Der Geist von Meseberg weht analog

Es gab den Geist von Spiez und den Geist von Malente, den Geist von Flug 401, den Geist des Weines, den Geist von Canterbury – und jetzt gibt es den Geist von Meseberg. Der weht – wie alle seine Vorgänger – eher analog. Und bei der jetzt vorgestellten Digitalstrategie, die der Autobahn-Minister Volker Wissing letzte Woche präsentierte, scheint die Ampel-Koalition sogar von allen guten Geistern verlassen zu sein. So wenig Digitales in einer Digitalstrategie war nie.

Dabei ist die Liste der Anekdoten, in denen der Amtsschimmel analog wiehert ellenlang: Zum Beispiel beim Online-Rezept, das in vielen Arztpraxen erst einmal ausgedruckt und abgeheftet werden muss, bevor es verarbeitet werden kann. Zum Beispiel beim Bau von Windkraftwerken, wo 15 Aktenordner mit zusammengenommen mehreren Zehntausend Seiten die  Voraussetzung für ihre Bewilligung darstellen. Zum Beispiel bei der Datenerhebung zur neuen Grundsteuer, bei der eigentlich im Bund alle Daten vorliegen, nur eben nicht digital, weshalb jetzt die Grundbesitzer alles zusammensuchen und erfassen sollen. Und wer stürzt dabei ab – natürlich der Elster-Server.

Wir sind auf dem Weg ins Digital noch lange nicht über den Berg. Aber wir sind angesichts der Krisen-Anhäufung in diesen Tagen bei praktisch nichts wirklich überm Berg. Weder bei Corona, noch beim Gas, bei der Inflation oder bei der wachsenden Kriegsangst. Um der Fairness halber sei gesagt: Niemand beneidet die Ampel-Koalitionäre derzeit um ihre Ministerposten. Viele der Herausforderungen kamen völlig unerwartet und ebenso viele Herausforderungen wurden von der Vorgänger-Regierung geerbt. Wir haben uns vieles – wie die Abhängigkeit der Wirtschaft vom billigen russischen Gas zeigt – selbst eingebrockt.

Deshalb müssen die nächsten Schritte nicht nur in die richtige Richtung gehen, sondern zugleich wuchtig sein, wie es Bundesfinanzminister Christian Lindner – beflügelt vom Geist von Meseberg – nach der Klausurtagung der Bundesregierung formulierte. Und schon am Wochenende –  in der Nacht von Samstag auf Sonntag – einigte man sich auf die Eckpfeiler des 65 Milliarden Euro schweren dritten Entlastungspakets. Was ist für uns drin?

 

  • Für einen Basisverbrauchan Strom soll ein vergünstigter Preis gelten. Darüber wäre der Preis nicht begrenzt. Zudem soll die anstehende Erhöhung des CO2-Preises bei Energie auf 2024 verschoben werden.
  • Das Kindergeldsoll zum Jahresbeginn um 18 Euro monatlich für das erste und zweite Kind steigen.
  • Studierende und Auszubildende sollen zum 1. Dezember eine einmalige Energiepreispauschale von 200 Euro erhalten. Pensionierte bekommen einmalig 300 Euro – einkommenssteuerpflichtig.
  • Ab 2023 soll die Besteuerung von Rentenbeiträgen wegfallen.
  • Das geplante Bürgergeld soll für Bedürftige von 449 auf 500 Euro angehoben werden.
  • Sozialleistungen sollen der tatsächlichen Inflationsrate angepasst werden.
  • Das Wohngeld wird auf einen weiteren Kreis ausgedehnt. Zusätzlich sollen Bezieher von Wohngeld einmalig einen Heizkostenzuschuss erhalten.
  • Und für die Wirtschaft gilt: Das Gespenst von der „Übergewinnsteuer“ ist verscheucht, dafür kommt eine „Erlösobergrenze“ für Energieerzeuger.

Ach ja – und das Neun-Euro-Ticket soll in veränderter Form wiederkommen, wenn Länder und Kommunen mitmachen. Erste Erfahrungen zeigen allerdings, dass das Ticket in den bisherigen drei Monaten unerwartete bis unerwünschte Nebenwirkungen zeigte: Zugpendler stiegen aufs Auto um, weil die Züge überfüllt waren, Punks punkteten auf Sylt und die Omnibusbetreiber registrierten einen Umsatzeinbruch um zwei Drittel, weil niemand mehr Busreisen buchte, ein Teufelskreis.

