CES-Bits

Manchmal erkennt man das ganz Große im ganz Kleinen: Da hat es sich ein Fliesenleger im Raum Ingolstadt verbeten, Aufträge von Ingenieuren aus den Häusern Audi und Siemens annehmen zu müssen, wie der Donaukurier berichtet. Er nennt Beispiele für die Besserwisserei und Praxisferne dieses Berufsstands und klagt über grenzenlose Arroganz. Seit er diese Negativliste auf seiner Webseite veröffentlicht hat, bekommt der Handwerker ein Dutzend Mails pro Tag, zumeist mit positiver Tendenz – auch aus den genannten Häusern. „Endlich bringt das einer mal zur Sprache“, heißt es darin…

Beim Blick auf die CES in Las Vegas bin ich noch immer fassungslos, wie es uns gelingen konnte, die weltgrößte IT-Messe in Hannover zugrunde zu richten und die Weltmarktführerschaft der Consumer Electronics Show mit 180000 Besuchern zu überlassen. Und ich glaube, dass ein Rundgang auf der CES sehr schnell offenbart, warum hierzulande der Misserfolg und dort der Erfolg residiert: die CES ist eine Show mit Spaßfaktor und Entertainment – die CEBIT war immer ein bisschen arroganter Ingenieursdünkel, nach dem Spaß unseriös und Entertainment anrüchig sind.

Um nicht missverstanden zu werden: die CES ist (auch) knallhartes Business. Wer hier auftritt, will die Technologie- und Verkaufstrends des jungen Jahres setzen. Aber niemand hat gesagt, dass man dabei die Freude am Entdecken, den Spaß am Geschäft verlieren soll. „Die CES ist ein leuchtendes Beispiel für das Potenzial von Innovation, globale Probleme zu lösen und das Leben der Menschen überall auf der Welt zu verbessern“, resümierte Gary Shapiro, President und CEO der die Show austragenden Consumer Technology Association. „Die Leidenschaft, Kreativität und geschäftlichen Kontakte auf der CES machen sie zum bedeutendsten internationalen Technologie-Event – und zur inspirierendsten Woche des ganzen Jahres.“ Las Vegas und Hannover sind Antipoden auf der Skala der Leichtigkeit.

Und nun zum Geschäft – das sind die aktuellen CES-Bits:

Es hat den Anschein, als wäre in Las Vegas überall eins draufgesattelt worden: bei der Vernetzung wird aus 4G 5G, beim Fernsehen aus 4K sogar 8K, beim autonomen Fahren aus Level 2 Level 3. Und wichtiger noch: Augmented Reality und Artificial Intelligence ziehen in Alltagsprodukte ein und verändern die Art und Weise, wie wir Maschinen steuern und von Maschinen unterstützt werden. (Ein Schelm, der hier die Verben vertauscht!)

Natürlich hat auch die CES gezeigt, dass 5G noch meilenweit von einer Realisierung entfernt ist – erst recht, wenn es darum geht, diesen Kommunikationsstandard in der Fläche (oder wie wir sagen würden: „an jeder Milchkanne“) bereitzustellen. Aber in dem Maße, in dem wir nicht mehr nur Menschen, sondern Maschinen miteinander verbinden, benötigen wir eine Netzwerkleistung, die nicht nur mehr Geschwindigkeit und höhere Kapazität bietet, sondern als zentrales Nervensystem unserer Wirtschaft auch kürzere Latenz- und damit Reaktionszeiten ermöglicht. Das ist nicht nur für das autonome Fahren entscheidend, sondern auch für die Steuerung einer flexiblen, hochreaktiven Produktion.

Ebenso könnte man sich fragen, wofür Bildschirme nach 4K-Auflösung nun noch einmal doppelt so viele Bildpunkte benötigen, wo doch das menschliche Auge jetzt schon kaum noch Unterschiede ausmachen kann. Doch die Bildschirme werden immer größer – am Arbeitsplatz ebenso wie Zuhause. Vor zehn Jahren lag die durchschnittliche Bildschirmdiagonale bei 91 Zentimetern – jetzt sind es schon 121. Und je mehr Bildschirminformationen zum Beispiel für Augmented Reality-Anwendungen angezeigt werden, desto größer werden die Displays. Und damit steigen auch die Anforderungen an die Bildschirmauflösung.

