Nach dem Gipfel ist vor dem Berg

Sicherheit und Gerechtigkeit und Digitales – so klingt das Lied der Deutschen vor der Bundestagswahl im Sommer 2017. Es ist das gemeinsame Bekenntnis der größtmöglichen Koalition aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft. Und während es bei den Themen Sicherheit und Gerechtigkeit „Europe First“ heißt, tönte es auf dem Gipfel zur Digitalisierung Anfang der vergangenen Woche laut und vernehmlich „Germany First“.

Doch die Meinungen gehen auseinander in der Frage, ob es sich bei der Positionierung der Deutschen im digitalen Wettstreit um eine Standortbestimmung des bereits Erreichten handelt oder doch eher um eine Zielvorgabe für die kommenden Jahre. Der Digitalgipfel schwankte zwischen Stolz auf die erbrachte Leistung und Bangen vor den anstehenden Aufgaben. Dass es voran gehen muss in Deutschland mit dem digitalen Wandel – darüber waren sich alle 1100 Besucher einig, die auf den Gipfel in der Hightech-Region Ludwigshafen, Mannheim, Darmstadt gepilgert waren. Auch über das Wie gab es kaum Dissens. Aber die Frage, wer das Steuer in der Hand halten soll, wer nur mitfährt und wer nur Ballast ist – entzweite und erhitzte die Gemüter.

Denn das Mantra von der verschlafenen Zukunft wurde wieder einmal über den Mittelstand gesprochen, dessen Innovationskraft mit zunehmendem Alter des Managements nachlasse und dem es an Digitalstrategien fehle. Verhandelt wurde über die Frage, inwieweit die Telekom-Carrier beim Breitbandausbau in Vorleistung zu treten haben und wie ihr ROI ausfallen darf. Gehadert wurde mit den digitalen Großprojekten des Bundes und der Länder, in denen die Verwirklichung der digitalen Behörde nicht und wieder nicht voranschreitet. Und gestritten wurde auch schon über die Ziele der nächsten Legislaturperiode.

Unstreitig ist, dass Deutschland eine erstklassige Infrastruktur braucht, auf der die Wirtschaft ihre Geschäftsmodelle aufbauen, die Wissenschaft ihren Diskurs eröffnen und die Gesellschaft ihren Lebensstil ausleben kann. Zugegeben – ohne Breitbandvernetzung geht da nichts. Aber ohne digitale Visionen und Strategien transportiert auch das schnellste Netz nur Stagnation. Und nicht jeder, der analoge Maschinen durch digitalisierte Steuerungen ersetzt, der seinen Vertrieb mit den sozialen Medien verknüpft oder 3D-Druck zur Individualisierung der Produktion nutzt, denkt gleich auch an eine Umwälzung der eigenen Branche. Viele Digitalisierungsanstrengungen dienen einfach nur der Rationalisierung. Das führt zwar nicht zum Wandel, ist aber mehr als nichts.

Dabei wies der Digitalgipfel eine Vielzahl von Aktionsfeldern auf, in denen Deutschland aus einer Führungsposition auch weiterhin Weltklasse bleiben kann und die Märkte strategisch neuzuordnen in der Lage wäre. Einen Schwerpunkt der Debatte nahm dabei das Gesundheitswesen ein, für dessen wirtschaftlichen Betrieb nicht nur weitere Kosteneinsparungen durch Technologie notwendig sind. Vor allem im Erkenntnisgewinn durch künstliche Intelligenz in der Medizin und in der Pharmaforschung, im Betreuungsplus für Patienten durch Telemedizin, in der Verbesserung der Therapie und Pflege durch eine vernetzte Patientenakte zeigen sich die Potentiale. Kaum ein Aufgabenfeld eignet sich besser als Operationsfeld für den digitalen Wandel als das Gesundheitswesen, wo Patienten, Dienstleister, Hersteller, Versicherungen und Finanzhaushalt einen direkten gemeinschaftlichen Nutzen erzielen beziehungsweise könnten.

In der digitalen Welt geht alles schneller – theoretisch. Aber in der realen Welt gibt es Hemmnisse, die auch durch den Erfolg in der Vergangenheit hervorgerufen werden können. Kaum eine Branche zeigt dies derzeit so eklatant wie die Automobilindustrie, die zu einem Großteil den deutschen Export befördert. Die Transformation vom herkömmlichen fahrergesteuerten, durch Verbrennungsmotoren angetriebenen Privatwagen zum CASE-Produkt, das connected, autonomous, shared und electric ist, fällt hierzulande deutlich schwieriger aus als beispielsweise in China, wo eine Automobilindustrie erst im Entstehen ist und von Anfang an auf Alternativen setzen kann. Ein allzu schneller Übergang würde in Deutschland hunderttausende von Arbeitsplätze kosten.

