Das Microsoft-Dilemma

Wer Vertrauen gewinnt, gewinnt auch Marktanteile. Und mit jedem neuen Kunden wächst die Verantwortung für das Produkt, seinen Nutzen, seine Sicherheit und Zukunftsfähigkeit. Sonst verliert man erst das Vertrauen und dann Marktanteile… – Das ist der Teufelskreis des Marketings.

Aber es gibt Ausnahmen. Bild beispielsweise ist die meist-verleugnete Zeitung in Deutschlands Blätterwald: kein Vertrauen, kein Ansehen, kein Abonnement. Und doch entschieden sich zu Spitzenzeiten fünf Millionen Käufer täglich dafür, sich durch Bild eine Meinung zu bilden.

Bild ist heute ein Opfer der Digitalwirtschaft – bei einer täglichen Leserschaft von „nur noch“ einer Million plus. Das Blatt verliert seine Käufer an die elektronischen und sozialen Medien, obwohl auch diese nicht gerade einen offiziellen Vertrauensvorschuss genießen. Jeder distanziert sich von Fake-News, Shit-Storms und Hass-Predigten – und doch decken Millionen Online-Leser ihren täglichen Kommunikationsbedarf über Facebook, Twitter und Co.

Ganz allgemein gilt für die Internet-Giganten wie Facebook, Amazon, Google, Microsoft, Apple oder Alibaba, dass sie schon ihrer schieren Größe wegen kaum Vertrauen genießen. Jeder mögliche Missbrauch ihrer Marktmacht wird bereitwillig unterstellt. Aber ihre Größe verdanken die Anbieter ausschließlich ihrer enormen Kundenzahl, was bisweilen monopolhafte Züge annimmt. Milliarden User vertrauen diesen Plattformen ihre persönlichen Daten, ihre Verhaltensmerkmale, ihre Beziehungen und ihre Geschäftsprozesse an. Vertrauen ohne Zutrauen – das funktioniert, scheint´s, vor allem in der Digitalwirtschaft.

Für Microsoft ist diese Paradoxie des Marketings schon seit seligen DOS-Zeiten der Normalzustand. MS-DOS und Windows sind wohlmöglich die am schlechtesten beleumundeten Produkte unter den Quasi-Monopolen. Negativ-Berichterstattung über „Windoof“ gehört einfach zum guten Ton. Und doch ist es weiterhin das am meisten verbreitete PC-Betriebssystem. An Installationszahlen wird es nur übertroffen von Googles Android, obwohl der Suchmaschinen-Gigant nun wirklich nicht den Ruf hat, ein Vertrauensmonopol zu besitzen.

Das „Microsoft-Dilemma“ hat es jetzt auch ins Abendprogramm des Fernsehens gebracht, als in einer breit angelegten Berichterstattung die mutmaßliche Abhängigkeit deutscher Behörden angeprangert wurde. Dabei – und ganz im Gegensatz zum Tenor der Beiträge – entscheidet sich die öffentliche Hand immer wieder für Microsoft als Anbieter der Wahl und gibt dabei sogar Versuche mit Open Source-Angeboten auf. Genau genommen gibt es eine langjährige und intensive, wenn nicht sogar vertrauensvolle Lösungspartnerschaft zwischen beiden.

Tageszeitungen wie die FAZ haben das „Microsoft-Dilemma“ aufgegriffen und warnen vor der Gefahr, durch Internet-Giganten ausgespäht zu werden, wenn diese in der Cloud Zugriff auf Personen- oder Firmendaten erhalten. Tatsächlich aber hat Microsoft schon vor drei Jahren zwei Rechenzentren in die Treuhänderschaft der Deutschen Telekom gegeben, um sich erstens das Vertrauen ihrer Cloud-Kunden zu verdienen. Es geschah aber auch, um zweitens möglichen Gewissenskonflikten, wie sie derzeit im Prozess gegen die US-Regierung drohen, zu entgehen. Die US-Behörden stehen auf dem Standpunkt, dass Daten auch dann im Fahndungsfall ausgeliefert werden müssen, wenn sich weder Daten, noch Betreiber in den USA befinden – solange nur der Firmensitz der Muttergesellschaft dort gemeldet ist.

