Beim Download, Schulterblick!

Microsoft wird in diesen Tagen nicht müde, die millionenfachen Downloads für Windows 10 zu feiern. Wie bei einem sich selbst verstärkenden Resonanzsystem befeuern die Nachrichten über das Interesse an Windows 10 das Interesse an Windows 10. Und das ebenfalls millionenfache Feedback, das die Computergemeinde aus dem Internet zum jüngsten Microsoft-Betriebssystem erfährt, trägt ebenfalls zum Hype bei. So geht virales Marketing.

Aber genau so soll Windows 10 auch künftig – nach dem Download-Hype, nach dem Auskurieren der schier unvermeidlichen Kinderkrankheiten – auch funktionieren: ein bisschen viral. Denn man darf nicht vergessen, dass Windows 10 beides ist: ein PC-Betriebssystem und ein Cloud-orientiertes Operating System. Es nutzt Funktionen und Services aus der Cloud und merkt sich deshalb bestimmte Aktivitäten der Anwender, um besser oder zumindest zielgerichteter agieren zu können.

Nur, auf wessen Ziele ist Windows 10 eigentlich ausgerichtet? Dass Microsoft Windows 10 zum freien Download ins Web stellt, ist alles andere als Altruismus. Ein neues Produkt einfach aus Gutmenschentum ohne eine Chance auf Umsatzwachstum in den Markt zu pressen, würde jeder rationalen unternehmerischen Denkweise widersprechen. Auch ist der Download for Free keineswegs eine Verzweiflungstat, mit der Microsoft etwa versuchen könnte, verlorengegangenes Terrain wiedergutzumachen. Windows 10 ist im Download kostenfrei, weil Microsoft in der Lage ist, über die Cloud-Funktionen anderswo Geld zu verdienen. Zum Beispiel bei Online-Anzeigen, die – weil nun stärker personalisiert – künftig für Microsoft ein Umsatzwachstum von mehr als zehn Prozent in dieser Sparte bringen sollen.

Kurz gesagt: Windows 10 ist ein bisschen vergoogled. Wer etwa durch sein Surfverhalten deutlich macht, dass er glühender Anhänger des 1. FC Köln ist, wird über die integrierten Search Engines wie Bing oder die Sprachauskunft Cortana mit Fanware-Angeboten rund um die Geißbockelf versorgt und umgekehrt vom Merchandising rund um Bayern München verschont. Wer sich über Staus auf dem Weg ins Rheinenergiestadion informieren will, muss damit leben, dass Windows 10 wissen will, wo man sich gerade befindet. Was zunächst trivial klingt, könnte durchaus weiter reichende Folgen im beruflichen Umfeld haben.

Es geht wie so oft in der Cloud wieder mal um Vertrauen. Microsoft versichert in seinen Geschäftsbedingungen zur Private Policy, dass Content gesammelt, aber anonymisiert gespeichert werde. Auch die Windows-ID, über die diese Content-Ergebnisse über PC und Smartphone synchron gehalten werden, sollen unabhängig von den persönlichen Daten gespeichert werden. Aber dies kann man glauben oder auch nicht. Wenn nicht, sollte man sich die Mühe machen, die insgesamt 13 Privacy-Einstellungen Menü für Menü zu deaktivieren – und damit leben, dass Windows 10 weniger Komfort bietet. Tatsächlich aber schaut Windows 10 kaum intensiver über die Schulter als beispielsweise Android. Neu ist allenfalls, dass dieses Geschäftsgebaren nun auch für den mit dem Web verbundenen PC gilt. Aber war das nicht auch schon immer so?

Schon mehren sich die Zweifel, ob sich Windows 10 mit diesen Features überhaupt in jedem beruflichen Umfeld einsetzen lässt. Im Gesundheitswesen beispielsweise reicht es nicht, nur darauf zu vertrauen, dass die personenbezogenen Daten geschützt bleiben. In einem stark wettbewerbsorientierten Umfeld ist es eben nicht egal, dass Windows 10 den Content mitschreibt – und das auch schon, während die Worte eingetastet oder gesprochen werden. Wer Windows 10 Enterprise im Unternehmen einführen will, sollte zunächst eine Risikoanalyse machen. Aber das sollte inzwischen sowieso bei jeder cloud-basierten Einführung der Fall sein.