Der digitale Wandel ist mal eine Ente, mal ein Jaguar. Entscheidend ist, wie gut die Strategie an die Realität angepasst ist. Mit dem nötigen Pragmatismus ausgestattet hat der Mittelstand schon immer gewusst, wann er auf die Bremse treten und wann das Gaspedal durchgedrückt werden muss. Dazu braucht es freilich Planungssicherheit, die langfristig ausgelegt ist und nicht von Bundestagswahl zu Bundestagswahl neu justiert werden muss. Denn Digitalisierung ist kein Einmal-Projekt, nach dem man sich getrost zurücklehnen kann. Nach dem Digitalisierungsschritt ist vor dem Digitalisierungsschritt. Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel.

Das wissen auch die Seilschaften am Gipfel: Der Bundesverband der deutschen Industrie und der Hightech-Verband Bitkom sehen sich als Speerspitze der Digitalisierungsoffensive, weil sie eine pluralistische Wirtschaftswelt abbilden. Sie sahen sich auf dem Digitalgipfel neben der Kanzlerin gleich vier Ministern aus drei Parteien gegenüber. Bei aller Freude über die prominente Besetzung wurde deshalb auch wieder der Ruf nach einem Digitalministerium als ordnende Kraft und starkem Gesprächspartner für die Wirtschaft laut. Doch die Welt ist viel zu facettenreich, als dass Digitalisierung in einem Schwerpunktressort aufgefangen werden sollte. Deshalb ist es auch nicht überraschend, dass der Hightech-Verband Bitkom offensichtlich seinen neuen Präsidenten diese Woche außerhalb der Digitalwirtschaft finden wird. Dann könnte auf den sich nun seinen neuen Aufgaben im Vorstand der Lufthansa widmenden Thorsten Dirks der Private Equity Experte und Aufsichtsratsvorsitzende des Bitkom-Mitglieds Flixbus, Achim Berg, folgen, der freilich als ehemaliger Deutschlandchef von Microsoft genügend Stallgeruch mit sich bringt. Nach dem Gipfel ist nun mal vor dem Berg.

Fürchtet Euch nicht

„Und ob ich schon wanderte im finsteren (Digi)Tal, fürchte ich kein Unglück.“ Es scheint, als sollte die Zeile aus dem 23. Psalm zu Beginn des Digital-Gipfels der Bundesregierung stehen. Denn zum Auftakt des ab morgen stattfindenden Spitzentreffens hagelt es mal wieder schlechte Umfragewerte – nicht für Politiker, sondern für die Deutschen im Allgemeinen.

Das schlechteste Zeugnis haben sie sich dabei selbst ausgestellt. Auf die Frage des Hightech-Verbands Bitkom nach der eigenen Digitalkompetenz haben sich die Deutschen über 14 ein mäßiges „ausreichend“ ausgestellt. Dabei sah die Rentnergeneration (ab 65 Jahre) sich „mangelhaft“ auf das Leben in Digitalien vorbereitet. Und selbst die jüngeren Jahrgänge (14-29 und 30-49) mochten ihre Kompetenzen lediglich als „befriedigend“ deuten.

Im Gegensatz zu früheren Meinungsäußerungen sind die Deutschen aber gegenüber der Informationstechnik nicht mehr rundweg ablehnend – es ist also ein weiter Weg seit der bundesweiten Verweigerung von Volksbefragungen und Internetzugängen. 77 Prozent der 14- bis 29jährigen gaben an, dass die Digitalisierung eine große Bedeutung in ihrem Leben hat. Bei den 20- bis 49jährigen ist dieser Zustimmungswert sogar noch höher: 82 Prozent. Aber drei von fünf Rentnern gaben an, dass die Digitalisierung keine Bedeutung für sie hat.

Das wächst sich aus – könnte man meinen. Doch das wäre nicht nur zynisch, sondern auch gefährlich. Denn die Diskrepanz zwischen Neigung und Kompetenz ist durchaus eklatant. Gerade weil die Digitalisierung eine so hohe Bedeutung in Gesellschaft, Wirtschaft und im Privatleben erreicht hat, sollte die Digitalkompetenz dringend ausgeweitet werden. Das beginnt in der Schule, wo der – wohlgemerkt: richtige – Umgang mit Computern und vernetzten Systemen schon früh nahegebracht werden sollte, setzt sich bei der Berufswahl und Berufsausbildung fort und schließt schließlich das berufliche Leben mit ein. Gerade bei mittelständischen Betrieben wird ja allgemein konstatiert, dass es an belastbaren Digitalstrategien fehlt.