Mehr vertrauensbildende Maßnahme als die treuhänderische Verwaltung gibt es nicht. Aber diese deutsche Cloud wird von Deutschen nur zögernd angenommen. Umgekehrt wächst Microsofts standardisiertes Cloud-Angebot hierzulande schneller als in jedem anderen Land. Die Azure Plattform ist im Begriff, Amazons Web Services weltweit den Rang abzulaufen. Dabei folgen beide den üblichen Sicherheitsstandards der Digitalwirtschaft – aber viel mehr auch nicht. Offensichtlich schafft weniger Sicherheit mehr Vertrauen.

Es ist das Absurdistan der Cloud-Welt. Jeder führt das Thema Sicherheit auf der Zunge, aber wenns ans Schlucken geht, sind es vor allem die Kosten, die es zu verdauen gilt. Was sollte man Microsoft hierzulande raten? Mehr Vertrauen durch weniger Sicherheit? In jedem Fall kann Microsoft mit dem Sicherheits-Doppelbeschluss nur gewinnen. Einerseits schützt der Hochsicherheitstrakt hinter den Mauern der Deutschen Telekom nicht nur in dem Fall vor dem Zugriff der US-Behörden, dass Microsoft den Prozess verlieren sollte. Er schützt im Falle eines gewonnenen Prozesses andererseits auch vor der Unterstellung, Microsoft würde mit den Daten seiner Kunden eigene Interessen verfolgen. Und drittens kann Microsoft unabhängig vom Ausgang der gerichtlichen Auseinandersetzung sein Azure-Angebot mit üblichen Sicherheitsstandards zu wettbewerbsstarken Preisen ausbauen. So gewinnt man vielleicht nicht mehr Vertrauen, aber wenigstens mehr Marktanteile.

 

Digitale Dummies

Jetzt werden wir sie also bekommen, die Wiederauflage einer Großen Koalition, die wir aus Respekt und als Vorleistung des Vertrauens nun auch wieder Große Koalition nennen wollen – und nicht abschätzig GroKo. GroKo eignet sich fürs Kabarett. Wir aber erwarten vom Kabinett Großes.
Wiederauflage? Das wäre das Schlimmste, was Deutschland passieren könnte. Nach fast sechs Monaten Geburtswehen, erwarten wir keine Regierungsmaus, sondern einen ausgewachsenen Elefanten. Denn „elefantös“ sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen.
Dazu gehören gesellschaftspolitische Fragen wie Flüchtlingsintegration und Zuwanderung, die Kultur der Auseinandersetzung mit Andersdenkenden, der Umgang mit Armut und mangelnder Teilhabe. Dazu gehören aber auch Fragen wie die, wie wir die Arbeit der Zukunft gestalten wollen, wie wir unsere Infrastruktur im Verkehrswesen, Bildungswesen oder Gesundheitswesen erneuern wollen. Dazu gehört die Frage, wie wir Regionen stärken und Deutschland im internationalen Konzert besser dastehen lassen wollen. Und über all dem steht die Frage, wie wir unsere digitale Welt gestalten wollen. Sie steht deshalb über allem, weil sie in allen anderen Fragen mit anklingt.
Wir haben in den vergangenen Wochen eigentlich nur über zwei Themen diskutiert: Gibt es eine Große Koalition? Und wie hält sie es mit der Digitalisierung? Die eine Frage ist beantwortet, die andere leider nicht. Vielleicht werden wir einmal bedauern, dass wir in der einen Frage die Basis befragt haben, in der anderen aber nicht…
Wenn wir den deutschen Mittelstand als Basis betrachten, dann ist die Antwort auf die Frage, wie wir unsere digitale Zukunft gestalten wollen, von Studie zu Studie unübersichtlicher. Der Hightech-Verband Bitkom attestiert dem industriellen Mittelstand nach wie vor zu viel Zurückhaltung auf dem Weg in die Digitalisierung, sieht aber umgekehrt in der mittelständischen Digitalwirtschaft den größten digitalen Treiber. Das muss kein Widerspruch sein, zeigt aber, wie facettenreich das digitale Deutschland derzeit ist: digitale Dummies hier und digitale Dynamiker dort.
Dabei ist es durchaus denkbar, dass der Mittelstand als Anwender digitaler Technologien in dem bisher Angebotenen nicht den Durchbruch wahrnimmt, für den es sich zu investieren lohnt. Denn auch ein digitalisierter Maschinenpark besteht zunächst einmal nur aus digitalen Dummies. Zwar können wir mit der Datenflut durchaus etwas anfangen, benötigen dafür aber smarte Analysefunktionen und lernende Maschinen. Insofern ist die Digitalisierung höchstens so etwas wie die notwendige Voraussetzung. Für den größtmöglichen Nutzeneffekt aber sorgen erst Systeme der künstlichen Intelligenz. Darin steckt die wahre digitale Revolution, in deren Verlauf aus digitalen Dummies clevere Kollegen entstehen.
Zwar ist der Koalitionsvertrag voll von Begriffen rund um das Wortfeld „Digitalisierung“. Bei künstlicher Intelligenz aber betritt auch diese Große Koalition erst einmal Neuland, tastet sich suchend voran. Dabei fordert die Wirtschaft gerade in diesen Themen politische „Guidance“. Wir brauchen Regeln, Richtlinien und – nicht zuletzt – Visionen.
Die Visionen aber überlassen wir – wieder einmal – den Internetkonzernen und wiederholen damit den Fehler, der uns schon bei der Diskussion um die Digitalisierung unterlaufen ist. 2018 wird das Jahr sein, in dem die großen Internet-Anbieter ihre Cloud-Plattformen durch KI-Services aufpeppen. Schon heute bezahlt man bei Google und Amazon KI-Funktionen mit nichts anderem als den Daten über das eigene Verhalten. Ende 2018 werden im Internet der Dinge für wenige Cent pro Transaktion KI-Funktionen für lernende Maschinen, Smart Data, Security-Monitoring, PredictiveAnalytics und Co-Bots zur Verfügung stehen, die aus digitalen Dummies dynamische Dienste machen. Sie werden für jedermann und für wenig Geld zur Verfügung stehen. Ob wir daraus etwas machen, oder was wir daraus machen, ist die entscheidende Frage.
Darauf hat die Große Koalition keine Antworten parat. Vielleicht hat sie dafür noch nicht einmal die nötige Sensorik, geschweige denn das Problembewusstsein. Deren nächstliegende digitale Herausforderungen buchstabieren sich nach dem ABC aus Arbeitsrecht, Breitbandausbau, Cyber-Kriminalität, Datenschutz und Elektromobilität. Alles richtig und alles wichtig: Aber wenn wir uns darauf beschränken, wird Deutschland die Heimat der digitalen Dummies bleiben. Das wäre dann die Große Koalition der kleinen Geister, also die Wiederauflage der GroKo.