War sonst noch was? Ach ja, das Digitalpapier aus dem Verkehrsministerium, mit dem die digitale Agenda der Bundesregierung für die kommenden Jahre festgeschrieben werden soll. Darin liegt bereits der mögliche erste Designfehler: Denn in diesen stürmischen  Tagen, in denen Innovationen und Inventionen nur einen Mausklick weit weg zu liegen scheinen, ist eine langfristige Festlegung kaum möglich. Und wissen wir denn, ob wir in der nächsten Zeit eher in Effizienz oder Wachstum, eher in Insourcing statt in Outsorcing, mehr in Automation als in Qualifikation investieren sollten? Aber, wie der zuständige Minister Volker Wissing formulierte: „Wir verlieren uns nicht in Zukunftsvisionen“. Schade eigentlich.

Denn von diesen Fragestellungen ist die Bundesagenda fürs Digitale völlig unbeleckt. Hier geht es – fast wie im Bundeswehrbeschaffungsamt – eher  darum, eigene Standards wie Gaia-X zu definieren als die Dinge zu übernehmen, die bereits auf der Stange hängen. Das Fazit des Hightech-Verbands Bitkom ist denn auch ernüchternd: „Insgesamt fehlt es der Digitalstrategie in zu vielen Bereichen an Ambitionen.“

Das zeigt sich auch am Beispiel der drei zentralen Hebelprojekte, die die Bundesregierung voranbringen möchte, um damit ganz Deutschland digital voranzubringen: der Ausbau von Gigabitnetzen und Datenräumen, international einheitliche Normen und Standards sowie sichere digitale Identitäten – so genannte eIDs – und moderne Register. Leider fehlen hier konkrete zeitliche und inhaltliche Zielsetzungen, so dass nicht viel mehr bleibt als eine Absichtserklärung.

Die Digitalstrategie der Bundesregierung ist leider alles andere als wuchtig. In ihr weht doch noch viel Analoges. Und auch der Geist von Meseberg ist noch lange nicht digital.

Wissen wäre Macht

In einer aktuellen – und als repräsentativ eingestuften – Umfrage des Meinungs-Portals Civey sollten am vergangenen Wochenende C-Level-Entscheider eines Unternehmens – also Manager in der Position mit irgendwas mit „Chief“ – auswählen, welche der vorgegebenen Digitaltechnologien für ihr Unternehmen in naher Zukunft richtungsweisend sein würden. Zur Auswahl standen Blockchain, Kryptowährung, NFTs, Virtual Reality, Augmented Reality – und natürlich „Keine der Genannten“ und „Weiß nicht“.  Und wenig überraschend sagten 64 Prozent der befragten Chiefs, dass keine der genannten Technologien künftig einen Einfluss aufs Geschäft haben werde. Weitere 5,5 Prozent zuckten mit den Schultern: „Weiß nicht“!

Bleiben noch 30 Prozent, die irgendwie die genannten Technologien mit ihrer eigenen Zukunft verbinden konnten. Immerhin zwölf Prozent der Befragten sahen in Augmented Reality einen nennenswerten Einfluss auf die künftige Geschäftsentwicklung, der Rest verlief im marginalen Bereich. Ausgenommen NFTs, die von den Managern ausnahmslos – also mit 0,0 Prozent – als irrelevant eingestuft wurden. Nun soll dies kein Pro-Seminar zu Digitaltechnologien werden, in dem der feine Unterschied zwischen Virtual und Augmented Reality herausgearbeitet wird oder erklärt wird, warum Blockchain-Technologie nicht zwangsläufig etwas mit Kryptowährungen zu tun haben muss.

Aber NFTs wollen wir angesichts der Tatsache, dass 100 Prozent der Befragten sie für sich als unwichtig identifizierten, nun doch kurz deuten:  NFT steht nämlich für Non-Fungible Tokens und ist ebenfalls eine Blockchain-Technologie, mit der auf digitale Objekte wie 3D-Dateien, Audios, Videos etc. verwiesen wird. Wer also beispielsweise im  Vertrieb oder im Handel originale oder einmalige digitale Objekte an Kunden, Interessenten oder in weltweiten Teams an Mitarbeiter verschicken will, kommt an NFTs eigentlich nicht vorbei. Das Auktionshaus Christie´ s hat unlängst ein originales digitales Objekt (Bild), also ein NFT, versteigert. Man kann damit also tatsächlich Geschäft machen.