Da ist es sinnvoll, wenn Bildungsministerin Johanna Wanka Milliarden in die Digitalausstattung der Schulen stecken und – als zweite Seite der Medaille – auch die Digitalkompetenz der Lehrer voranbringen will. Da ist es auch löblich, dass mit den Digital Hubs zwölf Standorte hervorgehoben werden, deren Kernkompetenz in „digital plus X“ – also beispielsweise Mobilität, Logistik oder Finanzwesen – weiter gestärkt werden sollen. In einer dieser Regionen mit ausgewiesener hohen Kompetenzdichte – der Region Rhein-Neckar im Länderdreieck Hessen, Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg – soll nun auch der Digital-Gipfel als Nachfolge-Event des nationalen IT-Gipfels tagen.

Dort werden aber in echter deutscher grüblerischer Manier Themen diskutiert, deren Fragestellung schon bange machen muss: „Verschlafen wir die Digitalisierung?“, „Verfügen wir über die neuesten Technologien?“, „Verfügen wir über die entscheidenden Kompetenzen?“, „Gelingt der Sprung von der Innovation zu Wachstum und Beschäftigung?“

„Ja, ja, ja und nochmals ja“, möchte man den Diskutanten zurufen – darunter das halbe Bundeskabinett, die Ministerpräsidenten der drei gastgebenden Länder und jede Menge Unternehmens-Vorstände. „Fürchtet euch nicht!“ Und vor allem: „Lasst das Lamentieren.“ Die Deutschen sind besser als der Ruf, den sie sich selber geben.

Einem Briten würde es auch nach Brexit und Wahlchaos nie in den Sinn kommen, sich selbst mangelnder Kompetenzen zu bezichtigen. Ein US-Amerikaner wird auch jetzt immer noch den Toast ausgeben: „Right or wrong, my country!“ Und in Frankreich singen Schüler spontan die Marseillaise, wenn sie sich über den Ausgang der Präsidentschaftswahl dort erleichtert zeigen. Die Deutschen, so scheint es, kennen nur die beiden Extreme – Sack und Asche oder Großmannssucht. Nur einen realistischen Blick auf uns selbst – das kriegen wir nicht hin.

Dabei ist die richtige Einschätzung der Notwendigkeiten ohne Panikmache und ohne Größenwahn die Herausforderung, die der Digital-Gipfel meistern muss. Es gilt, die richtigen Weichen richtig zu stellen und nach der Bundestagswahl darauf aufzubauen. Vier Leistungen fordert Bitkom-Präsident Thorsten Dirks im Vorfeld des Gipfeltreffen: eine grundsätzliche Neuausrichtung unseres Bildungssystems, eine konstante Datenpolitik, Ökosysteme der digitalen Transformation und die leistungsfähigste Infrastruktur. Das klingt ein wenig abstrakt, ist aber im Kern durchaus richtig – wenngleich erst die konkrete Umsetzung zeigen wird, ob der eingeschlagene Weg zukunftsweisend ist.

Ein Beispiel: In der aktuellen Debatte wird die Bildungsfrage gern auf die Aussage verkürzt, dass nur der erfolgreich sein kann, der zu programmieren versteht. Das ist Unsinn. Code ist nur eine Disziplin – und vielleicht nicht einmal die entscheidende. Wichtiger noch scheinen mir die Fähigkeit zu sein, andere Menschen zu verstehen, Geschäftsideen zu entwickeln, technische und kulturelle Zusammenhänge zu begreifen und zu wissen, wie man im Wirtschaftsleben agiert. Das sind die Fähigkeiten, die vor der Gründung eines erfolgreichen Startups stehen. Wer weiß, was zu tun ist, findet auch Partner, die es tun. Dazu braucht man Kreativität, Mut und Verantwortungsbewusstsein. Deshalb: „Fürchtet Euch nicht!“

 

Trade in Germany

Es bedarf schon einer besonders gekonnten dialektischen Pirouette, wenn man gegen den sich in den Vereinigten Staaten von Amerika abzeichnenden Protektionismus ein Zeichen der Offenheit setzen will und das unter der Überschrift „Made in Germany“ tut. Aber genau das ist den führenden Wirtschaftsverbänden, die am Rande der Handwerksmesse in München mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammentrafen, gelungen. „Was uns stark macht“, definierten BDA, BDI, DIHK und ZDH zusammen mit dem Kanzleramt in einem Positionspapier, das im Vorfeld des Münchner Spitzengesprächs der Deutschen Wirtschaft vereinbart wurde.

