Was macht eigentlich Larry Ellison?

Oracles sieggewohnter CEO, Larry Ellison, scheint seine bekannt markante Rhetorik in letzter Zeit eher nach innen als nach außen gerichtet zu haben: Während noch bis zum Herbst 2011 kaum ein Event in der Branche ohne einen markigen Kommentar des passionierten Firmenaufkäufers verstrich, hat sich winterliche Stille über den Großmogul der amerikanischen Software-Szene gelegt.

Freilich ist alles relativ: Hier noch eine kleine Ohrfeige für den ehemaligen Kollegen Marc Benioff von Salesforce und dort das Gerücht, das die jüngsten schwachen Zahlen des deutschen Software-Vize Software AG möglicherweise Ellisons Kaufgelüste befeuern würden. Aber sonst: Seit kurz vor Weihnachten die mit einem Wachstum von zwei Prozent für Analysten enttäuschen Quartalszahlen von Oracle gemeldet wurden, herrscht weihnachtliches Elysium.

Im Unterschied dazu meldet Erzrivale SAP jetzt sensationell gute Zahlen – das muss der Neid den Walldorfern einfach lassen. Und zu diesen Zahlen hat Oracle paradoxerweise auch noch beigetragen…

Es ist schon anerkennenswert, wenn man in schwierigen konjunkturellen Zeiten und angesichts eines Paradigmenwechsels von „Ground“ zu „Cloud“ für das zurückliegende Geschäftsjahr vorläufige Umsatzzahlen von 14,23 Milliarden Euro ausweisen kann. Auf knapp vier Milliarden Euro  belaufen sich dabei die reinen Softwareerlöse. Die Marge von 39,6 Prozent wird unter anderem auch deshalb erreicht, weil dreistellige Millionen-Rücklagen frei wurden. Nachdem zu erwarten ist, dass die Strafzahlungen an Oracle nicht mehr die Größenordnung erreichen, die noch vor einem Jahr auf dem Richtertisch lagen, sieht die Lage wieder rosig aus. Damals war SAP zum Übernahmekandidaten Nummer Eins – auch für Oracle – ernannt worden. Jetzt wird SAP wieder eher zum Käufer.

Zum Beispiel für den Anbieter von Schulungssoftware, datango AG. Gleichzeitig wird der Kauf des US-Unternehmens Successfactors für 3,4 Milliarden Dollar abgeschlossen. Und schließlich bleiben Gerüchte bestehen, wonach die mit enttäuschenden Zahlen aufwartende Software AG auf der Watchlist der Walldorfer stehen soll. Gerüchte vom Zusammengehen der Nummer Eins und Zwei in Deutschland hat schon seit Jahrzehnten die Träume von einer Großsoftwareschmiede aus Deutschland beflügelt. Sie werden mit jedem wackeligen Quartalsbericht neu beflügelt.

Doch SAPs Berichtsinhalte sind derzeit alles andere als wackelig. Sowohl das Mobilgeschäft als auch die neue InMemorsy-Datenbank (160 Millionen Euro Umsatz) und natürlich die Cloud-Computing-Aktivitäten lassen die Analysten hoffen. Während Oracle 2011 und vor allem im Gefolge des Rechtsstreits um TomorrowNow große Sprüche markierte, hat die Doppelspitze bei SAP offensichtlich einfach nur Fakten geschaffen.

Dabei fragte man sich die ganze Zeit: Was machen eigentlich Bill McDermott und Jim Hagemann-Snabe? Jetzt wissen wir es: ihre Arbeit.

Äwwer Kaffee koche künne kann se jot

Die Produktpräsentationen auf der CES in Las Vegas gehen dieses Jahr praktisch nahtlos über in die Prunksitzungen beim Carneval in Köln. Deshalb schnell zurück aus dem Spielparadies in die Spaßhochburg.

Mit im Gepäck sind die neuesten Schimären aus den Werkstätten der Produktentwickler, die sich immer weiter auf dem großen Konvergenz-Tripp zwischen E- und U-Elektronik voran wagen. Dass Telefonieren inzwischen so ziemlich die unspannendste Funktion von SmartPhones ist, fällt ja schon kaum noch auf. Und dass der Fernseher zum universellen Medienzentrum für Videos aller Kanäle – Sender, YouTube, Eigenproduktion – sein werden, wird uns auch nicht unbedingt erst seit dieser CES eingetrichtert. Auch der scheinbar paradoxe Trend, das SmartTVs gleichzeitig flacher werden können und 3D-Funktionen bieten, ist uns schon gut geläufig. Bleibt dem Chronisten allenfalls die Ankunft der OLED-Technologie (Organische Leuchtdioden), die mit dem 55-Zoll-Bildschirm von LG auch gleich den „Best of CES“-Award absahnte. Kleiner Hausfrauentipp: Wer größere Präsentationsflächen will, muss die OLEDs einfach nur gießen!