Aber wenn NFTs in der Geschäftswelt keiner kennt, dann will sie dort auch keiner. Darin zeigt sich ein massives Qualifikationsproblem. Es wird – wie sich zeigt – höchste Zeit für ein deutsches Blockchain-Kompetenzzentrum. Aber Blockchains sind nicht die einzige Technologie, bei denen mittelständische Top-Manager unwissend die Schultern zucken. Es gilt bedauerlicherweise für praktisch alle Digitaltechnologien – angefangen beim Internet der Dinge und nicht enden wollend beim Homeoffice.

Das haben mittelständische Unternehmer längst als ihr massivstes Problem erkannt. Vier von fünf Unternehmern sehen im Mangel an qualifiziertem Personal den Haupt-Hinderungsgrund für die Umsetzung von Digitalprojekten, wie eine jetzt veröffentlichte Studie über das Innovations- und Investitionsgeschehen in mittelständischen Unternehmen deutlich macht. Und dieser Fachkräftemangel ist der wesentliche Grund, warum mittelständische Unternehmen keine Visionen für die digitale Transformation entwickeln, geschweige denn verwirklichen. Für sie gilt: Wissen wäre Macht.

Aber sie wollen doch, signalisiert eine jetzt von der DZ-Bank herausgegebene Sonderbefragung zu digitalen Innovationen im Mittelstand. Auf den Punkt gebracht lautet die Erkenntnis aus der Studie: Mehr als jeder zweite Mittelständler will in den nächsten Monaten mehr in Digitalisierung, neue Technologien und Künstliche Intelligenz investieren. Doch mehr als jedem Fünften fehlt das Personal, um Innovationen stärker voranzutreiben. Daher steckt jedes dritte Unternehmen Geld in die Weiterbildung der eigenen Mitarbeiter, um bei Innovationen am Ball zu bleiben. Denn Wissen ist doch Macht!

Die Studie klingt gut, hat aber einen wichtigen Designfehler. Zwar wurde sie jetzt erst veröffentlicht, doch die Befragung erfolgte vom 23. Februar (sic!) bis Mitte März. Das ist die Vor- und Frühphase des russischen Überfalls auf die Ukraine, in der wir erstens noch nichts über die deutsche Beteiligung an der Militärausstattung der ukrainischen Armee und zweitens noch nichts vom Energiekrieg, den Putin inzwischen gegen Europa losgetreten hatte, wussten. Wir wussten auch nichts von galoppierender Inflation und wegbrechenden Märkten in China. Wir waren doch noch so naiv.

Heute sind wir es nicht mehr – und halten unser Kapital in diesen unsicheren Zeiten beisammen. Das zu untersuchen wäre eine zweite Studie im Auftrag der DZ-Bank wert. Oder ganz schnell und repräsentativ bei Civey, denn Wissen ist und bleibt nun mal: Macht!

Software ist das neue Gas

Der Kern der digitalen Transformation ist weich. Weich wie Software. Algorithmen, Anwendungen und Apps treiben die Geschäftsmodelle der Zukunft – egal, ob es sich dabei um das vernetzte, autonome Fahrzeug handelt, um das Multifunktionsküchengerät mit eigenen Rezepturprogrammen aus dem Web oder um Dienstleistungen, die durch intensive Kundenkommunikation, remote Services und individualisierte Angebote ein einzigartiges Kundenerlebnis bieten. Und Software eröffnet auch neue Chancen angesichts der drückenden Energie-, Rohstoff- und Lieferkettenkrisen: Denn wer mit Hilfe von digitalen Lösungen flexibler auf neue Rohstoffquellen und Lieferketten zurückgreifen kann, wer mit Hilfe von smarten Steuerungsmechanismen seinen Verbrauch optimiert und zugleich durch agile Einkaufsoptionen günstig zukauft, hat am Ende die Nase vorn.

Das Dumme ist nur, dass es diese Algorithmen, Anwendungen und Apps in der Regel noch gar nicht gibt. Das ist schlecht für Anwenderunternehmen, die erst ihre Digitalstrategien festzurren müssen, ehe sie überhaupt definieren können, welche Anforderungen ihre „Next-Generation-Software“ erfüllen soll. Aber es ist gut für die IT-Branche, die sich in den kommenden Jahren einem deutlich wachsenden Software-Markt gegenübersieht. Die Treibmittel der digitalen Transformation müssen erst noch programmiert werden.

