So what?

Expertise entsteht aus Experimenten! Der im Grunde richtige Lehrsatz scheint zugleich das Credo der Bildungsexperten zu sein, die ständig an neuen Modellen arbeiten. Kaum hat eine Schulreform erste Ergebnisse gezeigt, wird sie durch die nächste bereits abgelöst. Aber es braucht nun mal Zeit, aus Fakten Wissen und aus Wissen Bildung wachsen zu lassen. Da ist es denn auch nur folgerichtig, dass mehr und mehr Bundesländer wieder zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren.

Dass Bildung Zeit braucht, müssen auch die Schulungsexperten der künstlichen Intelligenz und des maschinellen Lernens erkennen. Je komplexer die Aufgabenstellung ist, desto langwieriger ist der Aufbau einer Computing-Umgebung für deren Bewältigung. Inzwischen zeigt sich, dass beispielsweise der schlagzeilenträchtige Sieg von IBMs Watson bei der Quizshow Jeopardy! doch ein relativ leichtes Unterfangen war im Vergleich zu den immensen Aufgaben, mit denen IBMs Auftraggeber die Plattform für das Cognitive Computing betrauen wollen. Neben schönen Erfolgen mehren sich inzwischen Nachrichten über abgebrochene oder gar fehlgeschlagene Projekte.

Um Maschinenstürmern gleich den Wind aus den Segeln zu nehmen: Cognitive Computing und Deep Learning erzeugen keine Bildung – die bleibt uns Menschen vorbehalten. Aber diese und andere Formen der künstlichen Intelligenz revolutionieren die Verfügbarkeit von allokiertem Wissen und die Fähigkeit, aus Daten Informationen zu generieren und in großen Datenmengen Muster zu erkennen, aus denen wiederum Schlussfolgerungen gezogen werden können, die uns bei der Entscheidungsfindung unterstützen.

Das hat inzwischen einen unermesslichen Nutzwert. KI-gestützte Systeme erkennen in Netzwerken auffällige Verhaltensmuster, die auf einen Hackerangriff schließen lassen, und ergreifen Abwehrmaßnahmen. Das Potential allein ist immens: Wie der Hightech-Verband Bitkom jetzt mitteilt, ist allein in den vergangenen zwei Jahren rund die Hälfte der deutschen Unternehmen Ziel eines Angriffs geworden. Der dabei entstandene Schaden summiert sich in den zurückliegenden 24 Monaten auf 53 Milliarden Euro. Und dabei wird die Malware immer komplexer, so dass Virenscanner ohne Zuhilfenahme künstlicher Intelligenz versagen. IBM hat jetzt ihr Wissen um Systeme und Netze aus 30 Jahren Projektgeschichte in einen Datenpool geleitet, aus dem Watson schöpfen soll. Die Datenbank unter dem Namen IBM Data Lake soll bei der Automatisierung der Systemadministration helfen und Hackern das Leben schwer machen.

Ein weiteres Paradebeispiel ist das Scannen von Millionen Seiten an Fachliteratur, die mit Hilfe der Fähigkeiten von IBMs Watson, natürliche Sprache auf ihren Inhalt hin zu analysieren und sich bei der Entschlüsselung der Semantik auch nicht durch syntaktische Sprachfallen wie doppelte Verneinung beirren zu lassen, ausgewertet werden. Ebenso sind KI-Systeme hervorragend geeignet, in Bildern typische Muster zu erkennen und damit Abweichungen von der Norm zu identifizieren. Beide Methoden helfen heute Ärzten und Wissenschaftlern in nahezu allen Disziplinen bei der Forschungsarbeit und der Diagnose von Krankheiten. Wenn auf diese Weise auch nur ein Menschenleben gerettet werden konnte, haben sich die Investitionen bereits gelohnt.

Und die Investitionen sind in der Tat immens: IBM allein hat einen zweistelligen Milliardenbetrag in die Entwicklung der Technologie hinter Watson gesteckt und dabei auch zahlreiche Firmenübernahmen gewagt. Aber die Marktchancen sind keineswegs geringer: Im Jahr 2025 sollen Unternehmenslösungen im Wert von 31 Milliarden Dollar verkauft werden. Darin ist die damit verbundene Wertschöpfung noch gar nicht berücksichtigt. Sie dürfte ein Vielfaches betragen.