Bleibt noch Level 3 – der Standard im autonomen Fahren, nach dem ein Fahrer nur noch im Bedarfsfall eingreifen muss. Der Level 2 umfasste Einparkhilfen, Spurhalte-Assistenten, Umgebungssensoren, wie sie in jedem Luxusfahrzeug heute gang und gäbe sind. Auch bei Audi pflegt man diese Ingenieurskunst rund ums autonome Fahren. Die großen deutschen Autobauer waren sämtlich mit Level 3-Beispielen auf der CES vertreten – auf der CeBIT hat man sie weniger gesehen…

Mehr Kick mit KI und 5G

Die CES hieß eigentlich mal Consumer Electronics Show. Doch vor Beginn der am Dienstag öffnenden Show in Las Vegas legte CES-CEO Gary Shapiro Wert darauf, dass der Markenkern nicht mehr bei Consumer-Produkten liegt und nicht reduziert auf Elektronik-Sachen ist. Die CES ist CEBIT, Industriemesse, Internationale Funkausstellung und Automobilsalon in einem. Und sie zeigt zum Jahresbeginn, wo es in den nächsten zwölf Monaten technologisch langgeht. In diesem Jahr lässt sich die Message auf vier Schriftzeichen reduzieren: „5G“ und „KI“.

Tatsächlich wird es auf der CES kaum ein Gerät – vom Auto bis zur Zentralheizung, vom Assistenten bis zum Zubehör – geben, das nicht über 5G-Connectivity oder zumindest Bluetooth verfügt. Und zugleich gibt es kaum eine Produkteigenschaft, die nicht durch Software und künstliche Intelligenz aus der Cloud beeinflusst wird. 5G und KI, Vernetzung und Verständnis, sind die beiden wichtigsten Trends des gerade begonnenen Jahres.

Das sehen auch die CEOs und CIOs von rund 500 Unternehmen so, die in detaillierten Interviews Auskunft über ihre Investitionsplanungen gegeben haben. Unter den fünf wichtigsten genannten Technologien sind ausschließlich Themen, die mit Vernetzung und Verständnis zu tun haben. Der alljährlich erscheinende State of Digital Transformation Report bietet im Übrigen fünf zentrale Erkenntnisse:

  • Digitale Transformation ist ein Projekt, an dem das gesamte Unternehmen und seine Partner beteiligt werden müssen. 28 Prozent der Befragten nennen CIOs, 23 Prozent CEOs als die digitalen Treiber in ihrer Organisation.
  • Der Druck auf die Unternehmen, sich in der digitalen Transformation zu engagieren, kommt aus dem Markt; entweder, weil – wie 51 Prozent der Befragten angeben – Wachstumschancen bestehen, oder aufgrund von Wettbewerbsdruck, wie 41 Prozent der Manager befinden.
  • Das Bewusstsein, dass die Erfahrung der Mitarbeiter und die gelebte Firmenkultur entscheidende Erfolgsfaktoren im digitalen Wandel darstellen können, nimmt zwar zu. Aber die meisten Transformationsprojekte werden mit Blick auf die Modernisierung der Kundenbeziehungen und Kauferfahrungen gestartet. Dabei begeht die Mehrheit der Unternehmen allerdings den Fehler, ihre Kunden nicht in diesen Wandlungsprozess einzubeziehen.
  • Während der digitalen Transformation sind harte Key Indikatoren, nach denen ein wirtschaftlicher Erfolg des Projekts bemessen werden kann, Mangelware. Vielmehr werden die Projekte als Cost Center ohne belastbare ROI-Betrachtungen geführt. Kulturelle Widerstände wie Rechtsfragen und „Das haben wir schon immer so gemacht“ behindern den schnellen wirtschaftlichen Durchbruch.
  • Dagegen setzen immer mehr Unternehmen auf eine Kultur der Innovation, die nicht selten von internen Task Forces angeführt wird. Damit gefährdet die Organisation jedoch den ersten der beobachteten Erkenntnisse: der Wandlungsprozess müsse alle einbeziehen.

Man sieht: der digitale Wandel ist ein Teufelskreis. Tatsächlich kommen mehr und mehr Unternehmenslenker zu der eigentlich banalen Erkenntnis, dass die digitale Transformation keinen Anfang und kein Ende kennt. Deshalb sind auch die Technologiebereiche, in denen Unternehmen in diesem Jahr besonders stark investieren wollen, nahezu die gleichen wie im Vorjahr. Nur die Reihenfolge verschiebt sich.

37 Prozent der Befragten wollen vor allem in Cloud-Technologien investieren. Cybersecurity ist für 35 Prozent der Manager ein Top-Thema. An dritter Stelle der Befragung, bei der Mehrfachnennungen möglich waren, liegt dann schon künstliche Intelligenz (34%), gefolgt von Big Data (28%) und Internet of Things (25%).

Das alles ist auf der CES zu besichtigen. Das Interesse dürfte in diesem Jahr besonders hoch sein, denn nahezu alle Unternehmen planen ein deutlich höheres Digitalbudget für 2019. Vor allem kleine und mittelständische Unternehmen berichten, dass sie Mehrausgaben – zwischen einer und 15 Millionen Dollar – einplanen wollen.

Es wird Zeit für 5G und KI – nicht nur auf der CES, auch in der BRD.