Das wird der Lackmus-Test für den deutschen Mittelstand. Denn je schneller es jedem einzelnen Unternehmen gelingt, die Anforderungen für die Anwendungen der digitalen Transformation zu definieren, desto früher entstehen die Algorithmen, die es in die „digital Economy“ katapultieren, in dem mit krisenhaften Herausforderungen virtuoser jongliert werden kann und gleichzeitig neue Wachstumspotenziale gehoben werden. Gelingt dies nicht, droht das Schicksal der „Steampunks“, die von der Dampfmaschine nicht lassen wollten, als längst eine elektrische Infrastruktur entstand. Es herrscht also Nachholbedarf.

Kein Wunder, dass Forrester Research in einer Vorhersage für die kommenden Jahre zu glänzenden Wachstumsraten für die Software-Industrie kommt. Demnach wird der Weltmarkt für Anwendungssoftware in diesem und im kommenden Jahr mehr als 400 Milliarden Dollar erreichen, wobei vor allem Lösungen für das Kundenbeziehungsmanagement gefragt sind und als Einzelmarkt 64 Milliarden Dollar erreichen sollen. Ähnlich stark zulegen soll Collaboration-Software wie Teams, Zoom und Slack, die vor allem das Homeoffice und virtuelle Meetings unterstützen. Und wie immer sind ERP-Anwendungen aus Forrester-Sicht mit einem mehr als zehnprozentigen Wachstum bei den Gewinnern. Kein Wunder – denn hier wird die Vergangenheit in die Gegenwart geholt, oder OnPremises in die Cloud verlagert.

Software ist das neue Gas – und Anwenderunternehmen begeben sich sehenden Auges in die Abhängigkeit ihrer großen Lösungs-­ und Infrastrukturlieferanten. Stockt die Pipeline an Software-Innovationen, dann stockt auch die digitale Transformation. Und dieses Szenario ist angesichts des massiven Entwicklermangels zu befürchten. Forrester sieht allerdings durchaus Chancen in diesem Nachfragemarkt. Die Preise für Lizenzen, Wartung und Cloud-Services werden drastisch steigen, lautet die Prognose.

Aber: Was Forrester übersehen hat, ist die Tatsache, dass immer mehr Anwenderunternehmen ihre dringend benötigten Algorithmen selbst entwickeln – auch, weil sie die nötige Expertise bei den Software-Anbietern nicht vorfinden. Denn beide leiden gleichermaßen unter dem drückenden Fachkräftemangel bei Entwicklern, IT-Administratoren und IoT- oder KI-Spezialisten. Sie qualifizieren deshalb ihre Fachexperten zu „Quasi-Entwicklern“ um, die mithilfe von DevOps, großen App-Bibliotheken und Entwicklungsumgebungen, die durch Drag and Drop bestehende Funktionsbausteine integrieren, die dringend benötigten Anwendungen selbst generieren. Diese Low-Code- / No-Code-Entwicklungsumgebungen sind nach der Einschätzung der Gartner Group das „nächste große Ding“, das vor allem den Flaschenhals der Entwicklerkapazitäten bei Software-Anbietern wie –Anwendern weiten könnte.

Danach wäre allerdings immer noch Software das neue Gas. Denn wer es fertig bringt, den Anwendern diese Low-Code- / No-Code-Entwicklungsumgebungen zu liefern und mit Bausteinen für künstliche Intelligenz, das Internet der Dinge oder für eCommerce- und CRM-Anwendungen anzureichern, wird das neue Nordstream der Software-Lieferungen errichten. Da können wir nur hoffen, dass dann die Abhängigkeit von US-Unternehmen größer sein wird als die von chinesischen Anbietern. Das wäre dann der nächste Knebel-Hebel.

Gehen uns die Unternehmer aus?

Startups gelten in der Regel als Gradmesser für den Innovationsstandort Deutschland. Erst kürzlich hat die Ampelkoalition dazu ihr zentrales Strategiepapier vorgelegt, nach dem die Bundesregierung unter anderem ein sich selbst verstärkendes Ökosystem für Gründerinnen und Gründer schaffen will und nicht zuletzt zehn Milliarden Euro in einem für Jungunternehmen ausgelegten Fördertopf der Kreditanstalt für Wiederaufbau bereitstellen will. Ob damit die Zahl der Startup-Gründungen im Jahr endlich einmal über die 3000er-Marke steigt, bleibt fraglich. Denn auch wenn die Bedingungen stimmen, fehlt oft der Mut zum Risiko, wie eine McKinsey-Studie zeigt. Die Deutschen, so heißt es lapidar, sind generell einfach eher risikoavers.