Kein Wunder also, dass sich die Konkurrenz um die vordersten Plätze rangelt. Nach Einschätzung von Gartner ist IBMs Watson-Plattform die am weitesten entwickelte, doch Anbieter wie GE Digital, Microsoft, PTC und Amazon Web Services folgen auf dem Fuß. Und Internetgiganten wie Google und Facebook entwickeln eigene KI-Plattformen für den Eigenbedarf. Wie IBM wollen sie vor allem die eigenen Datenmengen gewinnbringend auswerten.

Dabei steckt die KI-Forschung auch 50 Jahre nach ihrer Begründung durch Marvin Minsky eigentlich noch in der Trial-and-Error-Phase – also am Beginn der Bildungskarriere. So verfolgen Cognitive Computing oder Deep Learning unterschiedliche Konzepte des Wissensausbaus und der Analyse, was sie keineswegs zu universell einsetzbaren Hochbegabten macht. Sie verfügen eher über singuläre Fähigkeiten, die sie für bestimmte Aufgaben optimal erscheinen lässt, für andere wie3derum nicht. Das ist eine typische Erkenntnis bei komplexen Unternehmenslösungen: Auch ERP-Systeme lassen sich nicht ohne weiteres heute im Maschinenbau und morgen in der Medizin einsetzen. Sie folgen kontextspezifischen Best Practices und keinen universellen Begabungen.

Das muss nun auch das Bildungssystem rund um die künstliche Intelligenz erkennen. IBMs Watson ist ebenso wenig ein Universalgenie wie es die KI-Angebote der Konkurrenten sind. Dass Googles KI-Ansatz den Weltmeister im Go-Spiel besiegt, bedeutet nicht, dass es jedes Spiel beherrschen kann. Aber es kann fahren (im autonomen Google-Fahrzeug) und antworten (über Android-Smartphones).

IBM wiederum versucht nun, Watsons Fähigkeiten zur Mustererkennung für die Prozesssteuerung im Internet der Dinge zu nutzen. Das wäre ein weiterer Riesenmarkt. Und der wäre auch nötig, denn bislang dürfte Watson trotz lukrativster Verträge mit Fortune-500-Unternehmen kaum mehr eingespielt haben als die Kapitalkosten. Mit IoT könnte sich jedoch ein niedrigschwelliger Bildungssektor anbieten, für den man nicht gerade das KI-Abitur benötigt.

Denn für IBM verrinnt die Zeit. Nicht nur wächst die Konkurrenz. Nach 21. Quartalen mit Umsatzrückgang schmilzt auch die Marktbedeutung. Gut, dass die jüngsten Anstrengungen zur Verschlankung die Kosten so weit senken, dass unverändert Gewinn ausgewiesen werden kann. Sonst heißt es für IBMs Watson in wenigen Quartalen wirklich nur noch: „So what?“

 

Die mobile Revolution

Die mobile Revolution begann vor genau einem Vierteljahrhundert. Sie begann mit der Freischaltung des sogenannten D-Netzes in Deutschland durch Mannesmann mobil und De.Te.Mobil. Die eine überlebte den Erfolg des eigenen Netzes nicht und wurde samt der stahlharten Mutter an Vodafone verkauft. Die andere wurde zu T-Mobile – die Nummer Eins im deutschen Mobilfunknetz mit einem Marktanteil von 35 Prozent und die Nummer Drei im US-Mobilmarkt, die sich Gerüchten zufolge gerade anschickt, mit der Nummer Vier zu fusionieren.

Nein, die wirkliche mobile Revolution begann vor genau einem Jahrzehnt. Sie begann mit dem Verkauf des ersten iPhones in den USA durch Apple und – zunächst exklusiv – durch AT&T. Damit wurde aus dem Handy das multifunktionale Smartphone. Nokia, der damalige Marktführer mit einem Marktanteil von 33 Prozent – hielt das Touch-Ding für eine vorübergehende Modeerscheinung und bezahlte diese Fehleinschätzung mit der Bedeutungslosigkeit. Apple hingegen wurde zum wertvollsten Unternehmen der Welt.