Digitale Heimat

Warum plant die Große Koalition ein Heimatministerium? Einmal abgesehen von der Personalie Horst Seehofer, für den so etwas wie ein Altersruhesitz geschaffen werden soll, gibt es kaum einen vernünftigen Grund, die Kompetenzen zum Thema Heimat im Innenministerium zu bündeln. Denn ebenso sollte gelten: Familie ist Heimat, Wohnungsbau ist Heimat, Bildung ist Heimat, Arbeit ist Heimat, Wirtschaft ist Heimat und erst recht: Umwelt ist Heimat.

Nach allem, was man hört, soll das Heimat-Ressort in strukturschwachen Regionen Nachbesserungen schaffen, um den Flüchtlingsstrom der Jungen zu stoppen, Infrastrukturen zu schaffen, Industrie anzusiedeln. Das klingt vordergründig gut, auch wenn zu befürchten ist, dass das Heimat-Ressort im Dickicht des Subsidiaritätsprinzips stecken bleibt. Denn das föderale Deutschland ist gut damit gefahren, Entscheidungskompetenzen dort anzusiedeln, wo die Entscheidungen auch anfallen.

Völlig unverständlich aber ist, warum bezogen auf ein Digitalministerium die exakt entgegengesetzte Argumentation bemüht wird. Hier gilt die Bündelung in einem Ressort als falsch, gerade weil Digitalisierung in jedem Ministerium und auf allen Ebenen des föderalen Staates zum zentralen Thema geworden ist. Hier gilt plötzlich, was beim Thema Heimat nicht zum Zuge kommt: Arbeit ist digital, Wirtschaft ist digital, Verkehr ist digital, Gesellschaft ist digital, Bildung ist digital.

