Akademisches Viertel.Punkt.Null

Die Diskussion um die Digitalisierung der Fertigungswelten im Zuge der sogenannten vierten industriellen Revolution kennt eigentlich nur zwei Extreme:

Da ist einerseits das akademische große Ganze, also die strategische Bedeutung von Industrie 4.0 für den weltweiten Konkurrenzkampf, in dem sich der Standort Deutschland als Fabrikausrüster und Hersteller von Hochqualitätsprodukten positioniert. Da geht es um Infrastruktur und Wettbewerbsvorteile, um die Digitalisierung und Neuformierung von Geschäftsprozessen. Das klingt alles großartig – aber so richtig geht es nicht voran.

Und da ist anderseits das mittelständische Viertel, also die pragmatische und betriebliche Umsetzung der Technologien, die den Unternehmen durch das Internet der Dinge und Dienste an die Hand gegeben werden. Da geht es um Detailverbesserungen und Innovationen, um die Kollaboration von Mensch und Maschine und die Optimierung von Geschäftsprozessen. Das klingt alles ein wenig klein-klein – aber dafür geht es voran.

Es hat den Anschein, als kämen hierzulande diese Welten nie so richtig zusammen. Hier wird professoral über den Horizont geblickt, dort pragmatisch nicht weiter als bis zum Firmentor. Um diese Lücke zu schließen, hat die Wissenschaftsgesellschaft die Transferstellen erfunden, die mehr oder weniger erfolgreich die Übersetzung vom Professoralen ins Praktische leisten. Sie bringen das akademische Ganze ins betriebliche Viertel. Davon lebt es sich ganz gut in einer festgefügten Nahrungskette vom Institutsleiter bis zum wissenschaftlichen Mitarbeiter auf der einen, vom Unternehmer bis zum Auszubildenden auf der anderen Seite.

Dabei wird viel Kraft vergeudet, um die beiden Extreme der Diskussion zusammenzubringen. Wo die einen von der Bedeutung für den Standort Deutschland reden, wollen die anderen doch nur einen vernünftigen Return on Investment aus dem Projekt herausziehen. Nach langen Findungsrunden und ausführlichen Positionspapieren kommt es schließlich zu konkreten Handlungsaufforderungen. Am Ende existiert eine Win-Win-Situation, wo der eine die Fördergelder und der andere den konkreten Nutzen hat. So richtet sich jeder in seinem akademischen Viertel ein. Aber das kostet Zeit, viel Zeit…

Die Publikationen der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften – acatech – sind ein Beispiel für das Umfassen des großen Ganzen. Seit den 1990er Jahren vertritt die Akademie die Technikwissenschaften nach dem Vorbild der geisteswissenschaftlichen Akademien. Sie vertritt den großen Wurf, den großen Entwurf. So ist es nun auch schon ein halbes Jahrzehnt her, dass die Akademie in ihren Studien und Schriftenreihen auf die Bedeutung der Digitalisierung in der Fertigung hinweist. Ja, sie gehört sogar zu den frühen Rufern, die den Begriff von der „Industrie 4.0“ mitgeprägt haben. Die Papiere lesen sich gut im akademischen Raum – aber der mittelständische Unternehmer liest sie eher nicht.

Jetzt macht sich das Themennetzwerk „Mobilität und Logistik, Luft- und Raumfahrt“ auf, um in den Niederungen der deutschen Automobilbranche nach einem konkreten und allgemeingültigen Nutzen aus Industrie 4.0 zu suchen – der besteht in der Kollaboration. Dazu soll die hochkomplexe Automobillogistik, das vielmaschige Liefernetzwerk vom Zulieferer bis zum Autobauer, unter die Lupe genommen werden: „Das Projekt soll beispielhaft für die Automobillogistik darstellen, wie die motivierte Integrationsaufgabe gelöst werden kann“, heißt es noch durchaus professoral in der selbstgesteckten Zielsetzung. Gemeint ist, dass die praktische Zusammenarbeit zwischen Unternehmen nicht mehr von oben gesteuert, sondern von unten – durch das Internet der Dinge – angestoßen wird. „Das Projekt dient in erster Linien den Unternehmen in den Wertschöpfungsnetzwerken der Automobilindustrie sowie Logistikern und IT-Experten der beteiligten Partner.“ Dabei sollen auch kleine und mittlere Unternehmen wie Dienstleister, Beratungs-Büros, Technologie-Entwickler, aber auch Ausrüster und Anlagenlieferanten sowie Instandhalter profitieren. Alle diese betrieblichen Viertel sollen also in diesem Transferprojekt kollaborieren.