Microsoft späht uns nicht aus – da bin ich mir persönlich sicher. Zumindest nicht mehr, als das Google und Facebook auch tun. Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein: Ein bisschen Schulterblick ist immer.

 

Perform und Transform

Mein offener Brief an Microsofts Chief Executive Officer Satya Nadella zu Beginn der World Partner Conference letzten Montag ist nicht ohne Resonanz geblieben – nicht allein unter den deutschen Microsoft-Partnern hat meine Warnung vor den drei enttäuschenden Fiskaljahren, die ein Wechsel vom OnPremises zur Cloud für etablierte Softwarehäuser nach sich zieht, Eindruck hinterlassen. In einer mit rund 200 Teilnehmern bestens besuchten „deutschen Session“ haben wir die möglichen Schritte zum Übergang vom traditionellen Geschäftsmodell in eine neue Welt diskutiert. Das „Cloud Maturity Model“, das wir dabei vorgestellt haben, zeigt den Weg auf, wie bestehende Kundeninstallationen mit hohem Nutzwert und Einsparungseffekt schrittweise in die Cloud verlagert werden können.

Das scheint auch Microsofts COO Kevin Turner, zuständig für das weltweite Channel-Business, als Blaupause für die Migration der Partner in lupenreine Cloud Companies zu sehen. Anders jedoch als meine zugespitzte Formulierung vom drei Jahren dauernden „Tal der Tränen“, sieht er für Microsoft und Partner die doppelte Herausforderung „Perform and Transform“ – also Leistung plus Wandel. Dazu wird es eine Reihe von Weiterbildungsmaßahmen, Marketingaktivitäten und Produktinnovationen geben, die es Partnern ermöglicht, in der Microsoft-Ökosphäre ihr Geschäft völlig neu aufzusetzen.

Vier Unterscheidungsmerkmale machte sein Kollege Phil Sorgen, Corporate Vice President in Microsofts weltweiter Partner-Organisation, für die erfolgreiche Umsetzung von Leistungs- und Wandlungsfähigkeit aus: Konzentration auf das eigene geistige Eigentum, die Fähigkeit zur Digitalisierung der Marketing- und Vertriebsaktivitäten, beschleunigte Kundengewinnung und hohe Erneuerungsraten bei Laufzeitverträgen, Feinjustierung der internen Controlling- und Bewertungs-Methoden. Dabei ermunterte Sorgen, den Sprung in die Cloud ganz und vollständig zu wagen: Partner, deren Cloud-Umsätze größer als 50 Prozent des Gesamtumsatzes ausmachen, weisen nach seiner Marktanalyse höhere Wachstumsraten und Profite aus, als die mit weniger als 50 Prozent Umsatzanteil aus der Cloud. Oder anders gesagt: Die einen haben das Tal der Tränen schon verlassen, die anderen noch nicht.

Dass der Wandel aber tatsächlich längst Substanz gewonnen hat, untermauerte Kevin Turner mit beeindruckenden Zahlen: Immerhin schon etwa die Hälfte der Lizenzvereinbarungen, die Microsoft im vergangenen halben Jahr mit Unternehmenskunden geschlossen haben, weisen Cloud-Komponenten auf. Eine Million neue User gewinnt die Cloud-Variante Office365 monatlich dazu. Und die Office-Apps für Android und iOS wurden bereits mehr als 100 Millionen Mal runtergeladen.

Und der Angeschriebene, Satya Nadella? Unabhängig von einer persönlichen Antwort, die ich unmittelbar auf meinen Brief erhielt, vermittelte er den Eindruck, dass er die Sorgen der Partner durchaus versteht. Das „neue Microsoft“, so versicherte er vom ersten bis zum letzten Tag der World Partner Conference, sei ohne die Partner und deren wirtschaftlichem Erfolg nicht denkbar. Aber ebenso deutlich machte er, dass der Kurswechsel, den Microsoft vollzogen hat, nun auch von den Partnern nachvollzogen werden sollte. Eher früher als später. Mit Leistung im Wandel.