Rund eine Milliarde iPhones hat Apple in diesen zehn Jahren verkauft, etwas mehr als 600 Millionen davon sind aktuell im Gebrauch, was einem Marktanteil von knapp 15 Prozent entspricht. Auch wenn der Anteil im Vergleich zu den „Nachahmer-Produkten“ gering ist, hat Apple eine weltweite Umwälzung des Mobile Computings bewirkt. Hierzulande nutzen laut Bitkom 78 Prozent der Deutschen ein Smartphone, der Rest hängt am guten alten Handy, mit dem man nur telefonieren kann. Die zweitwichtigste Funktion nach Telefonieren ist für 90 Prozent der Smartphone-User die Kamera. Sieben von zehn geben an, das Smartphone zum Musikhören, Nachrichten lesen und als Zugang zu den sozialen Netzen zu benutzen. Das sind die Lebensgewohnheiten, die vor zehn Jahren noch unvorstellbar waren.

Das Smartphone in Gestalt des iPhones könnte die bisher wichtigste Innovation des noch jungen 21. Jahrhunderts und der Wegbereiter des digitalen Wandels sein. Mehr noch als durch das Internet markiert es die Popularisierung des digitalisierten Lebens. Und dieses Leben ist mobil: Allein in Deutschland sind derzeit 130 Millionen SIM-Karten im aktiven Einsatz. Damit hat jeder Deutsche, der der Grundschule entwachsen ist, zwei mobile Endgeräte. Sie sind Navigationssystem, persönlicher Assistent, Nachrichtenbörse, Fotokamera und Album, Musik- und Video-Streamer und Nachschlagewerk in einem – ganz zu schweigen von der Spielebox. Die Vielfalt ist unbegrenzt: Allein im Apple-Store werden zwei Millionen Apps angeboten. In Google Play sind es noch 350.000 mehr. Darunter befinden sich Front-Ends für Unternehmenslösungen, Vergleichsbörsen, eCommerce-Shops, soziale Medien, ePaper, Übersetzungshilfen und und und.

Aber das iPhone war auch eine Revolution des Designs. Kein Gerät hat sich so schmeichelnd in die Hände seiner User hineinbegeben wie das iPhone. Selbst das Auspacken hat Steve Jobs damals zu einem Ereignis gemacht, ja zu einem Erlebnis. Und die jungfräulich weißen Apple Flagshipstores wurden stilgebend für Trend-Marken.

Heute herrscht bei Apple so etwas wie Ruhe vor dem Sturm. Tim Cook, dem Nachfolger des verstorbenen Steve Jobs als CEO, wird von Analysten vorgeworfen, dass das nächste ganz große Ding auf sich warten lasse. Die Apple Watch war‘s nicht. Der HomePod ist auch nur eine Kopie des Amazon Echo. Und alle warten nicht auf das runderneuerte iPhone 7, sondern gleich auf das iPhone 8.

Doch gleichzeitig wabern die Gerüchte um das Projekt Titan, das Apple vor zwei Jahren großartig inszenierte und letztes Jahr ohne viel Aufhebens zusammendampfte. Ob Apple nun an einem vollständig in Eigenregie entwickelten Elektroauto mit Selbstfahrkapazitäten arbeitet oder doch nur an einer Software, mit der Apple anderen Automobilherstellern auf dem Weg in die Fahrautonomie weiterhelfen möchte, ist bis heute im Expertenstreit umstritten. Apple hält sich gewohnheitsmäßig zurück.

Doch vieles spricht dafür, dass am Ende nicht eine reine Software-Lösung herausspringt, sondern eine Komplettlösung aus Hardware, Software und Shared Economy. Apple hat noch immer einen Weg gesucht, ein eigenes, hermetisches Produkt zu entwickeln, das ein komplettes Ökosystem für Apple erzeugt. Für den Wettbewerber bleibt dann nur wieder die Nachahmer-Produktion. Und Apple ist fest davon überzeugt, dass das Auto der Zukunft zusammengebaut werden sollte wie ein Smartphone – von Zulieferbetrieben wie Foxcomm.