Wir begleiten das Projekt von nun an mit einem eigenen Blog zum Thema und wünschen viel Erfolg. Initiativen mit konkretem Praxisbezug, die zugleich eine breite Zielgruppe erreichen, können wir gebrauchen – für das betriebliche Viertel ebenso wie für das akademische Ganze.

ERP für die Arbeitswelt 4.0

Wenn ein Softwareanbieter bei seiner Releaseplanung die Ziffer vor dem Punkt weiterzählt, dann weiß der geneigte Anwender: Aha, etwas Großes steht zum Download bereit. Dann sind wichtige architektonische Änderungen zu vermelden.

Dabei sind wichtige Neuerungen in der Architektur meist von langer Hand vorbereitet. Sie bündeln erhebliche Investitionen in Manpower und Innovationen. Und gleichzeitig muss so gearbeitet werden, dass der Migrationspfad für Anwender so sanft wie möglich beschritten werden kann. Es ist – zumindest bei Großanwendungen mit gut und gerne Tausend Personenjahren Entwicklungsleistung wie zum Beispiel Enterprise Resource Planning – ein historisches Ereignis.

Ich will es durchaus historisch nennen, wenn mein Unternehmen – die GUS Group als führender Anbieter von Unternehmenslösungen für die Prozessindustrie und Logistik – mit dem aktuellen Release 6.0 der GUS-OS Suite neue Portale in Richtung Industrie 4.0, Mobile Computing, Social Media, Big Data und einer verbesserten, weil individualisierten Usability aufstößt. „Mit dieser Technologie und dem Upgrade auf GUS-OS Suite 6.0 hat die GUS den Wettbewerb technisch überholt“, sagte der IT-Leiter eines Kunden, der sich im Vorfeld der Ankündigung intensiv mit unseren Plänen auseinander gesetzt hatte. Und was mich besonders freut: Er tat dies auf der Bühne des diesjährigen GUS Kundentreffs nach der Ankündigung des neuen Systems vor seiner Peer-Group, den GUS Kunden.“

Die GUS-OS Suite bedient bereits heute die gewandelten Anforderungen, die in der Arbeitswelt 4.0 an eine Unternehmenslösung gestellt werden. Die Vernetzung von Menschen und Maschinen, der Trend zum mobilen Arbeiten und die Verarbeitung immer größerer Datenmengen stellen die Prozessindustrie und die Logistik vor enorme Herausforderungen und verlangen nach einer Neuausrichtung der ERP-Systeme. Laut einer aktuellen Studie des Marktanalysten Trovarit ist die Usability das mit Abstand wichtigste Nutzungskriterium für Unternehmenslösungen: Bessere Auskunftsfähigkeit, Analysen in Echtzeit, die Einbindung von großen Datenmengen aus Maschinen, Netzwerken und Kommunikationswegen sowie selbstverständlich die Freiheit bei der Wahl der Arbeitsumgebung waren die Designziele für den nächsten ganz großen Wurf.

Das alles sind Elemente der Arbeitswelt 4.0, in der ein „hochgradig individualisierter Standard“ gefordert wird: Nutzer wollen rollen- oder aufgabenbasierte Sichten erstellen, individuelle Layouts für Smartphones oder PCs generieren sowie einzelne Felder ein- und ausblenden, einfärben, sortieren und editieren. Damit kann sich der Anwender auf die entscheidungsrelevanten Informationen konzentrieren.

Doch ein Softwarepaket ist nichts ohne eine Organisation, die diese Anwendung „ans Laufen“ bringt. Wer auf dem Kundentreff den Anwendern zuhörte, die auf der Bühne im Plenum über ihre Projekterfahrungen berichteten, konnte eine wesentliche Message mitnehmen. Die Projektteams der GUS Group sind kompetent, wenn es um die branchenspezifischen Herausforderungen in der Prozessindustrie und Logistik geht. Und sie sind flexibel, wenn es um Methoden zur Einführung der Lösungen, zur Erarbeitung von Designzielen und zur Umsetzung von Unternehmenszielen geht. Die Arbeitswelt 4.0 verändert auch die Art und Weise, wie heute Software in Unternehmen präsentiert und individualisiert eingeführt wird.

Eine wichtige Nachricht dabei: die GUS Group kann Mittelstand. Er ist der Träger unseres Wirtschaftsstandortes Deutschland. Mittelstand ist komplexer als so manches Großunternehmen, weil Entscheidungswege kurz, Nutzenbetrachtungen zielorientiert sind und Ausgaben möglichst effizient genutzt werden. Auch das ist Arbeitswelt 4.0.