Dass Heimat gebündelt wird, Digitalisierung aber nicht, ist nur schwer nachzuvollziehen. Dass dabei die gleiche Argumentation einmal für das Dafür, ein andermal für das Dagegen verwendet wird, grenzt an absurdes Theater. Hier verwischen die Grenzen zwischen Kabinett und Kabarett. Statt einer politischen Kurskorrektur erleben wir nur ihre Karikatur.

Es wirft ein Blick auf unsere digitale Heimat, wenn die Digitalwirtschaft inzwischen zur Selbsthilfe greift und per Petition die gebündelte Digitalkompetenz im Bundeskabinett nachfordert. Florian Nöll, Vorsitzender des Bundesverbands Deutsche Startups und Initiator der Unterschriftensammlung, spricht mit Recht von einem Kompetenz-Wirrwarr, das Deutschland in den vergangenen Legislaturperioden in die digitale Paralyse getrieben hat. Wie wenig sich tatsächlich tut, wird am Beispiel des Breitbandausbaus deutlich. 2016 wurde von den bereitgestellten 400 Millionen Euro nur gut ein Prozent auch tatsächlich abgerufen. Im vergangenen Jahr waren es immerhin drei Prozent von 700 bereitgestellten Millionen.

Wir leiden nicht nur unter einem Mangel an Visionen, sondern auch unter einem Planungsrückstau. Der Ausbau der Elektromobilität bleibt ebenso hinter den selbstgesteckten Zielen (und bereitgestellten Mitteln) zurück wie die Runderneuerung unserer Bildungseinrichtungen. Die Modernisierung des Gesundheitswesens steckt in ihren Ansätzen, der schleichende Ausbau unseres Verkehrssystems behindert inzwischen sogar schon unsere europäischen Nachbarn.

Wir brauchen nicht nur ein Digitalministerium, sondern viele digital ausgerichtete Ressorts. Das kann aber nur gelingen, wenn es eine zentrale Koordinierungsstelle gibt, die den Ausbau des digitalen Standorts Deutschland wirklich zur Chefsache macht. Deshalb gehört das Digital-Ressort ins Kanzleramt. Deshalb brauchen wir analog zur Gesetzesfolgenabschätzung eine Instanz, die jede Initiative auf ihr digitales Potenzial hin überprüft.

Aber wir brauchen auch ein Kanzleramt, das diese Digitalvisionen lebt. Wir erleben seit Jahren eine Bundeskanzlerin, die auf IT-Messen verständnisinnig Innovationen begutachtet und als Physikerin einzuordnen weiß. Warum gelingt es ihr nicht, diesen Spirit im eigenen Kanzleramt zu entfachen?

Die Petition für ein Digitalministerium, die unter www.digitalministerium.org zu finden ist, sollte das Kanzleramt wachrufen. Denn es ist ja nicht allein der Wille einer digitalen Elite, der hier zum Ausdruck gebracht wird. Nach einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey fordern 77,7 Prozent der Deutschen einen deutlich höheren Stellenwert für das Thema Digitalisierung innerhalb der möglichen neuen Großen Koalition. Mehr als jeder zweite Deutsche ist für die Schaffung eines eigenständigen Ministeriums für Digitales. Regierungen in Frankreich, Großbritannien, Polen und Österreich haben diese Ministerien bereits.

Es geht darum, der Digitalisierung eine Heimat im Bundeskabinett zu geben. Und es geht um unsere digitale Heimat. Ein Klick genügt: www.digitalministerium.org.

 

 

Amicus Stay Home

Seit sechs Jahren geht der Absatz von Personal Computern und Laptops stetig zurück. Nach den Berechnungen der Gartner Group wurden im zurückliegenden Jahr noch 260 Millionen Rechner verkauft – vor vier Jahren waren es noch 320 Millionen Stück. Lange Zeit war der PC unser bester Freund. Fünf mobile Geräte entfallen inzwischen auf jeden auf der Welt installierten PC. Wenn wir das Haus verlassen, sind es die Tablets, Smartphones und Netbooks, die wir mitnehmen. Zu unserem langjährigen Freund, dem PC, aber sagen wir: „Amicus Stay Home“.