Das wäre dann die doppelte Mobilitäts-Revolution – das fahrende Smartphone und das smarte Fahrzeug in einem. Das Autonomobil. Titanisch.

Verbandskasten

Die Digitalisierung ist immer und überall! Sie betrifft alles und jeden. Weil sie überall greift und angreift, kann sich ihr niemand entziehen. Es gibt praktisch keinen Lebensbereich mehr, in dem man nicht irgendwie Stellung beziehen muss über das Ausmaß und die Wirkungsweise der Digitalisierung. Man konnte vor zwei Jahrhunderten völlig unbeeindruckt von der Dampfmaschine weiter leben, vor 100 Jahren auch ohne Elektrifizierung arbeiten, vor 50 Jahren auch ohne Großrechner erfolgreich sein oder vor 25 Jahren auch ohne das Internet am Weltgeschehen teilnehmen. Doch selbst wer heute auf Smartphone, Computer oder soziale Vernetzung verzichtet ist dennoch ein zumindest passiver Player in der digitalen Welt.

Wenn aber die Digitalisierung in die Zuständigkeit von jedem Einzelnen fällt, dann ergibt auch ein zentrales Ressort für die Digitalisierung keinen Sinn. Gerade weil die Digitalisierung Themen der inneren Sicherheit und juristische Implikationen nach sich zieht, weil sie einen Infrastrukturausbau verlangt und unser wirtschaftliches Gefüge berührt, gibt es in der jetzigen Bundesregierung gleich vier Ministerien, in denen die Digitalisierung beheimatet ist. Und eigentlich sollten es sogar viel mehr sein: die Veränderungen in der Arbeitswelt betreffen das Ministerium für Arbeit und Soziales, die geforderte Bildungsoffensive das Bildungsministerium, die Digitalisierung des Gesundheitswesens das Gesundheitsministerium und nicht zuletzt sind das Außen- und Verteidigungsministerium mit der zunehmenden Digitalisierung unserer Außenbeziehungen befasst. Wie auch immer die neue Bundesregierung aussehen wird – die Digitalisierungsbranche bekommt es mit immer mehr Ansprechpartnern zu tun. Kein Wunder also, dass beispielsweise der IT-Verband Bitkom sich einen zentralen Ansprechpartner in der Politik wünscht und deshalb ein Digitalisierungsministerium fordert.

Aber ist der Bitkom, der sich selbst auch gerne als Hightech- oder Digitalverband titulieren lässt, denn noch selbst der alleinige oder zumindest dominierende Fürsprecher der Digitalisierungsbestrebungen? Anders als bei der Computerisierung geht die Digitalisierung heute nicht von einer Gruppe von Anbietern aus, sondern von den Anwendern, die überhaupt erst einmal eine Digitalstrategie mit Blick auf ihre Branche und ihre Geschäftsmodelle entwickeln müssen, ehe sie an die Umsetzung gehen können. So beschäftigen Versicherungen mehr Softwareentwickler als die meisten Softwarehäuser, weil ihr Produkt ganz wesentlich auf Berechnungsverfahren für Risiken und Margen beruht. Ein Maschinenbauer reichert sein Produkt durch Steuerungen und Sensoren an, ein Automobilbauer seine Modelle durch Fahrassistenzsysteme und Infotainment-Anlagen. Und auch die Gesundheitsdienstleister optimieren ihren Service durch elektronische Patientenakten, verbesserte Kommunikation und Big Data-Analysen. Und umgekehrt sind viele Startups von heute gar nicht so sehr mit der Entwicklung von Software befasst, als vielmehr mit der Digitalisierung und Umwälzung eines Geschäftsprozesses. Und so verwischt die Grenze zwischen Anbietern und Anwendern von Informationstechnik in dem Maße, in dem Software, Chips und Netz Bestandteil des Produktangebots werden. Jede Organisation, jede Branche ist ihr eigener digitaler Mittelpunkt, ihr eigener „Digital Hub“.