Perform and Transform

My open letter to Microsoft CEO Satya Nadella at the beginning of the World Partner Conference last Monday was not without a resonance. My warning of three disappointing fiscal years for established software companies in the wake of the transition from OnPremises to Cloud made its mark – and not just among German Microsoft partners. At a well-frequented “German session” with around 200 attendees we discussed possible steps in the change from the traditional business model to a new world. The Cloud Maturity Model that we presented shows the way in which existing customer installations can be transferred to the cloud step by step with a high functional benefit and cost savings effect.

Microsoft COO Kevin Turner, in charge of global channel business, also seems to see this as a blueprint for the migration of partners into perfect cloud companies. Unlike my pointed formulation of a three-year Vale of Tears, however, he sees for Microsoft und partners a twofold challenge to “perform and transform”. This will be accompanied by a series of training measures, marketing activities and product innovations that enable partners to totally reposition themselves in the Microsoft ecosphere.

His colleague Phil Sorgen, Corporate Vice President of Microsoft’s Worldwide Partner Group, identified four distinguishing features for the successful implementation of performance and change capability: concentration on one’s own intellectual property, the ability to digitize marketing and sales activities, accelerated customer acquisition and high retention rates for fixed-term contracts, and fine adjustment of in-house controlling and evaluation methods. Sorgen encouraged Microsoft partners to go fully and completely for the cloud. According to his market analysis partners whose cloud revenues amount to more than 50 percent of their total sales achieve higher growth rates and profits than those whose cloud business makes up less than 50 percent of their sales revenue. In other words, the ones have already left the Vale of Tears behind them and the others have yet to do so.

Kevin Turner underscored with impressive figures that the transition has long gained substance. Around half of the license agreements Microsoft has signed with corporate customers over the past half-year include cloud components. One million new users a month are joining the Office 365 cloud version, and the Office apps for Android and iOS have already been downloaded more than 100 million times.

As for the man to whom I wrote my open letter, Satya Nadella, irrespective of the personal response that I received immediately after he received my letter, the impression he made was that he well understands the partners’ worries. The “new Microsoft,” he assured attendees from the first day of the World Partner Conference to the last, was inconceivable without the partners and their commercial success. He made it equally clear, however, that Microsoft partners must now understand and follow up on the change of course Microsoft has undertaken. Sooner rather than later, with performance and transformation.

Kunden zuerst, Partner danach

Ein offener Brief an Satya Nadella

Mein lieber Satya Nadella.

Ich sitze in meinem Hotelzimmer in Orlando und freue mich auf die Eröffnung der Microsoft World Partner Conference am heutigen Montag. Die Zeitverschiebung und der Jetlag lassen mich noch keinen Schlaf finden – und auch die Gedanken an Microsofts Zukunft lassen mich nicht unbedingt ruhig schlafen…

Dabei – und zunächst – finde ich es wirklich beeindruckend, wie sich Microsoft unter Ihrer Ägide als Chief Executive Officer bereits verändert hat. Die Devise – „Cloud First, Mobile First“ halte ich im Kern für richtig – ja, ich möchte sie noch ergänzen um die Überzeugung: „Ohne Mobile kein Cloud Computing“.

Aber ich möchte auch ergänzen: Ohne eine klare Vision für die Partner in der Microsoft Ökosphäre kann es keinen Erfolg für Microsoft geben. Deshalb ist die diesjährige WPC vielleicht die wichtigste überhaupt. Denn die klassischen Umsatzströme, die sich aus dem dominanten PC-Geschäft ergaben, beginnen zu versiegen. Die von Ihnen eingeleiteten Kurskorrekturen in Richtung „Cloud First, Mobile First“ hätten nicht später kommen dürfen. Jetzt geht es darum, sie auch umzusetzen. Dazu braucht es eine gemeinsame Vision für Microsoft, Kunden und Partner.

