ein Schneller, Höher, Weiter, sondern durch ein Besser, Genauer und Schonender.

Es geht also gar nicht darum, immer mehr zu produzieren, sondern darum, immer genauer zu liefern. Das Ziel der digitalen Transformation muss es also sein, die Kommunikation mit dem Kunden weiter zu intensivieren, flexibel auf die von ihm geäußerten Bedürfnisse zu reagieren und auch dann noch Liefertreue zu beweisen, wenn sich im letzten Moment Änderungen in der Bestellung ergeben. Wenn das Produkt es lernt, mit dem Kunden zu kommunizieren, und seine Eigenschaften per Software-Update den Wünschen des Kunden anpassen kann – dann ist die ideale Transformation gelungen. Und dann entstehen auch neue Wachstumspotenziale durch Services im Abonnement, die über das Internet geliefert werden. Die Plattform-Ökonomie ist wahrscheinlich der größte noch brachliegende Absatzmarkt auf diesem Planeten.

Und es geht darum, Effizienz nicht im Sinne einer Produktionssteigerung zu definieren, sondern im Sinne von Nachhaltigkeit, dem sorgsamen Umgang mit der Umwelt, den Rohstoffen und dem sozialen Umfeld umzusetzen. Denn im Grundsatz hatte der Club of Rome vor 50 Jahren doch recht: Die Ressourcen der Erde sind endlich, auch wenn das Ende später eintreten könnte als bisher befürchtet. Und ebenso endlich ist die Belastbarkeit der Erde, wie jetzt (leider wieder ergebnislos) in Ägypten auf internationaler Bühne diskutiert wird. Die Schäden von morgen sind der Kredit, mit dem wir bislang unser Wachstum finanziert haben. Diese Schäden werden beide Teile der Menschheit treffen – die Leugner ebenso wie die Ahnungslosen.

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