Bemerkenswert ist es schon, dass inzwischen auch die Autobauer ihre Karossen zwischen die Racks der Computerbauer schieben – und man weiß nicht mehr auf den ersten Blick, in welchem Teil eigentlich mehr Rechenpower, mehr Webfähigkeit und mehr Systemsteuerung steckt.

Audi stellte sein neues A3-Cockpit aus, in dem ein kleiner Touchscreen die Steuerung des Multimedia- und Navigationssystems erleichtern soll. Das ganze Auto wird ab März durch einen 1,2 Gigahertz Dual-Core-Prozessor gesteuert. Daimler experimentiert nicht nur mit einem umfassend kommunizierenden Fahrzeug, das nicht nur den Fahrer, sondern auch sonstige Verkehrsteilnehmer in seinen Chat einbezieht. Auch die neue Display-Technik, mit der Informationen direkt auf die Windschutzscheibe projiziert werden, zeigt Daimler-Vorstand Dieter Zetsche.

Und KIA, nicht unbedingt für die Luxusklasse bekannt, hat zusammen mit Microsoft einen totalen App-Overkill bereitgestellt: Das Auto meldet per SMS seine Position, wenn es aus dem zuvor definierten Gebiet herausgesteuert wird. Der Fluchtversuch mit der lapidaren Erklärung, „Ich geh mal eben Zigaretten holen“, klappt also auch nicht mehr so reibungslos.

Auf die Macht der sozialen Medien setzt Don Rich, der ein landesweites Radarfallenwarnsystem aufbauen will. Ford hingegen werkelt an einem Pollenflugwarnsystem, das seine Informationen ebenfalls über Social Networks sammelt und verbreitet. Eine Kombination beider Planungen würde vielleicht die Renaissance des wunderbaren Ford Escort ermöglichen – natürlich im Retro-Look.

Auch die weiße Ware ist hier auf der CES vertreten: Kühlschränke mit integriertem Einkaufszettel sind ja schon genau so ein alter Hut wie Backautomaten, die sich die günstigsten Stromtarife aussuchen. Aber was wir nach wie vor schmerzlich vermissen, ist das ultimative Smart-Social-Touch-App-Phone-Audio-Navi-Home-Video-Sky-Fridge-Espresso-Latte-Mobile – mit dem wir Lotti Krekel bei der nächsten Kölner Prunksitzung beeindrucken können: Äwwer Kaffee koche künne kann se jot!

 

CES an MS: Ne me quitte pas

Im Cesar´s Pallace singt Celine Dion ihre wunderbare Interpretation von Jacque Brels « Ne me quitte pas » und draußen, gut eine Meile vom Colloseum entfernt, bereitet Microsoft seinen letzten großen Auftritt auf der Computer Electronics Show in Las Vegas vor. Das fetzt noch mal richtig, denn mit Windows 8 harmonisiert Redmond nicht nur seine Systemsparten Desktop, Smartphone und Tablet-PCs unter einer einheitlichen Oberfläche, sondern vereint mehr oder weniger alle Produkte in einem.

Überall herrschen Wischen und Winken einerseits oder schon Sprechen und Kommandieren andererseits. 3M beispielsweise zeigt einen Multiuser Touchscreen in 46 Zoll Größe, der bis zu 20 Fingerzeige gleichzeitig versteht und verarbeiten kann. Kollaboration am gemeinsamen Arbeitstisch soll so die Planungsaktivitäten der Zukunft beflügeln. Wer beim Touch-Screening allerdings für sich bleiben will, findet unzählige neue Tablet-PCs, die flach und flacher werden. Das Gerücht, dass Microsoft seine Office-Anwendungen nicht nur auf dem eigenen Tablett präsentieren wird, sondern künftig auch auf dem iPad verfügbar macht, verdichtet sich hier in Las Vegas zur Tatsache. Ansonsten gibt es bei Tablets drei Schwerpunkttrends: Android, Android, Android.

Während Windows 8 mit Kinect-Features für alle Windows 8-Systeme die Gestensteuerung feiert, legen Apple und andere mit ihrer Sprachsteuerung schon die (Sprach-)Teppiche für die nächste Mensch-Maschinen-Schnittstelle aus. Die legendäre Frage an Apple 4S, „Soll ich heute Abend einen Regenschirm mitnehmen?“ und die noch legendärere Antwort – „Für heute Abend ist kein Regen angesagt.“ – trifft auf Las Vegas im lauen Januar auf jeden Fall zu.

Zwei neue Besuchergruppen kann man hier auf der Consumer Electronics Show ausmachen. Unternehmer, die zwar eine Firma haben, aber noch lange kein Produkt, sollen nicht nur zeigen, dass das endlos gewundene Band der Innovation auch in einer Post-Microsoft-Ära fortbestehen wird. In einer waghalsigen Vorwegnahme der eigenen Zukunft, präsentieren sich hier rund einhundert Firmen, die erst in einigen Jahren auf der CES etwas zum Ausstellen haben werden.