Ein Digitalverband mit Alleinvertretungsanspruch müsste also über das klassische Kastendenken hinausgehen und jeden digitalen Player in seine Reihen aufnehmen und in seine Lobbyarbeit einbeziehen. Das wäre das Ende des Spartenverbands und der Beginn eines „Bundesverbands der digitalen Industrie“. Aber den BDI gibt es schon. Er muss nicht noch einmal erfunden werden. Und es gibt auch die Digital Hubs schon, die auf Initiative des Bitkom auf dem Digital-Gipfel beschlossen und inzwischen an zahlreichen Standorten mit Branchenschwerpunkten umgesetzt worden sind. Unter der Führung eines Digitalverbands sind die Digital Hubs der Lösungsweg für eine generelle Vertretung digitaler Interessen, weil sie die vertikale Branchenausrichtung mit der horizontalen Sicht auf die Querschnittstechnologie Digitalisierung verbinden.

Das alles wird der neue Bitkom-Präsident Achim Berg in seiner Dokumentenmappe vorfinden, wenn er jetzt eine Woche nach seiner Wahl die Arbeit aufnimmt. Er muss das Profil des Verbands schärfen und gleichzeitig über die ganze Bandbreite der Digitalisierung ausweiten, ohne es aufzuweichen. Und da ist es durchaus ein Glücksfall, dass mit Achim Berg ein Mann an der Spitze des Bitkom steht, der mehrfach Schreibtisch, Branche und damit Perspektive gewechselt hat: von der Bürokommunikation über Telekommunikation zur Software und schließlich über die Dienstleistung zu Private Equity.

Dabei ist es auffällig, dass diese Selbstfindung im Bitkom durch die Repositionierung der CeBIT gespiegelt wird. Auch in Hannover gilt es, das Profil der Sparten-Messe für „Bürokommunikation, Informationsverarbeitung und Telekommunikation“ – dafür stand das CeBIT-Kürzel schließlich einmal – gegenüber der Industrie-Messe zu behaupten. Denn auch dort zeigt sich, dass die Digitalisierung das klassische Kastendenken aufgehoben hat und in jeder Halle und in jedem Außengelände zu besichtigen ist.

So lösen sich unter der Digitalisierung auch die klassischen Verbands-Kasten auf: die Automobilhersteller im VDA, die Maschinenbauer im VDMA, die Elektroniker im ZVEI, die Mittelständler im BVMW oder die eCommerce-Treibenden im eco und die Startups im BVDS – sie alle „machen in Digitalisierung“. So vielfältig die Ressortzuteilung in der Bundesregierung, so variantenreich ist die Interessensvertretung in den Verbänden. Ein Digitalverband muss die Partikularinteressen der einzelnen Verbands-Kasten bündeln, kanalisieren und steuern. Da wartet ein Berg an Arbeit.

 

Ohne Cloud droht der Knock-out

Immer wieder werden uns Studien aufgetischt, die den Eindruck nahelegen, es gäbe eine Alternative zum Cloud-Computing. Die gibt es natürlich – ungefähr so, wie Autofahren ein Gegenkonzept zum Atlantikflug ist. Es ist die Wahl zwischen Individualverkehr und Mobilitätsdienstleistung, zwischen Fahren und Gefahren-Werden, zwischen Kurzstrecke und interkontinentaler Reichweite. Beides hat seine Berechtigung – allerdings für völlig unterschiedliche Anforderungen.

Wer tatsächlich nur seine Unternehmenslösung aus dem eigenen Hochsicherheitskeller hervorholt und von On-Premises auf On-Demand wechselt, hat anforderungstechnisch nichts gewonnen. Die ewig ungelöste Frage, mit welcher Infrastruktur eigentlich weniger Kosten entstehen, lässt sich nicht beantworten, weil man sie nicht simulieren kann. Die Anbieter argumentieren hier auch weniger aus Vernunftsicht als vielmehr aus Vertriebssicht. Es ist also auch kein Wunder, dass sich in den Cloud-Studien immer noch Skepsis niederschlägt. Wer die Cloud ohne Inspiration nutzt oder anbietet, bekommt auch keine Innovation für die Investition.