Das war mal anders – sonst gäbe es nicht die Abertausend traditionsreichen Familienunternehmen, die das Rückgrat des Mittelstands bilden. Allerdings: der Median für die Gründungsjahre der rund 30.000 mittelständischen Unternehmen im Familienbesitz liegt ungefähr bei 40, sprich: die Hälfte der Firmen ist jünger als 40 Jahre. Es brauchte also vier Jahrzehnte, um in Deutschland die Hälfte der Familienunternehmen ins Leben zu rufen. Die Zeit wäre kürzer, der Median also kleiner, würde in Deutschland eifriger gegründet.

Man könnte die hohe Zahl der offensichtlich in Überlebensstrategien versierten Traditionsunternehmen auch so interpretieren: Deutschlands Unternehmensstruktur ist überaltert. Aber das würde den bemerkenswerten Überlebens- und Erneuerungswillen in den alten Gründerfamilien ignorieren. Es ist der Innovationsgeist des Mittelstands, der dazu beiträgt, dass sich Unternehmen immer wieder neu erfinden, inhaltlich verjüngen und dabei nachhaltig wachsen. Das liegt vor allem an den beiden Königsdisziplinen im deutschen Mittelstand: Produktinnovation und Prozessinnovation. Die erste zielt auf Wachstum, die zweite auf Effizienz. Beides sind die zentralen Überlebensstrategien im Mittelstand.

Doch das wird immer schwieriger, wie eine soeben vorgelegte Studie im Auftrag des Bundesverbands Merger and Acquisitions ergab: Denn nicht nur beklagen demnach die Unternehmer eine wachsende Komplexität im Handlungsumfeld, die sich sowohl auf gesetzliche Regularien, auf Branchenspezifika wie auch auf technische Herausforderungen bezieht. Viel stärker wiegt noch die Tatsache, dass nur jeder fünfte Unternehmer in der eignen Familie einen Nachfolger entdeckt, während nur ein Drittel der Unternehmen sich überhaupt planvoll auf eine mögliche Nachfolgeregelung vorbereitet sieht.

Auch hier zeigt sich: auch die Nachfolgegeneration bleibt risikoavers – trotz täglicher Berichte über ertragreiche Börsengänge, erfolgreiche Einhörner und der positiven Erfahrungen in der eigenen Unternehmerfamilie. Neben dem sattsam bekannten Fachkräftemangel manifestiert sich hier ein kritischer Führungskräftemangel. Gehen uns die Unternehmer aus?

Nun, es ist auch kein Zuckerschlecken, angesichts von explodierenden Energiekosten, galoppierenden Rohstoffpreisen, Qualifizierungsdefiziten und Bürokratieüberschuss ein Unternehmen zu gründen oder zu führen. Doch das war es während der Wirtschaftswunderjahre auch nicht. Und dennoch war damals die Stimmung besser als heute in den Zeiten von Kriegen, Klima, Kostenexplosion und sonstigen Krisen. Da helfen dann auch die Abertausend Absolventen für Betriebswirtschaft und Entrepreneurship nicht. Da helfen nur Zuversicht und Optimismus. Weil die fehlen, denken mehr und mehr Unternehmer ausweislich der M&A-Studie über Firmenverkäufe nach.

Da lässt sich durchaus gegensteuern und besteuern. So wie Startups-Gründungen nun mit Recht gefördert werden, müssen auch die Innovationsprogramme für den Mittelstand ebenso aufgestockt werden wie die Entlastungspakete für die wirtschaftliche Mitte. Und wer bei der Reform der Erbschaftssteuer gleich den Wutbegriff von der Reichensteuer im Munde führt, verkennt, dass es sich heute kaum noch jemand leisten kann, sein Unternehmen zu vererben, weil die nachfolgende Generation ihren Einstieg ins Unternehmertum unter einer hohen Steuerlast beginnt.

Wir brauchen eine Politik, die verhindert, dass uns die Unternehmer ausgehen. Sonst gehen auch noch die Lichter aus.