„Was uns stark macht“, lässt sich demnach in drei Schwerpunkte – mit jeweils unterschiedlichem regionalem Bezug – fassen: freier Handel in offenen internationalen Märkten, ein starkes Europa und ein wettbewerbsfähiges Deutschland. Diesen Dreisprung gaben die Vertreter der Spitzenverbände, Dieter Kempf (BDI), Ingo Kramer (BDA), Hans-Peter Wollseifer (ZDH) und Ralf Kersting für den DIHK der Kanzlerin am Vorabend ihrer USA-Reise mit. Neben dem Zustand der deutschen Wirtschaft war deshalb vor allem der Zustand der deutsch-amerikanischen Beziehungen das Thema des Spitzengesprächs.

Immerhin hängt in Deutschland, so erinnerten die Wirtschaftsvertreter in ihrer Standortbestimmung, jeder vierte Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Export ab. Deshalb sollen bilaterale und internationale Beziehungen wie sie im CETA-Abkommen mit Kanada erfolgreich begründet wurden, weiter ausgebaut. Ob die Kanzlerin damit freilich im Weißen Haus Gehör finden wird, darf getrost bezweifelt werden. Allerdings dürfte der „Deal-Maker“ im Oval Office es verstehen, wenn ihm Szenarien ohne „Made in Germany“ und „Trade with Germany“ vorgestellt würden.

Protektionismus hat noch nie geholfen – jedenfalls nicht auf lange Sicht. Ein Grund mehr, auch die Integration der Europäischen Union weiter voranzutreiben und die Gemeinschaft strukturell mit dem Ziel umzubauen, Produktivität und Wachstum zu stärken, meinen die Wirtschaftsverbände. Allerdings fordern sie zugleich weniger Zentralgewalt und dafür mehr Subsidiarität und Eigenverantwortung der Mitgliedsstaaten.

Vor allem soll Deutschland fit für die Digitalisierung werden. Dazu wiederholten die Wirtschaftsvertreter ihr Mantra vom flächendeckenden Netzausbau und beklagten zugleich den erheblichen Nachhol- und Beschleunigungsbedarf. Ebenfalls auf der Wunschliste steht die Durchsetzung flexibler Arbeitsmodelle, die der Tatsache Rechnung tragen sollten, dass die Wertschöpfung immer häufiger ungebunden von festen Arbeitszeiten und Arbeitsplätzen erfolgt. „Die sich rasch entwickelnde Plattformökonomie“, so das Positionspapier zum Münchner Spitzengespräch mit der Kanzlerin, „muss allen Unternehmen größenunabhängig faire Wettbewerbspotenziale eröffnen.“

Auch das – ebenfalls zutreffende – Mantra von einer gestärkten beruflichen Bildung als Voraussetzung für ein „Future Made in Germany“ war in München zu hören. Dies gelte insbesondere für die Vermittlung digitaler Kompetenzen. Ihre persönlichen „digitalen Kompetenzen“ bewies die Kanzlerin in der Runde mit rund 150 Unternehmern und Verbandsvertretern, als sie in ungewohnt launiger Art und Weise aufzeigte, wie zum Beispiel Handwerksbetriebe neue Geschäftsprozesse und Produkteigenschaften durch die Umsetzung der Digitalisierung in ihren Betrieben erreichen können. Vom Schornsteinfegermeister in Dresden bis zum Inhaber einer mittelständischen Feingießerei in Bad Lobenstein ging die Fragerunde, die die Kanzlerin 90 Minuten lang bediente. Dabei stand der Kurort im Thüringer Schiefergebirge sinnbildlich für den Flächenausbau mit Glasfaserkabeln. In einer vernetzten Welt ist das Netz schon jetzt ein ebenso zentraler Wirtschaftsfaktor wie die nächste Autobahnauffahrt und der Gleisanschluss. In einer immer mehr auf digitale Dienste ausgelegten Wertschöpfung dürfte es aber noch an Bedeutung gewinnen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel war sichtlich in ihrem Element, als es um Fragen der Digitalisierung ging. Wie schon auf dem IT-Gipfel in Saarbrücken im vergangenen Oktober beweist die gelernte Physikerin, dass ihr das Thema liegt. Eine ähnlich lockere Atmosphäre wäre ihr bei ihrem Treffen mit dem US-amerikanischen Präsidenten zu wünschen – aber das wäre wohl ein alternatives Faktum, wenn nicht gar Fatum.