Denn es sind überhaupt nicht die Kosten, die für die eine oder andere Infrastruktur-Strategie sprechen. Es geht um Können oder Nicht-Können! Der digitale Wandel ist voller Optionen, die es im wirtschaftlich vertretbaren Rahmen nur aus der Cloud heraus gibt. Vor allem Anwendungen der künstlichen Intelligenz machen schon jetzt und künftig erst recht den Unterschied. Denn AI-Services aus der Cloud verändern praktisch jeden Anwendungsfall:

Internet der Dinge: Ohne Cloud-Dienste lassen sich die Massendaten, die künftig von den Sensoren an unseren Maschinen ausgesendet werden, gar nicht einsammeln und an einem ERP-nahen System konsolidieren. Aber erst durch AI werden aus diesen Big Data auch Deep Intelligence, tiefe Erkenntnis. Sie wiederum sind die Voraussetzung für unsere Planungssysteme, sich zeitnah auf neue Produktions- und Marktanforderungen einzustellen.

Chatbots: Spracheingabe dürfte sich zur alles dominierenden Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine entwickeln. Schon heute verstehen die Assistenten, die wir über das Smartphone aktivieren, immer mehr Befehle. Die Technik dafür steckt nicht in unseren Handys, sondern in der Cloud – und mit jedem Dialog werden die auf künstlicher Intelligenz basierenden Systeme flexibler.

Predictive Analytics: Im electronic Commerce geht fast nichts mehr ohne künstliche Intelligenz aus der Wolke, die zum Beispiel dazu führt, dass den eShop-Kunden auf den Leib geschriebene Angebote unterbreitet werden können. Aber auch im Backoffice hat AI die Geschäftsprozesse längst revolutioniert: welche Produkte wann einen Absatzboom erwarten lassen und wie sich Produktion und Einkauf darauf einstellen, wird mit Cloud-Diensten immer präziser vorhergesagt.

Machine Learning: Ob Chatbots oder Roboter oder Analytics – nur als Cloud-Service können diese Anwendungen immer besser werden. Selbstoptimierende Systeme lernen, die Anforderungen, die an sie gestellt werden, besser vorauszusehen und entsprechend zu handeln. Dazu sammeln sie die Daten aus Hunderttausenden von Anfragen und verbessern dadurch ihre eigene Leistungsfähigkeit. Ohne die Cloud wäre ihre Lernkurve deutlich flacher.

Cognitive Computing: Wenn Maschinen Hunderttausende von Studien durchkämmen, um Gemeinsamkeiten und Auffälligkeiten im Datenwust zu identifizieren, dann schaffen sie Erkenntnisse, die für große Gruppen von Anwendern interessant sind. Das gilt zum Beispiel im Gesundheitswesen, wo das in medizinischen Studien verborgene Wissen mit Hilfe von künstlicher Intelligenz herausgearbeitet wird und über die Cloud allen Medizinern zur Verfügung gestellt wird.

Security: Ohne Cloud-Services wäre das zeitnahe Software-Updaten eine Illusion. Es würde Wochen dauern, mit klassischen Mitteln Sicherheitslücken bei Millionen von Anwendern zu schließen. Aber ohne künstliche Intelligenz aus der Cloud würden auch Angriffsmuster bei Hack-Attacken unentdeckt bleiben, könnten frühe Warnungen nicht rund um den Globus verbreitet werden.

Wer auf all dies nicht verzichten will, kann auf Cloud-Dienste nicht verzichten. Wer aber die Cloud als Option grundsätzlich ablehnt, dem droht auf lange Sicht der Knock-out – als Anbieter von IT-Dienstleistungen ebenso wie als Anwender von Informationstechnik. Jeder weiß, dass Autofahren Spaß macht und eine gewisse Effizienz bietet. Nur auf der anderen Seite des Atlantiks kommt man damit ohne fremde Hilfe nicht an.