Wer sich darauf einlässt, profitiert von seinen Kunden. Das erkenne ich gerne an. Deshalb überreiche ich seit einigen Jahren als Dank und Anerkennung ausgewählten Kunden, die die GUS Group gefordert und dadurch gefördert haben, einen symbolischen, mit einer Benefiz-Spende ausgestatteten Preis: die Goldene Wabe. In diesem Jahr waren es zwei Kunden – das Pharmaunternehmen medac und der Foodhersteller Alpenhain –, denen dieser Preis zukam. Der Grund: Beide haben die GUS Group zu Höchstleistungen im Beratungssektor gezwungen. Ihre Anforderungen zur Unternehmensplanung und Geschäftsprozessoptimierung haben das Bewusstsein für die zukunftsgestaltenden Aspekte einer ERP-Einführung geschärft. Software ist programmierte Beratung. Mit der GUS-OS Suite 6.0 haben wir das erneut umgesetzt.

 

Virales Industriemarketing 4.0

„Kennen Sie den?“ – So leiten veritable Witzeerzähler gerne ihren nächsten „Ankommer“ ein. Die Einleitungsfrage ist der Erfahrung geschuldet, dass sich Witze in der Gesellschaft viral bewegen. Sie tauchen plötzlich auf, sogar an mehreren Stellen gleichzeitig, und pflanzen sich über die „geborenen Witzeerzähler“ fort, während diejenigen, die sich einfach keine Witze merken können, sozusagen immun sind gegenüber dem Lachvirus, und den Zwerchfellerreger einfach nicht weiterleiten können…

„Kennen Sie Industrie 4.0?“ ist eine Fragestellung, mit der landauf landab Seminare und Workshops oder auch Sonderpublikationen in Fachblättern eingeleitet werden. Und zwangsläufig folgen dann Zukunftsszenarien, die von Zukunftsforschern und Business-Process-Optimierern erzählt werden. Auch das ist prinzipiell ein viraler Prozess. Nur – er findet in einem extrem begrenzten Zirkel statt, in dem sich andere Zukunftsforscher, Business-Process-Optimierer, Logistik- und Produktions-Manager großer Konzerne tummeln. Und manchmal verirrt sich auch ein Mittelständler in diese Kreise. Aber er ist immun und erzählt die Industrie 4.0-Szenarien einfach nicht weiter. Blondinen erzählen ja auch in der Regel keine Blondinen-Witze weiter…

Aber Industrie 4.0 ist kein Witz! „Der deutsche Mittelstand verhält sich dem Thema Industrie 4.0 gegenüber noch immer eher vorsichtig bis reserviert“, befand jetzt Prof. Dr. Michael Henke, Institutsleiter des Fraunhofer IML bei der Vorstellung einer in Zusammenarbeit mit agiplan erstellten Studie über die Chancen und Möglichkeiten der allumfassenden Digitalisierung. Dem Mittelstand rief sein Institutsleitungskollege Prof. Dr. Michael ten Hompel auf der gleichen Veranstaltung letzte Woche zu: „Wir halten alle Basistechnologien für die vierte industrielle Revolution in unseren Händen. Wir brauchen nur den Mut, sie endlich in Produkte und Geschäftsmodelle umzusetzen.“

Aber genau hier zeigt sich das Kommunikations-Dilemma des viralen Industriemarketings 4.0. Denn tatsächlich geizt die Studie nicht mit Optionen. Ob im vernetzten Heim, in der intelligenten Stadt, in der digitalisierten Produktion, in der integrierten Logistik oder in der multi-direktionalen Kundenkommunikation – überall lassen sich enorme Einsparungs-, Optimierungs- und Qualitätspotenziale schöpfen. Und keiner wird davon so unmittelbar profitieren wie der moderne Mittelstand. Der Grund: In den kleinen und mittleren Unternehmen sind die Entscheidungs- und Durchsetzungsprozesse so kurz, so schnell, so zielgerichtet. Im Konzern mit seinen Abstimmungs- und Widerspruchsgremien tun sich die Entscheider deutlich schwerer. Deshalb sprechen sie auch mehr darüber.

Mittelständler sind keine großen Kommunikatoren – sie schauen und schaffen nach innen, nicht nach außen. Die Pointe an Industrie 4.0 besteht darin, dass die ganz große Vision, die in den Expertenzirkeln diskutiert wird, zu mächtig, zu allumfassend ist, um virale Fahrt aufzunehmen. Die Details aber – hier ein Prozessfortschritt, dort ein Integrationsschritt und drüben eine Digitalisierung bisheriger analoger Vorgänge – finden im Mittelstand sehr wohl ihre Umsetzung. Jeden Tag, an jedem Standort in Deutschland. Aber der Mittelständler ist nun mal kein Weitererzähler. Er optimiert, während andere diskutieren.

