Guter Rat ist Euer

„Wenn man nicht mehr weiter weiß, gründet man einen Arbeitskreis“ – die Verwaltungsweisheit wird dem Volksmund zugeschrieben und unterstellt zweierlei: entweder das versierte Hinauszögern einer Aktion oder den Versuch, die Entscheidungsbasis zu erweitern. Dieter Hallervorden bündelte diese Methode in dem Ausspruch: „Ich brauche mehr Details.“

Es ist ja nun nicht so, als wenn die Bundesregierung in den vergangenen Jahrzehnten nicht kontinuierlich erbetene oder ungefragte Hinweise auf das Handlungsdefizit in Sachen Digitalisierung erhalten hätte. Und es ist auch keineswegs so, als befände sich Deutschland angesichts des digitalen Wandels in einer ausweglosen Situation. Was zu tun ist, liegt eigentlich auf der Hand. Woran es bislang fehlte, war nicht die höhere Einsicht, sondern die Bereitschaft, anzupacken.

An dieser digitalen Bräsigkeit kann und wird auch ein hochkarätiger Digitalrat nichts ändern. Wenn er – wie die Kanzlerin in ihrer Videobotschaft erläuterte – sich um die Themen Breitbandversorgung, Bildung, eGovernment und künstliche Intelligenz kümmern soll, werden Aufgabenstellungen formuliert, die – mit Ausnahme von KI – zu den Evergreens praktisch aller Digitalen Gipfeltreffen der Vergangenheit gehören. Hierzu ist schon so viel an Kenntnis und Erkenntnis beratschlagt worden, dass es schwer fällt, vom Digitalrat noch bahnbrechend Neues zu erwarten.

Hinzu kommt aber, dass Berichten zufolge gar nicht mal unbedingt Einigung darüber besteht, welche Themen auf der Agenda des Digitalrates stehen sollen, wenn er diese Woche zum ersten Mal zusammentritt. Denn da soll unter dem Vorsitz der ehemaligen Staatssekretärin im Bundesverteidigungsministerium Katrin Suder vor allem über Zukunft der Arbeit, Umgang mit Daten, die Gründerszene in Deutschland und neue Partizipationsmöglichkeiten in einer digitalen Ökonomie gesprochen werden.

Das alles sind Themen, die seit Jahren anhängig sind. Einige, wie etwa die Frage, wie wir unsere Arbeit zukünftig gestalten wollen, eignen sich durchaus für einen politischen Marathondiskurs, der für ein zweimal jährlich tagendes Gremium wie gemacht erscheint. Andere wie der Breitbandausbau bedürften eigentlich nicht der Diskussion, sondern nur noch der Aktion. Hier scheitern wir an der Frage, wer womit in Vorleistung zu treten hat – anstatt einfach mal die Versprechungen der Vergangenheit einzulösen.

Der Digitalrat besteht aus lauter ehrenwerten Damen und Herren. Wer an der personellen Zusammensetzung Kritik übt, setzt sich eher dem Verdacht aus, aus Enttäuschung über die eigene Nicht-Nominierung in den Beckmesser-Modus zu schalten. Katrin Suder eilt der Ruf voraus, im Bundesverteidigungsministerium einen guten Job gemacht zu haben, als es darum ging Infrastrukturdefizite der Bundeswehr zu benennen und zu beheben. Ihr guter Rat ist also ebenso wertvoll wie der ihrer Kolleginnen und Kollegen.

Aber wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Durchsetzungsproblem. Daran wird der Digitalrat nichts ändern. Ebenso wenig, übrigens, wie die vor Monaten bestellte Digitalstaatssekretärin Dorothee Bär, die ebenfalls mit viel Vorschusslorbeeren ins Amt gelobt wurde und deren Handlungsportfolio bislang doch auch durchaus überschaubar ist.

Nicht durch Rat, sondern durch Tat werden wir den Weg aus dem Digi-Tal finden. Was immer wir vom Digitalrat erwarten können, entscheidend ist, ob sich für diesen guten Rat auch Gehör findet. Es ist nicht mehr die Zeit für große Gesten, sondern für Strategien. Ohne Personal, das – jeder für sich in seinem oder ihrem Ressort – die Ärmel aufkrempelt und zur Umsetzung schreitet, ist dies alles nichts. Von der Gesundheitskarte über die Steuererklärung bis zur Verkehrslenkung, von der Datensicherheit bis zur Sicherheit der Arbeit in einer künstlich intelligenten Welt, von der Infrastruktur für Strom, Daten und Mobilität bis zu klaren Anreizen fürs Gründen, für mittelständische Investitionen und globale Innovationen ist alles gesagt – nur noch nicht von jedem.

 

Das Bild ist der Videobotschaft der Bundesregierung entnommen, in der sich der Digitalrat per Skype präsentiert. Innovativ!