Aber wahrscheinlich verfügen sie bereits über eine der wichtigsten Waffen, die es derzeit im Kampf der Innovatoren gibt: Patente. Dafür interessiert sich die zweite Gruppe der CES-Neulinge – die Patentanwälte. Denn inzwischen wird nicht nur nach Patentrechtsverletzungen, Fälschungen und Plagiaten gefahndet. Im Wettstreit um die Vormachtstellung im mobilen, ubiquitären Internet zählt der Patenteinkauf en gros. Google kaufte jüngst IBM einige Hundert Patente ab, will mit der Motorola-Übernahme das gesamte Patent-Portfolio an sich reißen und mausert sich allmählich zum Patent-Paten der ganzen  Branche.

Da rückt dann auch Deutschland (und die CeBIT) in den Fokus der CESaren. Denn hier wird 2012 nahezu wöchentlich über Patentstreitigkeiten – meistens zwischen Apple und Samsung – entschieden. Das interessiert auch hier. Doch wie auch immer das ausgeht, wie auch immer Microsoft seine Zukunft ohne CES, die CES seine Zukunft ohne Microsoft gestalten wird – ein Trend ist auch für 2013 sicher: Celine Dions Herz wird auch 2013 weiterhin im Cesar´s Pallace schlagen. Und wir Tech-Addicts werden dich schon nicht verlassen, liebe Celine, äh CES.

Same procedure as every year

Zeit ist kein Problem, solang sie in der Zukunft liegt. Nie wird einem dies deutlicher als in den ersten Tagen eines neuen Jahres, wenn  satte 52 Wochen zur Verfügung stehen. In der Regel führt dieser Überhang an Zeit zu einem Überschwang an Zielen. Verbunden mit Wünschen und Wunschvorstellungen vermischen sich diese Vorhaben und Vorgaben zu Vorhersagen. Wir wollen da nicht zurückstehen. Unsere sieben schönsten Prognosen für das Jahr 2012 – natürlich alles ein wenig nebulös und wolkig:

Alles aufs Tablett: Apple wird Galaxy-Tablets nicht dauerhaft aus den europäischen Läden verbannen können. Mit Samsung wird somit ein Anbieter mehr den Siegeszug der Wisch-und-Weg-Geräte vorantreiben. Wer keine App für das Tablet zur Verfügung stellt, ist weg vom Fenster.

Appvertising: Einen AppStore zu unterhalten, gehört längst zum guten Ton. Über den Appverkauf lassen sich die eigenen Ökosysteme bestens steuern und ausbauen – und die Käuferströme zu den Sweetspots der Markenanbieter lenken. Weil das wichtiger ist als der Verkauf der Apps selbst, wird die Kleinstsoftware zunehmend kostenfrei abgegeben. Dafür gibt es eine neue Werbeplattform: Advertising auf der App. Ach ja: Natürlich wird dabei HTML5 seinen Siegeszug starten.

Soziale Maschinen: Während Google+ zum Herausforderer für Facebook um die Lufthoheit bei den sozialen Netzwerken werden will, dringt das Prinzip der sozialen Vernetzung so allmählich in alle Anwendungsbereiche vor: Unternehmenslösungen mit Facebook-Komponenten sollen zusätzliche Kollaborationsmöglichkeiten eröffnen. Und wer sagt, dass nicht auch Endgeräte und Maschinen künftig Freunde und Like-It-Buttons brauchen?

Unsoziale Übernahmen: Weil aber alles mit jedem „sozial“ vernetzt werden kann, wird 2012 ein Übernahmefieber die Social-Media-Scene befallen. Von IBM bis Oracle, von SAP bis Microsoft werden sich die Kaufinteressenten bei den Also-Runners bedienen. Ohne Social Layer keine Global Player.

Große Datenwolke: Big Data wird zum entscheidenden Investitionshebel der nächsten Jahre. Nach Business-Intelligence-Tools werden jetzt auch In-Memory-Datenbanken die Phantasien beleben. Dabei werden zusätzliche Anreize durch die Möglichkeit gegeben, große Datenmengen in die Wolke zu verlegen und die Rechnerpower zur ihrer Verarbeitung aus der Wolke zu beziehen.

Megamultimediamix: Während aber heute BI-Funktionen noch im wesentlichen Analysen zu strukturierten Daten leisten, werden die rund 90 Prozent der Multimedia-Daten erst allmählich erkennungstechnisch behandelt. Welche Informationen in Video-, Audio- oder Bildinformationen stecken, was sich aus Datenschnipseln in sozialen Medien zusammenklauben lässt, das wird 2012 ein Topthema der globalen Anwender.

Ende eines Schismas: 2012 wird dabei fortsetzen, was 2011 schon überdeutlich zu erkennen war: Die klassische Trennung zwischen Business IT und Consumer IT wird weiter aufgelöst. Auf dem Weg zum Mittelstandsmarkt wollen die Cloud-Anbieter gleich bis zum One-Man-Shop durchrauschen – und das weltweit. Auf der Suche nach dem lukrativen Business Case für den Mittelstand gilt unverändert: Same procedure as every year.