Und am Ende dieses Prozesses gibt es für ihn nur eine Antwort auf die Frage „Kennen Sie Industrie 4.0“ – nämlich ein gelangweiltes „Das hat so´n Bart!“

 

Mainframe, dein Frame, Cloud-Frame

Es ist ja keineswegs so, dass die Dinosaurier ausgestorben sind – sie haben nur einfach ein neues Konzept umgesetzt, und ihre Nachfahren bevölkern als Vögel unseren Himmel. Sie haben sich sozusagen vom Boden in die Wolken erhoben…

Es ist auch keineswegs so, dass die Mainframes ausgestorben sind – sie haben nur einfach ein neues Konzept umgesetzt, und ihre Nachfahren leisten heute Schwerstarbeit in der Cloud.

Erstaunliche zwei Drittel des weltweiten Datenbestands in eCommerce- oder eBusiness-Anwendungen werden heute auf Speichersystemen gesammelt, die von Mainframes angesteuert werden. Gut 90 Prozent der 200 größten Unternehmen in Deutschland setzen unverändert auf Großrechner, um ihre Geschäftsprozesse zu steuern. In den USA dürfte der Anteil trotz der Technikverliebtheit der dortigen IT-Manager sogar noch größer sein.

Der Grund: Die Kosten pro Anwender sind deutlich geringer als bei Serverfarmen. Allerdings – und das ist der zweite Grund: Mehr als die Hälfte der Anwendungen auf den Mainframes hat mehr als 20 Jahre auf dem Software-Buckel. Und da diese Applikationen auch noch durchaus im produktiven Einsatz sind, nutzen sie auch etwa die Hälfte der zur Verfügung stehenden Rechnerzeit. Es ist die Software, die veraltet, während die Hardware durch kontinuierlichen Austausch jung bleibt.

Genau darin liegt das Problem für viele internationale ERP-Anbieter, die in den achtziger und neunziger Jahren zu Weltruhm gelangten, weil sie mit ihren Lösungen die Globalisierung der Konzerne beförderten und Software-Architekturen entstehen ließen, die nur mit erheblichem Upgrade-Aufwand auf einem Modernisierungspfad gehalten werden können. Über kurz oder lang steht für jeden CIO die Frage an: aushalten oder abschalten.

Die Lösung aus diesem Dilemma wird immer häufiger in der Totaloperation liegen: neue ERP-Lösungen, die auch einem geänderten Nutzungsverhalten entsprechen, werden die Altsysteme ablösen. Sie sind mit webbasierten Oberflächen, die vom PC-Arbeitsplatz bis zum Smartphone flexibel unterschiedlichste Endgeräte bedienen, ausgestattet und haben zugleich jene Offenheit, neue Megatrends wie Big Data, Predictive Analytics oder die Digitalisierung des Produktions-, Distributions- und Kommunikationsprozesse umzusetzen. Spätestens wenn die Altsysteme auch beim besten Willen nicht mehr den Marktprozessen und den Anforderungen an Transparenz entsprechen, wird es Zeit, software-technisch noch mal von vorne anzufangen.

Das wird der Moment sein, in dem Cloud-Computing auch im ERP-Umfeld seinen Durchbruch erlebt. Schon heute ist bei weltweit tätigen Unternehmen der Unterschied zwischen Cloud und Hosting im Prinzip kaum noch auszumachen – außer in der Frage, wer nun der Eigentümer der Infrastruktur ist. Das aber hat derzeit durchaus rechtliche Konsequenzen, wie die Debatte um NSA-Auslieferungsanträge für gespeicherte Daten, die auf von US-amerikanischen Unternehmen betriebenen Servern residieren, zeigt. Es hat aber auch Konsequenzen in der Frage, wer für die erheblichen Kosten fürs Systemmanagement aufkommen soll. Derzeit, so geben die globalen CIOs in Studien immer wieder zu Protokoll, fressen die Verwaltungsaufgaben bis zu drei Viertel des gesamten IT-Budgets. Schön, wenn sich das demnächst in die Cloud verflüchtigen würde.

Die Cloud ersetzt nicht den Mainframe, sondern die Software, die derzeit darauf läuft. Denn auch in den Data Centern der Cloud Provider wird mit Größtrechenanlagen gearbeitet – für viele Tausend Kunden gleichzeitig. Ein Mainframe in der Cloud ist immer noch ein Mainframe. Er ist nur irgendwie in die Wolken davongeflogen.