Aber die ist nicht unbedingt zu erkennen. Jeder Partner muss derzeit für sich selbst einen Weg in die Cloud finden. Das Kartenmaterial dafür ist derzeit noch unzureichend. Eines allerdings ist sicher: Es gibt ein Hindernis auf dem Weg in die Cloud, das Microsoft ebenso wie seine Partner überwinden muss. Es ist das rund drei enttäuschende Fiskaljahre währende „Tal der Tränen“.

Denn der Weg in die Cloud ist nicht nur ein technisches, nicht nur ein marketingtechnisches Abenteuer. Es ist wegen des damit verbundenen Wechsels des Geschäftsmodells vom Lizenzumsatz zu Mieteinnahmen vor allem eine bilanztechnische Herausforderung. Denn die Mieteinnahmen können in den ersten Quartalen den Wegfall der Lizenzumsätze nicht annähernd ersetzen. Bislang waren wir alle in der Lage, den Zeitpunkt zu bestimmen, wann wir den Durchmarsch durch dieses Tal beginnen. Jetzt zeichnet sich ab, dass uns der Markt diese Entscheidung abnimmt. Die sinkenden Umsatzzahlen im PC-Umfeld zeigen dies Microsoft bereits.

Aber für viele Partner – einmal vorausgesetzt, dass sie genug Rücklagen angesammelt haben, um diesen Ritt durchs Tal der Tränen zu überstehen – ist noch überhaupt nicht klar, was sie am anderen Ende des Tales tatsächlich erwartet. Wo liegen die Einnahmequellen in einer cloudifizierten Welt? Wie kann man bestehende Lösungsportfolien in die neue Welt überführen? Und damit auch die Kunden?

Darauf muss diese WPC Antworten geben. Stattdessen hören wir im Vorfeld irritierende Nachrichten. Die Preispolitik rund um SQL Server Lizenzen ist dabei ein veritables Beispiel. Allein in Deutschland haben rund 200 Software-Partner zwischen 400 und 500.000 Lizenzen des SQL Server in den Markt gebracht – in der Regel handelt es sich dabei um die kostengünstige Runtime-Variante, die für die Cloud nicht mehr zur Verfügung stehen wird. Für Kunden und Partner bedeutet das, dass sie die bestehenden OnPremises-Lösungen nicht nur nicht eins-zu-eins in die Cloud verlagern können – sie müssen auch eine wesentlich teurere Variante wählen. Der Kostenvorteil, den der Weg in die Cloud bieten soll, wäre damit bereits aufgebraucht. Was wir dagegen brauchen, sind funktionale Argumente, die sich aus zusätzlichen Services aus der Cloud heraus ergeben. Aber genau hier fehlt es bislang an der gemeinsamen Vision.

Wir Partner haben deshalb ein Cloud Maturity Model entwickelt, das – ausgehend von der aktuellen Nutzungssituation beim Kunden – einen schrittweisen Weg in die Cloud vorsieht und dabei für den Anwender mit jedem Schritt zusätzlichen Nutzen bereithält. Es beginnt mit dem Wechsel von OnPremises in die Cloud – auch in Teilen als Hybridlösung. Es folgt die Ergänzung zusätzlicher Funktionalität – zum Beispiel für die mobile Nutzung – durch Cloud-Services, die von Dritten erbracht werden können. Und schließlich erfolgt der komplette Wechsel auf eine service-orientierte Architektur. Nur auf der Basis eines solchen Wachstumsmodells, das den Kunden und Partnern die Möglichkeit gibt, einen Wechsel in die Cloud überhaupt erst kalkulierbar zu machen, kann die Transition gelingen.

SAP mit Business by Design und auch IBM mit seinen Cloud-Aktivitäten sind zuletzt daran gescheitert, ihren Partnern eine vergleichbare Vision zu vermitteln. Werden wir sie von Ihnen, mein lieber Satya Nadella, nun hören? Ich wünsche es uns allen.

Wir brauchen eine Vision, die „Cloud First, Mobile First“ für die gesamte Ökosphäre umsetzt. Und dann müssen wir sie verbreiten. Erst den Kunden, dann den Partnern.