Begrenzte Intelligenz

Bei der Lektüre der Nachrichten aus der Informationswirtschaft habe ich unweigerlich Bilder im Kopf. Das eine Bild ist eine Karikatur zweier Eltern, die sich über die Fähigkeiten ihres hochbegabten Kindes in die Wolle kriegen, während das KI-nd zwischen beiden zu vermitteln versucht. Das andere Bild zeigt Elon Musk und Mark Zuckerberg, die sich mit Hilfe eines KI-Computers gegenseitig Sprachnachrichten an den Kopf werfen. Beide merken nicht, dass der Computer ganz nebenbei auch noch eine SpaceX-Rakete steuert und Posts von Hasstiraden bereinigt.

Dabei hatte das Kind, also die Kunst der künstlichen Intelligenz, gerade gar nichts angestellt. Als vor gut einem Jahr ein autonom gesteuerter Tesla aus Musks Produktion versehentlich einen kreuzenden Sattelschlepper nicht als Hindernis erkannte, war Elon Musk aus naheliegenden Gründen darum bemüht, der Technik keine Mitschuld an dem tödlichen Unfall zu geben. Tatsächlich wird die Teslaautonomie auch richtigerweise als Autopilot vermarktet, die den Fahrer nicht von der Pflicht enthebt, jederzeit einsatzbereit zu sein. Nach dem Untersuchungsbericht der US-Verkehrsbehörde hatte der Fahrer sieben Sekunden Zeit gehabt, um einzugreifen.

Dennoch wird Musk nimmermüde, vor den Gefahren künstlicher Intelligenz zu warnen, die er als „größte Bedrohung, der wir als Zivilisation gegenüberstehen“ bezeichnete. Zuletzt tat er dies – und das war Auslöser des Streits zwischen ihm und Mark Zuckerberg – vor US-Gouverneuren, die er ermahnte, „proaktive“ Reglementierungen gegen Ausschreitungen künstlich intelligenter Systeme einzuleiten. Man dürfte nicht erst handeln, wenn ein Mensch auf der Straße von einem „KI-ller“ getötet werde, warnte er.

Musk unterließ es allerdings, genauer zu erklären, welche Auswüchse künstlich intelligenter Systeme er tatsächlich proaktiv begrenzen möchte. Seine Pauschalkritik brachte denn auch sofort Widerspruch hervor, etwa von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, der nicht ganz ohne Pathos darauf hinwies, dass KI-Systeme dabei helfen werden Autos unfallfrei durch den Verkehr zu schleusen und komplexe Diagnosen zu stellen, die wiederum zu lebensrettenden Therapien führen. Und durchaus publikumswirksam verwies er darauf während einer Facebook-Konferenz, dass die Menschheit Hunderttausende Verkehrstote akzeptiere, die sozusagen auf dem Altar des menschlichen Versagens geopfert werden.

Natürlich gibt es genügend Anlass, sich über die weitere Entwicklung von KI-Systemen kritische Gedanken zu machen. Eben erst befreien sie den Menschen von Routinetätigkeiten und beginnen damit, ihn bei der Entscheidungsfindung zu unterstützen. Morgen steuern sie Systeme, die über unser Leben wachen, und treffen Entscheidungen, die unser Leben beeinflussen, wenn nicht gar retten können. Damit verbinden sich durchaus ähnliche ethische Fragestellungen, wie sie mit der Gentechnologie verbunden werden. Und es ist durchaus angemessen, darüber kontrovers zu diskutieren.

Allerdings beließ es Musk den Berichten über das Gouverneur-Treffen zufolge bei der pauschalen Dystopie – also der Beschwörung eines „AI-mageddons“, in dem es zur Entscheidungsschlacht zwischen Menschen und Maschinen kommt. Das eignet sich für Katastrophenfilme. Für die Diskussion unserer Arbeitswelt von Morgen eignet sich eine Pauschalverurteilung der künstlichen Intelligenz aber nicht.

Denn wir werden uns natürlich mit der Frage auseinandersetzen müssen, wie und welche Arbeitsplätze durch den Job-Killer KI verändert oder gar vernichtet werden. Und wir werden auch die Frage zu beantworten haben, wie die Aufgabenstellungen „für den hart arbeitenden Menschen“ (Martin Schulz) immer komplexer, immer kreativer, immer intuitiver und immer flexibler gestaltet werden. Für die einen ist sie die Verheißung, für die anderen die Abkehr von Sicherheit, Prosperität und Geborgenheit. Und schließlich werden wir auch die Frage zu beantworten haben, wie wir den wertschöpfenden Teil der künstlichen Intelligenz bewerten wollen im Vergleich zur Wertschöpfung durch den Menschen. Werden wir also für Maschinen Steuern zahlen oder für Menschen voraussetzungslose Grundeinkommen bereitstellen? Sicher ist, dass KI-Systeme Arbeitsplätze vernichten, ehe sie dabei helfen, neue entstehen zu lassen. Sicher ist aber auch, dass wir mit Hilfe von KI-Systemen Menschenleben retten können. Und das Leben lebenswerter gestalten werden.

Elon Musk hat die Gegenrede von Mark Zuckerberg mit der vernichtenden Kritik beantwortet, jener verfüge nur über „limitierte Kenntnisse“. Tatsächlich hat er damit die Diskussion um künstliche Intelligenz, ohne es zu wollen, auf ein Kernthema zurückgeführt. „Artificial Intelligence“ unterstellt mitnichten künftigen Computern eine „Intelligenz“ im menschlichen Sinne. Im anglo-amerikanischen Sprachgebrauch ist „Intelligence“ noch immer eher „Kenntnis“, „Erkenntnis“, „Einsicht“ oder „Aufklärung“. CIA war noch nie ein Bund von Intelligenzlern, sondern bündelte Geheimdienstinformationen.

Wir werden auch weiterhin mit limitierter Intelligenz leben müssen oder können – sowohl bei Computern wie auch bei uns Menschen. Das hat durchaus etwas Versöhnliches.