 

 

Digitaler Triathlon

153 Milliarden Euro setzten Deutschland kleine und mittelständische Familien im Jahr 2015 über Online-Kanäle um. Diese Zahl legte jetzt die volkswirtschaftliche Abteilung der KfW Research vor. Was auf den ersten Blick ganz ordentlich aussieht, ist auf den zweiten ein tiefer Blick in mittelständische Rückständigkeit: nicht nur entsprechen die 153 Milliarden Euro lediglich vier Prozent der gesamten wirtschaftlichen Leistung der Deutschland GmbH. Mit gerade einmal neun Milliarden Euro ist der erzielte Umsatz im Consumer-Umfeld sogar verschwindend gering. Amazon allein erzielt in Deutschland einen Umsatz von acht Milliarden Euro im Endkundengeschäft.

144 Milliarden Euro hingegen entstanden durch direkte Kundenbeziehungen entlang der Lieferkette zwischen Lieferanten, Herstellern und dem Handel. Sie sind somit in organischer Weiterentwicklung der bestehenden Supply-Chain-Beziehungen unter eCommerce subsummiert worden. Das ist durchaus lobenswert, zeigt aber auf, dass sich der deutsche Mittelstand bei der Digitalisierung auf Bewährtes zurückzieht.

Das gilt vor allem für Unternehmen, deren Geschäftsprozesse historisch gewachsen sind. Die Annahme freilich, dass die hier etablierten Vertriebskanäle völlig ausreichen und der Bedarf an neuen Absatzwegen und Kundenbeziehungen somit nicht groß genug sein könnte, um die Investitionen in einen eCommerce-Auftritt zu rechtfertigen, dürfte sich als zu optimistisch erweisen. Das nämlich macht ein Blick auf die Alterspyramide deutlich, die einen klaren Zusammenhang herstellt zwischen dem Alter des Unternehmers und seiner Neigung, eCommerce-Kanäle zu nutzen. Nur elf Prozent der Umsätze, die in Unternehmen generiert werden, deren Lenker älter als 60 Jahre sind, stammen aus den Online-Kanälen. Bei den Firmen der „U40“-Unternehmern tragen dagegen die eCommerce-Quellen zu 60 Prozent zum Umsatz bei. Jüngere Unternehmer nutzen das Internet also konsequenter.

Dabei ist die Zurückhaltung unabhängig vom Alter der Firmenlenker noch bedrückend hoch: Während 15 Prozent der „Ü60“-Entrepreneure auf Online setzen, sind es auch nur 14 Prozent der Unternehmen, deren Chef jünger als 40 Jahre ist. Die beste Verbreitung hat der Online-Vertrieb hingegen bei den Vierzigern, wo jeder Fünfte auf eCommerce setzt. Allerdings nur mit mäßigem Erfolg – hier trägt das Internet nur zu einem guten Viertel zum Umsatz bei.

Doch der Vertriebskanal ist nur eine Disziplin im digitalen Dreikampf. Neben der Kundenkommunikation und dem Verkauf sind es vor allem die Produkte selbst und die Herstellungsmethoden, die durch den digitalen Wandel revolutioniert werden. Und auch hier laufen die Deutschen noch nicht auf Hochtouren, wie der KfW-Mittelstandsmonitor ausweist. Nur jeder Fünfte hat danach schon mit der Vernetzung von Produkten und Dienstleistungen begonnen – von der Formulierung neuer Geschäftsmodelle ganz zu schweigen.

Zwar führt danach fast jedes Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern inzwischen mindestens ein Digitalisierungsprojekt durch, doch sind diese Einzelaktionen noch weit entfernt von einer umfassenden Digitalstrategie, die alle drei Disziplinen des Digitalen Triathlons einbeziehen. Um im Bild zu bleiben: Während die ersten schon längst auf der Radstrecke getrocknet sind, planscht der typische deutsche Mittelständler noch im Wasser.

Ja, zwei Drittel der Triathleten befinden sich sogar noch im Trainingslager und bilden zunächst einmal digitale Kompetenzen aus. Das ist grundsätzlich löblich – führt aber auch dazu, dass zunächst einmal kleine und kleinste Fortschritte bereits als Digitalstrategie verkauft werden. Knapp die Hälfte der Mittelständler geben aufs Jahr gerechnet gerade einmal 10.000 Euro für die Triathlethische Grundausbildung aus. Jeder Achte hingegen investiert mehr als 40.000 Euro ins digitale Boot Camp. Insgesamt gesehen sind das zwar zehn Milliarden Euro – aber das wäre dann gerade einmal ein Viertelprozent des mittelständischen Umsatzes.

Der digitale Triathlon ist noch lange kein Breitensport, sondern eine Randsportart in Deutschland. Das dürfte derzeit nicht einmal für die Holzmedaille reichen.