Von dieser Entwicklung profitieren diejenigen, die rechtzeitig auf den Technologiewandel gesetzt haben – allen voran Apple mit dem iPhone und die Anbieter von Android-Geräten wie zum Beispiel Samsung. Wer neben PCs auch Server in der Angebotspalette hat, muss – vorerst – nicht um sein Geschäft bangen, denn in die weltweiten Data Centers wird kräftig investiert. Denn erst die Cloud macht mobile Computing so richtig schön. Nach Einschätzung von McKinsey werden in diesem Jahr 80 Prozent aller bestellten Server in Rechenzentren aufgestellt. Doch auch hier droht ein langfristiger Marktschwenk. Immer mehr Server werden in Asien hergestellt oder als sogenannte „weiße Marken“ zum Selberbauen angeboten. IDC schätzt, dass im Jahr 2020 jeder zweite Server „Marke Eigenbau“ sein wird. Public Clouds werden zum Mainstream. Dem eigenen Rechenzentrum sagen wir „Amicus Ade“.

Kein Wunder: die Cloud-Betreiber bieten ein Sicherheitsniveau, das zu wirtschaftlichen Bedingungen im eigenen Rechenzentrum nur erreicht werden kann, wenn man es konsequent vom Internet abschottet. Aber wo bliebe dann der Mehrwert, der sich aus der Digitalisierung und dem Internet der Dinge ergibt? Cloud Services sind inzwischen unsere liebgewordenen Freunde, zu denen wir sagen: „Amici Stay with Us!“

Aber wir begegnen auch völlig neuen Gefahren in dieser cloudifizierten Welt – und selbst unsere besten Freunde könnten da zu unseren Gegnern werden. Davor warnen jetzt der Hightech-Verband Bitkom, der Bundesverband der Deutschen Industrie und die Deutsche Industrie- und Handelskammer mit Blick auf eine anstehende Entscheidung des Obersten Gerichtshofs in den USA. Darin geht es um den seit Jahren anhängigen Rechtsstreit der US-Bundesregierung mit Microsoft, wonach der Cloud-Anbieter auch dann personenbezogene Daten herausgeben muss, wenn diese außerhalb der USA, also zum Beispiel in Europa, gespeichert sind. Die Begründung im so genannten „New York Search Warrant Case“ ist einfach: US-Unternehmen unterliegen auch dann US-amerikanischem (Zugriffs-)Recht, wenn es sich um Aktivitäten außerhalb der USA handelt.

Microsoft hat die Zeit der Verhandlungen genutzt, um sich zumindest in Deutschland vor dem drohenden Zugriff zu schützen. Zwei Rechenzentren hierzulande wurden in die treuhänderische Verantwortung der Deutschen Telekom gegeben, die nun wirklich kein US-Unternehmen ist und damit per se nicht den Zugriffsrechten der US-Behörden unterliegen kann. Hier gilt: „Ami Stay Out“.

Doch sollte der Oberste Gerichtshof – was zu befürchten ist – eine Entscheidung zugunsten der US-Behörden treffen, dann wäre dies ein tiefgreifender Eingriff in deutsches Datenschutzrecht. Denn wenn sie sich im Falle eines Falles einem Auslieferungsbegehren für personenbezogene Daten aus den USA gegenübersehen, verstoßen sie im Verweigerungsfall gegen US-Recht. Und wenn sie dem Begehren nachgeben, wäre deutsches Recht gebrochen. Dann wäre also der Freund des Freundes Wolf. Oder im schönsten Juristenlatein: „Amicus amicum lupus“.

Dabei haben die Deutschen kaum Rechtsmittel an der Hand, um hier auf den Obersten Gerichtshof in den USA einzuwirken. In einem sogenannten „Amicus-Schreiben“, das in Rule 37 Abs. 1 der Verfahrensordnung des US Supreme Court dritten, nicht direkt am Rechtsstreit beteiligten Personen oder Personengruppen erlaubt, Stellung zu beziehen und zusätzliche Rechtsfragen aufzuwerfen, hat der Bitkom jetzt das Dilemma beschrieben. Zur Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden gebe es bestehende Rechtshilfeabkommen, die nicht dadurch umgangen werden dürften, dass US-Behörden unmittelbaren Zugriff auf Daten in Europa verlangen.

Waren das noch Zeiten, als wir unsere Daten auf dem PC gespeichert hatten. Da sind sie zwar den pausenlosen Hackerangriffen aus dem Internet ausgesetzt, vor denen wir uns in der Regel nur notdürftig schützen. Aber wir mussten wenigstens nicht mit der Herausgabe an US-Regierungsbehörden rechnen. Denn „Amicus Stay Home“ bedeutet eben auch: „Ami Stay Out“.